Zum 350jährigen Jubiläum der Leipziger Buchbinder-Innung

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Zum 350jährigen Jubiläum der Leipziger Buchbinder-Innung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 547
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[547] Zum 350jährigen Jubiläum der Leipziger Buchbinder-Innung. Als man die Bücher noch durch Abschreiben vervielfältigte, gab es keine Buchbinder, die einen besonderen Stand gebildet hätten. Erst nach der Erfindung der Buchdruckerkunst, als die Bücher zahlreicher wurden, konnte die Buchbinderei als ein selbständiges Gewerbe auftreten und sich besonders organisieren. Diese Arbeitsteilung ging nicht ohne Reibungen und Kämpfe mit den Buchdruckern und Buchhändlern vor sich und die Leipziger Buchbinder-Innung war eine der ersten, die diese Kämpfe ausfechten mußte. Sind es doch heuer 350 Jahre, daß diese Innung besteht! Ihre ältesten Urkunden datieren vom Abend vor Bartholomäustag (23. August) 1544, und indem man den 15. Verbandstag des Bundes deutscher Buchbinderinnungen auf Anfang August nach Leipzig einberief, gab man den Genossen von nah’ und fern Gelegenheit, die Leipziger Innung an ihrem Jubelfeste zu beglückwünschen.

Was nun die gesellschaftliche Stellung der Buchbinder vor 350 Jahren anbelangt, so zählten sie damals wegen ihrer Fertigkeit im Lesen und Schreiben und wegen ihrer Kenntnisse in verschiedenen Sprachen zu den gelehrten Berufen, waren akademische Bürger und durften den Degen tragen. Die ältesten Leipziger Buchbinder betrieben zum großen Teil auch Handel mit Papier, mit gebundenen und ungebundenen Büchern und hatten zur „Messenszeit“ ihre Stände auf dem Marktplatz oder unter dem Rathause.

Im Jahre 1544 bestand die Leipziger Buchbinder-Innung aus 13 Meistern, von denen jeder nur zwei Gesellen und einen Lehrjungen oder zwei Jungen und einen Gesellen halten durfte. Ihr „geistiger Vater“ war der berühmte und vermögende Meister Christof Birck. Die Geschichte der Buchbinder-Innung zu Leipzig ist vom Buchbindermeister und Archivar Heinrich Kofel in einer Festschrift „Chronik der Buchbinder-Innung zu Leipzig“ (Leipzig, Verlag der Buchbinder-Innung) zusammengestellt worden. Wir ersehen aus ihr, daß die Gemeinschaft lange Zeit hindurch blühte und gedieh und selbst die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges glücklich überwand. Schwer hatte sie dagegen unter dem Siebenjährigen Kriege und dem Kriegsjahre 1813 zu leiden.

In den Zeiten der Not ging der Sinn für die Kunst im Gewerbe mehr und mehr verloren und erst spät sollte auch in der Buchbinderei eine neue Blüte eintreten, wobei allerdings die Werkstatt in den Arbeitssaal verwandelt wurde. Zu dieser Umwandlung hat wohl das Meiste Karl Heinrich Sperling beigetragen, der seit 1846 Mitglied der Innung war und 1876 starb. Er war der erste, der Beschneide-, Abpreß- und Vergoldemaschinen und im Jahre 1866 auch den Dampfbetrieb in der Buchbinderei zu Leipzig einführte.

Im Jahre 1862 wurde in Sachsen die Gewerbefreiheit eingeführt, aber die Mehrzahl der Leipziger Buchbinder hielt treu zu der Innung; noch im Jubiläumsjahre (1894) beträgt die Zahl der Innungsmitglieder 118 und sie beschäftigen insgesamt 2219 Personen, während die der Innung nicht angehörenden Buchbindereien Leipzigs mit etwa 1200 Personen arbeiten.

1544 und 1894! Wie hat sich das Buchbindergewerbe in Leipzig entwickelt! Einst wirkten 13 Meister mit 39 Gesellen und Jungen in einfachen Werkstätten – heute binden in Leipzig an 3500 Menschen und werden von sinnreichen Maschinen und dem gewaltigen Dampf unterstützt. Gegenwärtig werden in Deutschland in etwa 15000 Betrieben von 60000 Arbeitern Bücher gebunden und unter allen Städten nehmen die Buchbinder Leipzigs die hervorragendste Stellung ein. Inzwischen ist aber auch das Bedürfnis nach einer künstlerischen Ausstattung des Bucheinbandes wieder erwacht und häufiger begegnen wir nach langer Zeit des Verfalls echten Meisterwerken der Buchbinderkunst.

Mit dem Jubiläum der Leipziger Buchbinder-Innung verbindet sich eine Fachausstellung, die in den Tagen vom 5. bis 12. August im Kristallpalaste stattfindet. Da sind die neuesten Maschinen und Werkzeuge des Buchbinders, alle Materialien für Buchbinderei zu sehen, und damit jeder den Fortschritt, der im Laufe der Jahrhunderte gemacht wurde, selbst ermessen könne, wird auch eine alte Buchbinder-Werkstatt aus dem 16. Jahrhundert vorgeführt. Vor allem aber erregt die Gruppe Aufmerksamkeit, welche Arbeiten des Buchbindergewerbes aus älterer und neuerer Zeit umfaßt. Zahlreiche deutsche Bibliotheken und Museen haben dazu die gediegensten und wertvollsten Einbände, die in ihrem Besitze sind, gesandt. Welch kostbare Stücke sich darunter befinden, davon nur ein Beispiel. Das herzogliche Museum zu Gotha stellt unter anderen Büchern drei alte Lederfiligranbände aus, von denen jeder gegen Feuersgefahr, Beschädigung etc. mit 20000 Mark versichert werden mußte. So kann man eine Fülle der ausgezeichnetsten Kunsteinbände bewundern, wie sie wohl noch niemals an einem Orte vereint gewesen ist, und der Erfolg wird nicht bloß in einer erweiterten Kenntnis der technischen Errungenschaften, sondern ebenso in der Hebung des Kunstsinns sich bemerkbar machen. *