Wilhelm von Humboldt als Gesandter in Wien, 1810–1813

Textdaten
<<< >>>
Autor: Bruno Gebhardt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Wilhelm von Humboldt als Gesandter in Wien, 1810–1813
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 12 (1894/95), S. 77–152.
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Freiburg i. B. und Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[77]
Wilhelm von Humboldt als Gesandter in Wien, 1810–1813.
Von
Bruno Gebhardt.


Am 14. Juni 1810 wurde Wilhelm von Humboldt zum Gesandten in Wien an Stelle des Grafen Finkenstein ernannt. Dieser hatte abberufen werden müssen, da während des Französisch-Oesterreichischen Krieges einige seiner Berichte, die Preussens Eintritt in denselben anriethen, in die Hände der Franzosen gefallen waren[1]. Humboldt trat mit grosser Freude wieder ein diplomatisches Amt an, das er vor 1 ½ Jahren nur unter der ausdrücklichen Bedingung verlassen hatte, dass er jederzeit diese Carrière wieder aufnehmen könne[2]. So theilt er am 3. August 1810 Welcker seine Ernennung mit und setzt hinzu[3]: „Allein mit Gewissheit annehmen können Sie, dass ich gern in die diplomatische Laufbahn zurückkehre, und dass ich auch in meiner vorigen geblieben sein würde und wegen des Nutzens, den ich stiftete, mit Freuden, wenn nicht die Umstände sich so sonderbar gefügt hätten, dass dies auf eine durchaus unabhängige Weise nicht füglich möglich war. Was mir vor allem lieb ist, ist, dass ich jetzt eine durchaus freie Musse haben werde, wenigstens gegen meinen vorigen Zustand gerechnet. Ich werde nicht [78] nur zu meinen Studien, sondern auch zu meinen Freunden und meiner Familie[4] zurückkehren können“. Und an Stein[5] schrieb er bald nach seiner Ankunft: „Ich habe schon angefangen meine Bücher auszupacken und denke, einige seit zwei Jahren abgebrochene Studien wieder anzufangen“.

Anfangs September reiste er aus Berlin ab, weilte zwei Tage in Teplitz mit Gentz[6], zwei Tage bei Stein in Prag[7], dem er damals persönlich näher trat, und traf am 22. September in Wien ein[8].

Seine Instruction vom 14. August sprach die Hoffnung aus, dass es ihm gelingen würde, das Vertrauen des Wiener Hofes zu erwerben, beauftragte ihn mit Danksagungen an Metternich für die guten Dienste, die er Preussen während seines Aufenthaltes in Paris[9] geleistet, und mit den üblichen Complimenten an den Kaiser, dessen enge verwandtschaftliche Verbindung mit Frankreich zu Preussens freundschaftlichem Verhältniss zum Pariser Cabinet stimmen. Er wurde weiter darauf hingewiesen, sich die nöthige Kenntniss der einflussreichen Personen zu erwerben, besonders aber Metternich’s Vertrauen, dessen Dispositionen für Preussen als sehr günstige angesehen werden. Mit dem Französischen Gesandten Grafen Otto solle er freundliche Verbindungen anknüpfen, bei seinem Verkehr mit dem Russischen Gesandten, Grafen Stackelberg, aber nicht zu grosse Intimität zeigen. Die Preussische Politik, heisst es weiter in der Instruction, ist durch die Verträge von Tilsit, die Convention von Paris vom 8. September 1808 und die von Berlin vom 5. November 1808 bedingt; so drückend auch die Verpflichtungen seien, so wolle der König sie doch loyal erfüllen. Das Streben der Preussischen Politik gehe dahin, das Vertrauen Napoleons zu erlangen, um die furchtbaren pecuniären Verpflichtungen ermässigt zu erhalten. Es wird ferner auf die Analogie des Unglücks und der Interessen zwischen Oesterreich und Preussen hingewiesen, nicht verhehlt, dass Oesterreich allerdings günstiger [79] zu Frankreich stände, und die Hoffnung ausgesprochen, dass Oesterreich im gegebenen Falle für Preussen wirken werde. Es wird grosser Werth auf die Uebereinstimmung mit dem Kaiserstaat gelegt, nur solle alles vermieden werden, was den Verdacht Frankreichs erregen könne. Seiner besonderen Aufmerksamkeit wird zu untersuchen empfohlen, ob das verwandtschaftliche Band zwischen beiden Höfen auch eine politische Verbindung herbeigeführt habe; er solle ferner die Thätigkeit und den Einfluss von Metternich’s Gegnern, die Finanzverhältnisse und den Zustand der Armee beobachten. Nicht minder solle er seine Aufmerksamkeit auf Oesterreichs Verhältniss zu Russland, besonders im Hinblick auf die Orientalische Frage, richten, sichere Nachrichten über Spanien und die Aussichten des maritimen Friedens zu erlangen suchen, Oesterreichs Beziehungen zu den Rheinbundstaaten im Auge behalten und erforschen, ob Napoleon sich zum Kaiser des Abendlandes krönen lassen werde, und was man in Wien über die Schwedische Thronfolge denke: ob ein bisher nicht regierender Prinz oder der König von Dänemark die Krone erhalten würde.

Mit dieser inhaltsleeren Instruction, die keinen bestimmten Auftrag enthielt, ging Humboldt unter äusserst schwierigen Verhältnissen, von denen er aber wohl wenig ahnte, auf seinen neuen Posten ab. Zwar schreibt er an Stein (10. October 1810)[10]: „So sicher ich auch überzeugt bin, dass ich nie mehr werde dienen, und überhaupt schwerlich in Berlin gebraucht werde, so ist doch einmal mein fester Vorsatz, mich keinem Ruf zu entziehen“. Die Hauptschwierigkeit lag in dem Misstrauen Hardenberg’s, das aus unaufgeklärten Ursachen entstanden war[11]. Eben noch hatte er ihn zum Minister des Innern vorgeschlagen; die Ernennung war nur daran gescheitert, dass zu diesem Ressort auch die kirchlichen Angelegenheiten gehörten, und der König Bedenken trug es einem Manne zu übertragen, der im Ruf der Irreligiosität stand[12]. In zwei Briefen vom 22. Juni und vom 12. August 1810[13] legt Humboldt dem leitenden Minister die Geschäfte seines bisherigen Amtes dringend [80] und vertrauensvoll an’s Herz. Während des ersten Jahres aber, das Humboldt in Wien verlebte, und darüber hinaus, zeigt ihm Hardenberg ein Misstrauen, das sich bis zum Hass steigert. Alle wichtigen Verhandlungen gehen hinter seinem Rücken vor sich. Zweimal, im Sommer 1811[14] und im September 1812[15] knüpfte Hardenberg mit Metternich einen geheimen Briefwechsel an, in den die Welfischen Agenten Hardenberg und Ompteda, auch der Oesterreichische Gesandte in Berlin eingeweiht waren, nur Humboldt nicht. Dass er die Mission von Jacobi-Klöst kannte (October 1811[16]), ist nirgends ersichtlich; von Scharnhorst’s Sendung erfuhr er sicherlich und absichtlich nichts[17], und endlich scheute Hardenberg nicht davor zurück, zu Ompteda zu äussern: „Wenn Sie mir etwas sagen, glaube ich es; wenn Humboldt mir etwas sagt, glaube ich kein Wort davon; er ist falsch wie Galgenholz“[18]. Wir werden allerdings den Zeitpunkt kennen lernen, wo das Verhältniss sich vollständig ändert, aber vorläufig waren die Hannoveraner Hardenberg’s Vertraute und Humboldt wurde ohne Kenntniss der Vorgänge und Absichten gelassen, wodurch seine Thätigkeit und Stellung auf’s höchste erschwert wurde. Denn welches Vertrauen sollte Metternich ihm schenken, wenn Hardenberg ihm so offenes Misstrauen zeigte!

Dazu kam, dass er ohnedies vom Wiener Hof mit grossen Bedenken empfangen wurde, da er als Mitglied des Tugendbundes galt. Kurz nach seinem Eintreffen in Wien schrieb am 16. October 1810 Graf Bombelles über ihn einen Bericht[19], in dem er ihn als den begabtesten, aber auch gefährlichsten Streber einer Faction bezeichnet, „welche schon lange im Stillen anwächst und um jeden Preis Proselyten zu machen sucht, die unter der Maske und dem Namen der Tugend trachtet, sich aller Zweige der Verwaltung zu bemächtigen und alle Aemter in die Hand zu bekommen, die getreu dem Geiste aller Secten der Welt zu ihrer gewöhnlichen Devise genommen hat: Niemand hat Credit [81] ausser uns und unseren Freunden“. Mit Hilfe dieser im Finstern schleichenden Macht hat Humboldt erster Minister werden wollen, selbstverständlich nicht, um „der Dupe des Firlefanzes dieser Secte“ zu werden, sondern um die Leiter von sich zu werfen, sobald er sein Ziel erreicht. Die „Tugendfreunde“ haben ihn wirklich als den homme par excellence auf den Schild gehoben, die Damen von Berlin, nicht ausgenommen die Prinzessinnen von Geblüt, haben allen ihren Einfluss aufgeboten, um ihn zum Minister zu machen, aber – „der Schutzgeist Preussens“ hat gewacht, indem er Hardenberg die Oberhand verschaffte, und so ist Humboldt nach Wien bestimmt worden, damit er von Berlin entfernt würde und dort eine Stelle einnähme, die der König dem Grafen Finkenstein „um keinen Preis“ mehr lassen wollte. „Die Liebenswürdigkeit seiner Formen,“ setzt Graf Bombelles hinzu, „steht in pikantem Gegensatz zu der Hässlichkeit seiner Züge; ohne Mühe gewinnt er sich mittelst gut gespielter Biederkeit ein Vertrauen, das ihm rückhaltlos zu gewähren nicht klug wäre.“ Er habe auch mit Herrn von Stein stets im engsten Vernehmen gestanden.

Dieser von Unkenntniss und Hass gleich strotzende Bericht musste bei der bekannten Furcht des Wiener Hofes vor dem Tugendbunde dort gründlich die Abneigung gegen Humboldt steigern. Unterm 18. Januar 1811 forderte Kaiser Franz Erhebungen über den Tugendbund, und Freiherr von Wessenberg berichtet[20] am 13. März an Metternich unter Anderem: „Was Humboldt betrifft, so wage ich zu glauben, dass er zu viel Geist und Verstand hat, um eine gleiche Verbindung zu billigen, aber man hat ihn beschuldigt, er habe seine Position mittelst dieser Secte verstärken wollen, besonders so lange er geglaubt hat, dass sie einigen Einfluss auf die Königin haben könnte“. Metternich aber macht in seinem drei Tage später an den Kaiser abgestatteten Bericht[21] Humboldt nebst Stein und Beyme zu den vorzüglichsten Chefs und Beförderern des Tugendbundes, schränkt jedoch ein: „Von den letzteren (Humboldt und Beyme) wird jedoch behauptet, dass sie sich desselben mehr als Hilfsmittel zur Erreichung ihrer eigenen Absichten bedient haben“.

Unter solchen Auspicien trat Humboldt sein neues Amt an, [82] das ihn über zwei Jahre in der Oesterreichischen Hauptstadt fesselte.

Seine politischen Ansichten und Absichten liegen hauptsächlich in den Depeschen vor, die er nach Berlin richtete. Sie fanden die entgegengesetzteste Beurtheilung. Häusser, der sie als Erster benützte, sagt:[22] „Seine Thätigkeit in diesem neuen Kreise hat bis zu den grossen Ereignissen des Jahres 1813 fortgedauert und bildet die bemerkenswertheste Episode in der Geschichte der Preussischen Diplomatie jener Tage. Denn nicht nur Preussen ist niemals besser in Wien vertreten gewesen, sondern auch die grosse Deutsche Sache hat damals keinen bedeutenderen diplomatischen Repräsentanten gezählt als Wilhelm von Humboldt. Er hat in den drei Jahren, die er auf dieser Mission zubrachte, stets mit sicherem Takte den Weg eingehalten, der die Aussicht auf ein gemeinsames Handeln gegen Napoleon gab“. Treitschke[23] dagegen beginnt eine Charakteristik mit den Worten: „Zu den vielen Märchen jener Epoche, welche heute vor einer schärferen historischen Kritik nicht mehr Stand halten, zählt auch die Ueberlieferung von Wilhelm von Humboldt’s glänzenden diplomatischen Leistungen“. Er sucht dann Humboldt’s Mängel auf diesem Gebiet aus dem innersten Kern seines Wesens zu erklären, nennt ihn „zu gross für einen Diplomaten“, seine Denkschriften „allesamt zu breit und zu scharfsinnig“ und schliesst: „Humboldt’s einst vielgepriesene Berichte aus jenen Jahren erweisen sich heute, seit wir Ompteda’s Briefwechsel[24] kennen, als durchaus unzulänglich“. Aehnlich, wenn auch weniger scharf, spricht er sich ein zweites mal[25] aus und setzt hinzu: „Mit peinlicher Gewissenhaftigkeit, wie er Alles betrieb, hat er auch seine diplomatischen Pflichten erfüllt; doch jene leidenschaftliche Freude am Erfolg, die zu allem grossen menschlichen Schaffen gehört, kannte er in diesem Berufe nicht“, und preist ihn dann in seiner Thätigkeit als Cultusminister.

[83] Es würde nicht viel beweisen, dass Humboldt anders über sich dachte. Bei seiner Berufung in’s Ministerium 1809 erklärt[26] er ausdrücklich, dass seine Neigung entschieden auf die Fortsetzung seiner diplomatischen Geschäfte gerichtet sei. „Es ist das die Laufbahn,“ schrieb er an den König, „zu der ich mich seit langer Zeit vorbereitet hatte, in der ich nunmehr seit sieben Jahren thätig bin, und in welcher ich hoffen darf, mich mehr als in irgend einer anderen der nachsichtsvollen Beurtheilung Ew. Königl. Majestät würdig zu erweisen“, und lehnt durchaus die Berufung ab, – es würde das wenig beweisen, da er sich durch seine Neigung vielleicht über seine Begabung getäuscht hat. „Leidenschaftliche Freude“ kannte er allerdings nicht[27], da alles Leidenschaftliche seiner Natur versagt war, aber dass seine diplomatischen Leistungen und Berichte unzulänglich sind, ist kein gerechtes Urtheil. Wenn man die früher gekennzeichneten erschwerenden Umstände im Auge behält, unter denen Humboldt dort wirkte; wenn man weiter den Gang der Ereignisse verfolgt, die, wie wir sehen werden, in der Hauptsache Humboldt’s Anschauungen Recht gaben, was schliesslich auch Hardenberg anerkannte, und wenn man sie schliesslich mit den Briefen des Hannoveraners Hardenberg, mit Metternich’s Denkschriften und anderem seitdem publicirten Material vergleicht, so kommt man im Gegentheil zu der Ansicht, dass Humboldt viel schärfer gesehen hat als vor Allem der Hannoveraner Hardenberg, der sich trotz seiner anfänglichen Zögerung doch von Metternich ganz einfangen liess.

In Humboldt’s Wiener Thätigkeit müssen wir zwei Perioden unterscheiden, die auch äusserlich durch einen Urlaub getheilt werden: vom September 1810 bis Juni 1812, und vom August desselben Jahres bis Juni 1813. Den Einschnitt bildet der Ausbruch des Russischen Feldzugs. Die Berichte Humboldt’s berühren zahlreiche Ereignisse der inneren und äusseren Politik Oesterreichs und anderer Staaten, Vorgänge am Hof und in den höchsten Beamtenkreisen, aber die Hauptsache bleibt doch immer die Stellung des Kaiserstaates zu Russland und [84] Frankreich und die Erörterung der Frage, wie sich Oesterreich bei Ausbruch eines Russisch-Französischen Conflicts verhalten würde.

Kurz nach Humboldt’s Eintreffen in Wien war auch Metternich aus Paris, wo er vom März bis October 1810 geweilt hatte, zurückgekehrt, und die diplomatische Welt discutirte eifrig die Frage, welche Erfolge der Minister wohl am Hofe der Tuilerien erreicht haben möge. Humboldt glaubte (26. September), dass die ganze Reise von keiner politischen Wichtigkeit wäre, und er hatte damit vollkommen Recht[28]. Er beklagt im allgemeinen (29. September), dass Metternich durch eigene Fehler oder durch die Umstände in eine kritische Situation gerathen sei. Sein Aufenthalt in Paris habe Hoffnungen erweckt, die sich nicht erfüllen würden. Man habe sich eingebildet, Napoleon werde an Oesterreich einen Theil der verlorenen Provinzen zurückgeben, und man werde nun dem Minister die Schuld aufbürden, wenn seine Reise keines der erwarteten Resultate gehabt habe. Allerdings machen sich auch andere Ansichten geltend. Leute, die die Sache im wahren Lichte sehen, urtheilen, Metternich’s Haltung sei sehr klug gewesen, dass er nicht auf Verhandlungen einging, die nur scheinbar vortheilhaft gewesen wären, seinen Hof aber in ein System hinein genöthigt hätten, welches das seinige nicht sein kann. Eine Allianz mit Frankreich könne Oesterreich jetzt nichts nützen, da dieses weder im Stande sei, jenem genügend zu imponiren, um wirklich günstige Bedingungen zu erlangen, noch über die genaue Ausführung etwaiger Bestimmungen zu wachen. Als Oesterreichs einzig richtige Politik in gegenwärtiger Zeit bezeichnet Humboldt, der Kaiserstaat müsse fest und ruhig in seiner Stellung bleiben, sich im Inneren consolidiren, sich auf die Ereignisse vorbereiten, jede Annäherung, die zu weit führen könne, vermeiden, und wolle Frankreich es an der Ausführung seiner Pläne theilnehmen lassen, müsse es ihm den gleichen passiven, aber unüberwindlichen Widerstand entgegensetzen, der auch schon früher angebracht gewesen wäre. Aus dieser richtigen Ansicht geht auch sein Bedauern hervor, dass Metternich überhaupt und gar auf so lange Zeit nach Paris gegangen sei. Er hofft nur, dass die Gegner des leitenden Ministers [85] den Kaiser nicht präoccupiren, da sein Verbleiben im Amte dringend zu wünschen sei.

Diese Auffassung von der für Oesterreich allein richtigen Haltung hatte sich Humboldt schon beim ersten Einblick in die trostlosen finanziellen und militärischen Verhältnisse, in die Kämpfe der Minister unter einander, besonders der Grafen Wallis und Zichy, in die ganze innere Misère gebildet, ehe er noch Metternich gesprochen hatte. Einige Wochen später (17. October) äussert er sich schon deutlicher und eingehender über die wichtigsten Fragen, die zur Discussion standen. „Es scheint natürlich“, erklärt er, „für die Politik Frankreichs, bevor es zum offenen Bruch mit Russland kommt, heimlich Schritte thun, um ihm Verlegenheiten zu bereiten und die anderen Mächte zu entfremden!“[29] Auf dieses Ziel hin hat es Russland im Tilsiter und Wiener Frieden Vortheile zugesichert. Frankreich kann kein anderes Interesse haben, als den Russischen Einfluss in Europa gleich Null zu machen, und dieses Ziel auch ohne offenen Krieg zu erreichen. Bis jetzt ist wohl Oesterreich noch keine Verpflichtung eingegangen, die Russlands Besorgniss zu erregen braucht. Ich glaube auch, es weist eine solche Verpflichtung zurück; es wird wahrscheinlich im Falle eines Bruches neutral bleiben wollen und als plausibeln Vorwand die Reduction seiner Armee anführen. Die Empfindlichkeit des Wiener Hofes gegen Russland ist fast auf das Aeusserste gestiegen, und die geringe Energie in der Consolidirung der inneren Kräfte lässt befürchten, dass der Wiener Hof den Absichten Frankreichs gegen Russland kein grosses Hinderniss in den Weg legen wird. Dringend wichtig wäre es, Russlands Frieden mit der Pforte zu fördern, und sehr wenig weise ist seine Politik, die Kräfte zu zersplittern und den hiesigen Hof zu verstimmen – für eine nahezu überflüssige Eroberung[30]. Würde Russland Oesterreich grosse Vortheile für seinen Handel und für seine Unterthanen in der Moldau und Walachei bewilligen, so könnten die Interessen beider [86] Staaten vereinigt werden. Jetzt sei wenig Aussicht dazu, und aus begreiflichem Interesse an der Türkei werde Oesterreich, ohne es zu wollen, Frankreich begünstigen. Nur einer Uebereinstimmung zwischen den drei Mächten, die allein noch angesehen und unabhängig sind, könnte jeder von ihnen garantiren, dass die Drohung einer andern Macht, wider ihre Interessen zu handeln, nichtig wäre. Sie würde auch Frankreich imponiren und das einzige Mittel sein, dem Festlande den Frieden zu wahren. Die grösste Vorsicht wäre allerdings nöthig, um nicht Frankreichs Verdacht zu erregen; aber es würde sich nur darum handeln, die schon sehr bedrohte Unabhängigkeit, die man gegenwärtig geniesst, aufrecht zu erhalten und die Idee gänzlich zu vernichten, dass eine Lockspeise, einer der Mächte dargeboten, sie gegen das Unrecht, das einer anderen geschieht, gleichgültig mache.

Humboldt verhehlt sich allerdings nicht, dass es überaus schwer sei, eine solche Uebereinstimmung der Mächte herzustellen, wofern nicht der Hof von Petersburg den ersten Schritt thue und eine ganz freie und offene Sprache führe. „Man will sich hier gewiss nicht mit Frankreich gegen eine andere Macht verbinden, aber indem man Russland Fesseln anlegt, vergisst man, dass man dadurch ein System begünstigt, das man nicht liebt, ohne dass man das Verdienst erwirbt, es wirklich angenommen zu haben, der Pforte Nutzen zu bringen und seine eigenen Interessen zu fördern. Unglücklicher Weise muss man offen gestehen, dass der Oesterreichischen Monarchie augenblicklich ein Mann fehlt, der fähig wäre, die politischen Kräfte, die ihr geblieben sind, zu vereinigen und zu befestigen. Die Finanzen stehen schlecht, das Volk ist mit den Massregeln der Regierung unzufrieden, die Minister sind uneinig und der Kaiser schenkt keinem ein unbegrenztes Vertrauen und schwankt ungewiss zwischen ihnen[31].

Erst Ende October war Metternich wieder in Wien eingetroffen, und nun berichtet Humboldt über wiederholte Unterredungen mit ihm. Er gewann den Eindruck, dass der Oesterreichische Minister in Paris über eine Allianz unterhandelt habe, [87] ebenso über einen Handelsvertrag, dass aber der Oesterreichische Hof beides abgelehnt habe[32]. Sein Hauptaugenmerk aber richtete Humboldt, getreu der Anweisung seines Ministeriums[33], auf alle Versuche, der Allmacht Frankreichs einen Damm entgegen zu stellen. Der einzige Versuch[34], einen vollkommenen Einklang zwischen den Grossmächten, deren Ziel nicht wäre, Frankreich anzugreifen, sondern seinen Eingriffen einen festen, aber passiven Widerstand entgegen zu stellen, ist noch nicht gemacht worden. Für jetzt, meint er, wäre die Hauptsache, die Eintracht zwischen Russland und Oesterreich herzustellen, da Wien und Berlin in gutem Verhältniss stünden[35]. Es wäre nicht unmöglich, dass Schweden dem gleichen Antrieb folge[36], und die Rheinbundstaaten selbst könnten dadurch die Möglichkeit der Unabhängigkeit erlangen. Aber Oesterreichs Beziehungen zu Frankreich und Russland erlauben nicht solche schmeichelhafte Hoffnungen; er glaube zwar, dass die einzigen Bande, die Wien und Paris vereinigen, die der Heirath Napoleon’s seien; aber man täusche sich hier nicht, dass alle Liebe Napoleon’s zu seiner Gattin ihn nicht veranlassen würde, seine ungeheueren politischen Pläne zu ändern. Der Wiener Hof halte sich weder für stark genug, gegen die Stürme, die ihn bedrohen könnten, anzukämpfen, noch für geschickt genug, sie abzuwenden. Metternich glaube durch seinen Aufenthalt in Paris eine sichere Kenntniss der Intentionen des Kaisers gewonnen zu haben, gestützt auf persönliche Dispositionen, auf die allgemeine Lage und den Krieg in Spanien. Man glaube hier nichts fürchten zu müssen, selbst den Forderungen Frankreichs straflos einen gewissen Widerstand entgegensetzen zu dürfen[37]. Wenn man augenblicklich nichts für sich zu fürchten habe, vergesse man leicht die anderen und die Zukunft; [88] man lebe von Tag zu Tag[38], obgleich man sich gestehe, dass der Zustand der Dinge wohl eines Tages wechseln könne, und er sehe gegenwärtig nicht das geringste Anzeichen, dass man hier daran denke, ein System der Gerechtigkeit und des Gleichgewichts in Europa herzustellen. Hinsichtlich der Beziehungen zu Russland sei die Frage zu beantworten, ob man hier mehr beschäftigt sei mit den Mitteln, den Uebergriffen Frankreichs oder den Fortschritten Russlands in der Türkei Grenzen zu ziehen. Er sehe durchaus nicht, dass man daran arbeite, das erste Ziel zu erreichen, ja die Oesterreichischen Agenten hindern den Friedensschluss in Constantinopel[39]. Man betrachtet sogar mit ausserordentlichem Wohlgefallen alles, was in diesem Betracht geschehe, und Metternich habe seinen Pariser Aufenthalt dazu benutzt, um sich der Dispositionen Frankreichs darüber zu sichern… Andererseits sei auch das Misstrauen Russlands gegen Oesterreich sehr gross; es zu beseitigen wäre schön, aber äusserst schwierig; bei Preussens gegenwärtiger Lage halte er die grösste Vorsicht für seine erste Pflicht. Er beschränke sich auf Beobachtung und auf den Versuch, das Misstrauen, wo er könne, unmerkbar zu mildern. Zu einer Aenderung würde Russland den ersten Schritt thun und besonders die intime Ueberzeugung geben müssen, dass es mit Festigkeit bei dem ergriffenen System bleiben würde[40]. Metternich stehe jetzt fest [89] und in Gunst beim Kaiser; er werde von Frankreich protegirt, und es sei Niemand da, der ihn ersetzen könnte. Er sei aber wegen der inneren Lage sehr niedergeschlagen. Der Zustand der Finanzen sei verzweifelt, man kenne kein Mittel mehr, sie zu heben, da scharfe Mittel vom Kaiser nicht genehmigt würden. Die Unterdrückung der Agiotage wäre doch auch nur ein Palliativmittel, und auch dazu fehle die Energie. Eine zehnprocentige Kapitalsteuer sei wirksam und in Böhmen leicht eingegangen, aber sie bringe nur 500 Millionen Gulden, während die Masse der Bankbillets 950 Millionen betrage. Auf den Verkauf der Domänen und kirchlichen Güter sei nicht zu rechnen; ein Radicalmittel wäre, Ungarn wie die übrigen Theile der Monarchie zu den Staatskosten heranzuziehen; man bereite dort einen Reichstag vor, aber bei der Milde des Kaisers seien energische Mittel nicht anwendbar, und der Erzherzog-Palatin mache ihm zahlreiche Schwierigkeiten. Das Beste wäre vielleicht, die ganze Gewalt in der Hand eines Premierministers zu concentriren, aber das werde nicht geschehen. Die Bankschuld von 950 Millionen wäre übrigens nicht schlimm, da noch Reichthum genug im Lande stecke.

In einer Depesche vom 24. November 1810 wiederholt Humboldt die Schilderung der inneren Verhältnisse noch energischer. Er hält Preussen im Vergleich zu Oesterreich hinsichtlich seiner Verwaltung und seiner Finanzen für glücklich. Es gäbe dort keinen aufgeklärten und unterrichteten Mann, der nicht sage, dass diese Monarchie sich am Rande eines schrecklichen Abgrunds befände, aus dem sie nur durch einen glücklichen Zufall gerettet werden könne. Die Papiere fallen unaufhörlich, gegen Ende September galten 100 Gulden Conventionsmünze 470 Papier, jetzt 830; es sei gar keine Aussicht auf Rettung. Der Verkauf der Domänen und Kirchengüter bringe wenig und werde noch weniger bringen, zumal man unter der Hand dagegen arbeite… Der Hauptfehler liege in der falschen Finanzverwaltung und der mangelhaften Betheiligung Ungarns an den Staatslasten. Die Fehler des Grafen O’Donnell zeigen sich jetzt auf’s deutlichste. Augenblicklich kenne man kein Mittel mehr, um den Zustand der Finanzen zu bessern, Graf Wallis und Metternich gestehen es offen ein; der Kaiser wolle Ungarn gegenüber keinen anticonstitutionellen Schritt thun. Die Befürchtung sei vorhanden, [90] dass, wenn es erst an Brot und Fleisch fehlen werde, Volksbewegungen entstünden. Diesem Zustande wäre ein erklärter Bankerott noch vorzuziehen, aber man arbeite hier bloss mit Scheinmitteln. An allen amtlichen Stellen herrschen Unordnung und Langsamkeit, alles falle auseinander, statt des nothwendigen Premierministers neige man dazu einen Staatsrath zu schaffen. Die innere Lage erlaube natürlich nicht, nach aussen eine imponirende Stellung einzunehmen, die geeignet wäre, die politische Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten, wenn sie angegriffen würde. Alle politischen Berechnungen basiren dort nach Metternich’s eigenen Aeusserungen auf der Verlängerung des Spanischen Krieges, der Frankreich hindere, an andere Unternehmungen zu denken. Ein solches politisches System sei natürlich nicht beruhigend; die einzige Art, den Spanischen Krieg zu benutzen, wäre, das Verhalten nach dieser Zeit vorzubereiten. Ewig würde er nicht dauern, die Lage der Franzosen in Spanien sei kritisch, aber sie dringen vor, und der Augenblick werde kommen, da die Eroberung wie auch immer vollendet sein würde und die Franzosen dort weniger Truppen brauchen würden.

Schon im November 1810 ist Humboldt der Ansicht[41], dass zwar der Kaiser und das Cabinet ruhig zu bleiben und den Frieden zu geniessen wünschen, den sie so nöthig haben; aber in einem Kriege zwischen Frankreich und Russland, in dem Oesterreich nicht neutral bleiben könnte, müsste es sich auf Seite Frankreichs stellen. Und diese so früh gebildete Ansicht hielt er stets fest, und die Ereignisse haben ihre Berechtigung bestätigt.

Aus seiner Abneigung gegen Russland machte Metternich dem Preussischen Gesandten gegenüber überhaupt kein Hehl, die Vergangenheit und der Türkenkrieg der Gegenwart gaben ihm Anlass genug dazu. Humboldt wollte auch den Versicherungen des Ministers, Oesterreich arbeite in Konstantinopel nicht gegen den Frieden, keinen Glauben schenken; er verstand durchaus, dass das Haupthinderniss einer Annäherung Oesterreichs an Russland der Mangel an Vertrauen in die Gesinnungen dieser Macht sei, erklärlich nach [91] den Vorgängen im letzten Kriege[42]; dazu käme das Bewusstsein von Oesterreichs innerer Schwäche und die Furcht, bei Frankreich Verdacht zu erwecken. Humboldt findet übrigens die Russischen Vorbereitungen sehr weise; aber, fragt er, wenn man schon gegenwärtig in Frankreich sich darüber beklagt, wird nicht Napoleon ebenfalls Demonstrationen machen und wird das nicht den Bruch beschleunigen? Solange der Krieg mit den Türken dauert, der 150 000 Mann in Athem hält, würde man doch nichts Ernstes thun können, und vielleicht wäre es besser, bis dahin das Misstrauen zu verbergen. Eine Zeitlang schien es ihm[43], als ob im Geheimen eine Annäherung zwischen Russland und Oesterreich vor sich gehe, und er wiederholt immer, dass, wenn der Petersburger Hof geschickte Schritte thue, um Oesterreich zu gewinnen und von der Aufrichtigkeit seiner Gesinnung zu überzeugen, so würden sie in Wien wohl aufgenommen werden. Der Kaiser sei durchaus nicht für Frankreich, die meisten Personen seiner Umgebung seien antifranzösisch, und wenn es darauf ankäme, sei der Kaiser entschlossen. Metternich allerdings sei schwer zu durchschauen, seine Haltung werde immer ausserordentlich klug und vorsichtig sein, aber gerade seine Vorsicht werde ihn zwingen, sich von zwei Seiten zu schützen, und er sei seiner Art, die Geschäfte zu leiten, so sicher, dass er glauben werde, immer Herr derselben zu sein. Er verhehle auch keineswegs die Gefahren, die von Frankreich drohen, aber seine Abneigung gegen Russland sei durch dieses selbst hervorgerufen und werde schwinden, wenn es Beweise eines festen und aufrichtigen Wechsels geben werde. Wenn man indess den rapiden Gang der Entscheidungen Frankreichs und die Schwierigkeit, die Langsamkeit und die Furcht, durch welche jede intime Annäherung zwischen beiden Kaiserhöfen gehemmt werde, betrachte, so sei es zum verzweifeln, dass man darin keine Rettung gegen Frankreichs Uebergriffe finden könne, zumal beide Kaiserhöfe sich [92] unglücklicherweise in einer inneren Situation befänden, die sie für grosse Anstrengungen wenig geeignet mache und für einen Kampf, den man sich nicht schwer genug vorstellen könne.

Inzwischen war die Einverleibung der Hanseatischen Städte durch Senatsconsult vom 13. December 1810 bekannt geworden. Schon auf die erste Nachricht davon hatte Humboldt sie für die Folge erschreckend genannt[44] und sich zu Metternich geäussert, es sei traurig, dass dies ohne Einspruch der Mächte geschehen könnte, welcher Bemerkung jener beistimmte. Kurz darauf, als der ganze Umfang jener Massregel bekannt wurde, schreibt er[45]: „Man fühlt allgemein, dass die Leichtigkeit der Vorwände, mit der man eine so ungerechte und so kühne Massregel zu beschönigen sucht, erschreckender sei als die That selbst, und dass man von einer so masslosen und willkürlichen Handlungsweise die gefährlichsten Consequenzen fürchten müsse.“ Was ihm besonders bemerkenswerth und schlimm erscheint, ist, dass Metternich nicht die geringste vorgängige Anzeige davon gehabt habe und es erst durch den Moniteur erfahren habe. Napoleon habe es also nicht einmal für nothwendig gehalten, Oesterreich von einer so wichtigen Massregel vorher zu benachrichtigen, und es sei kaum zu glauben, dass man sich von hier die geringste Bemerkung erlauben dürfe. Jetzt werde man sehen, ob Russland fühlen werde, dass die Gefahr dränge, und ob es lieber auf die beiden eroberten Provinzen verzichten werde, um frei über seine Armee disponiren zu können und über seine eigene Sicherheit zu wachen. Die Entschädigungen, die den beraubten Fürsten durch das Decret versprochen seien, müssten neue Furcht erregen; das Königreich Westfalen namentlich könne ohne die geraubten Provinzen gar nicht existiren und müsse nothwendigerweise unterdrückt werden. Man glaube, Napoleon gäbe das System, seinen Brüdern Souveränität zu verleihen, auf, und betrachte das Decret über die Apanage König Ludwig’s als Vorläufer für ähnliche gegen Josef und Jérome. Auch der ausserordentlichen Gefahren, die in diesen Vorgängen für Preussen liegen, ist er sich bewusst[46]. Napoleon erkläre die Massregel [93] nur für die erste, und der Vorwand, den er brauche, könne leicht auf sehr viele andere Staaten ausgedehnt werden. Er suche nicht allein die Suprematie, sondern die unmittelbare Herrschaft Uber den grössten Theil des Festlandes; unter dem Vorwand, durch England genöthigt zu sein, scheine er sich zum Herrn aller Häfen machen zu wollen, um Englands Seeherrschaft zu brechen[47]. Sei diese Vermuthung wahr, so befinde sich Preussen in drohender Gefahr, und die Beziehungen Frankreichs zu Russland vermehrten die Unruhe. Er habe Metternich auf die Gefahren für Preussen aufmerksam gemacht, auf die Lage Russlands hingewiesen und indirect gefragt, welche Hilfe man von Wien erwarten könne. Hinsichtlich Russlands habe sich Metternich wieder sehr scharf tadelnd ausgesprochen, für Preussen habe er schöne, wohlwollende Redensarten gemacht, dass die Erhaltung dieses Staates auch für Oesterreich wichtig sei, aber über etwaige Massregeln vollständiges Stillschweigen beobachtet aus Verlegenheit und dem inneren Gefühl der Unmöglichkeit, die Beschlüsse Napoleons zu beeinflussen. Er habe auf Russland hingewiesen, das als Bundesgenosse Frankreichs positiv erklären müsste, es werde nicht dulden, dass man Preussen das geringste Unrecht thue. Oesterreich sei offenbar auch gar nicht in der Lage, Frankreich gegenüber eine etwas imponirende Sprache zu führen. Es scheine sein System zu sein, die Ruhe um jeden Preis zu erhalten, um sich zu consolidiren und in Zukunft mit mehr Nachdruck aufzutreten. Dies wäre ganz gut, wenn man nur in Wien alles aufböte, diese Frist möglichst abzukürzen, und wenn nicht die rapiden Uebergriffe Frankreichs thatkräftige Hilfe verlangten. Immerhin habe Napoleon noch viel Schonung für Oesterreich, und wenn dieses mit Energie intervenirte, hätte es Nutzen. Allerdings sei der gegenwärtige Augenblick unendlich schwierig; denn wie peinlich es auch sein möge, davon zu sprechen, die Gefahr könne man sich unmöglich verbergen. Man könne nicht sagen, dass sie noch näher rücke; denn alle Schläge kämen gegenwärtig ganz unversehens. Es sei andererseits wahr, dass, der Gefahr allzu eifrig zuvorzukommen, sie oft herbeiziehe, und dass allzu lebhafte und zum Theil eingebildete Unruhe wirkliche [94] und drohende Uebel herbeiführe. Auch wäre bei der Ohnmacht, in der sich Oesterreich und Russland gegenwärtig Frankreich gegenüber befänden, eine rasche Action kaum rathsam. Es wäre klüger, Napoleon das Vertrauen zu bezeigen, das man in ihn setze, diese Hingebung zum Pfande zu nehmen, dass er ein solches Vertrauen nicht missbrauchen würde, und abzuwarten, bis die beiden kaiserlichen Höfe vereinigt seien. Preussen wolle ja nur seine Ruhe und Integrität bewahren; deshalb wäre es das Richtigste, eine freundschaftliche Sprache zu führen – und zu gleicher Zeit an den Mitteln zu arbeiten, die einen besseren Schutz gegen Napoleons Gewaltthaten bieten. Trotz der Preussenfreundlichkeit des Kaisers und seiner Umgebung würde der Wiener Hof doch höchstens zu einer freundschaftlichen Intervention bereit sein; aber Preussen solle nur von allen Schritten hierher Mittheilung machen, um den Einklang zu erhalten; Oesterreich würde dadurch ins Unrecht gerathen, wenn es sich isolire und Preussen auf sich allein anweise. Die Erbitterung Metternich’s gegen Russland könne auch aus dem Wunsche, sich diesem zu nähern, stammen, und aus den Hindernissen, die das dortige System dem entgegenstelle. Auch er glaube, dass die Schuld mehr Rumjancev als der Kaiser trage, und rathe, um das falsche System zu brechen, sich an diesen direct zu wenden. Das gegenseitige Misstrauen sei auch auf Russischer Seite weniger begründet. Napoleon sei wüthend über die antifranzösische Stimmung im Wiener Publicum; sie soll wie 1808 sein, und ein Wechsel im Ministerium würde das ganze Ansehen der Dinge hier ändern.

Diese letztere Andeutung findet ihre Erklärung in Gerüchten, die Anfang 1811 von einer Ministerkrisis sprachen, von einem Ersatz Metternich’s durch Graf Starhemberg[48], die Humboldt nicht glaubt und die auch bald wieder verschwinden.

Halten wir hier schon als wesentliches Ergebniss von Humboldt’s Anschauungen, die er sich wenige Monate nach seiner Ankunft in Wien gebildet hatte, fest: von Oesterreich habe Preussen keine Hilfe zu erwarten. Das ist der Grundton aller seiner Berichte bis in die zweite Hälfte des Jahres 1812, und [95] es ist die allein richtige Anschauung, die durch die Ereignisse bestätigt wurde.

Die Erwägungen, die Humboldt’s vorstehende Ausführungen veranlassten, beschäftigten in dieser Zeit auch das Berliner Cabinet. Angesichts seiner gegenwärtigen Schwäche, verlassen von seinem alten Alliirten und ohne Rückhalt an Oesterreich, so schrieb man ihm[49], bleibe nichts übrig, als sich mit Napoleon auszusöhnen und sich eng an Frankreich anzuschliessen. Humboldt war auf’s tiefste erregt von dieser Wendung. „Wie gross auch immer das Unglück Preussens sein möge“, antwortete er[50], „es blieb ihm immer noch ein starker und wahrhafter Trost in dem Bewusstsein, seine Unabhängigkeit erhalten zu haben, nicht verpflichtet zu sein, Freund und Feind mit Frankreich gemeinsam zu haben und nicht mitwirken zu müssen zur Ausführung von Plänen, die den Gefühlen des Königs ebenso sehr widersprechen, wie den Interessen des Preussischen Staats. Noch ist aber die Lage nicht so dringend, um diese Vortheile zu opfern. Napoleon ist in Spanien wahrscheinlich noch lange beschäftigt, Oesterreich noch nicht mit ihm alliirt, ja es scheint gewiss, dass das Wiener Cabinet, ungeachtet seiner vorsichtigen und selbst furchtsamen Haltung daran denkt, mit der Zeit eine andere Haltung einzunehmen. Da Preussen nicht einmal nach dem Tilsiter Frieden sich eng mit Frankreich verbunden hat, so ist es jetzt auch nicht in der Lage, es thun zu müssen, solange Oesterreich ihm das Beispiel nicht gegeben hat und die Unabhängigkeit beider Kaiserreiche ihm noch die Möglichkeit einer anderen politischen Existenz zeigt. Bis dahin genügt es, streng seine Verpflichtungen zu erfüllen und, sei es allein, sei es mit Oesterreich zusammen, nach Paris lebhafte und offene Vorstellungen zu richten, dass die Loyalität der Haltung der Preussischen Regierung sie autorisire, ein unbegrenztes Vertrauen in diejenige der Französischen Regierung gegen sie zu setzen.“ Er erhielt denn auch bald zu seiner Beruhigung die Mittheilung, man denke in Berlin nicht an Verhandlungen, ehe es als das geringere Uebel erscheine, dem Napoleonischen System zu folgen, als den entgegengesetzten Weg zu gehen. Immerhin ist diese folgenlose Episode wichtig zur Erkenntniss [96] von Humboldt’s politischen Ansichten in jener Zeit. Er hielt daran fest, Preussen müsse sich für eine bessere Zukunft unabhängig erhalten. Es ist dieselbe Politik[51], die Oesterreich verfolgt, den Frieden zu bewahren und mit Frankreich vereint zu bleiben, solange das geschehen kann, ohne sich in die Pläne des Pariser Cabinets zwingen zu lassen. Zugleich aber spricht sich in jener Aeusserung der Preussischen Regierung schon das Programm aus, das nach manchen Schwankungen zum Bündniss vom 24. Februar 1812 führte: Wenn Russland nicht helfen will und Oesterreich nicht kann, so bleibt nur der Anschluss an Frankreich übrig.

Inzwischen hatte Napoleon weitere Schritte gegen Russland gethan. Im Frühjahr 1811 ward Caulaincourt, der Träger der Tilsiter und Erfurter Politik, aus Petersburg abberufen und Lauriston mit einer Instruction, die schon zwei Eventualitäten für den Kriegsfall in’s Auge fasste, dorthin geschickt. Am 24. März beantwortete Napoleon die Gratulation des Pariser Handelscollegiums zur Geburt seines Sohnes mit drohenden Wendungen gegen Russland, das kurz vorher gegen die Einverleibung Oldenburgs scharf protestirt hatte[52]. Humboldt schien es, als ob die letztere Massregel in Russland den Wunsch nach einer Annäherung an Oesterreich lebhafter erregt habe[53]; für um so bedauerlicher hält er die beabsichtigte Besetzung Belgrads, welche die Verstimmung des Wiener Hofes natürlich verschärfen müsse. Er steht in der Betrachtung des Verhältnisses zwischen den beiden Kaiserstaaten durchaus auf Oesterreichs Seite. Solange Russland nicht deutlicher zeige, dass es seine eigenen Interessen kenne, so lange könne man von Oesterreich nicht verlangen, dass es sich opfere. Er glaubt, der Russische Gesandte Graf Stackelberg habe Metternich über seine Stellungnahme im Falle eines Russisch-Französischen Conflictes sondirt, und dieser habe ebenso ausweichend geantwortet wie ihm, als er über Preussen sprach. Die prekäre innere und äussere Lage raube Oesterreich überhaupt den Muth, kräftig Partei zu ergreifen. Die Befürchtung einer Allianz des Kaiserstaates mit Napoleon sei vorläufig nicht drohend, denn das Entgegenkommen des Französischen Kaisers sei nur durch sein eigenes [97] Interesse dictirt, da wohl seine Pläne gegen Russland noch nicht so weit gelangt seien, um diesen Staat durch ein förmliches Bündniss zu schrecken[54] Die Besetzung Belgrads und die Ueberschreitung der Oesterreichischen Grenze durch Russische Truppen, um Lebensmittel und Munition zu kaufen, sei sehr unpolitisch, und wenn auch für beides Formeln und Entschuldigungsgründe angeführt werden dürften, so zeige es doch keine Annäherung der beiden Höfe. Immer wieder betont er, dass der Kaiser und die Regierung den ernsten Willen hätten, neutral zu bleiben. Aber schon wirft er die Fragen auf[55]: „Werden sie es können? Wenn sie den Verführungen widerstanden haben, werden sie den Drohungen widerstehen? Werden sie vorbereitet sein, den Forderungen, die an sie herantreten, einen festen und energischen Willen entgegenzustellen?“ Wenn man den langsamen, unentschlossenen und ungewissen Schritt der inneren Verwaltung sähe, wie die Rekrutirung des Heeres, die am Anfange des Jahres beschlossen wurde, noch auf demselben Punkt stünde wie damals, worüber Radetzky Metternich die lebhaftesten Vorstellungen mache, müsse man Zweifel und Unruhe empfinden[56]. Noch mehrmals kommt Humboldt auf die oben erwähnte Anfrage Stackelberg’s über Oesterreichs Stellungnahme zurück[57]. Dass Russland und Frankreich, meint er, jedes Oesterreich an sich zu fesseln suchen, kann nicht Wunder nehmen, und Metternich vermeide es, irgend eine Stellung zu nehmen. Beide Cabinete aber wüssten wohl, dass der Wiener Hof niemals ohne Widerstand in die Pläne des einen, ohne Furcht in die des anderen eintreten würde. Napoleon fühle, dass bei den hiesigen Dispositionen es besser sein würde, zu überraschen, als die Dinge vorzubereiten. Sehr wunderlich[58] erscheint ihm allerdings, dass Russland schon jetzt die formelle Frage an Oesterreich gerichtet habe, da man in Petersburg doch kaum den Bruch so nahe glaube. Merkwürdig aber berührt es ihn, dass Metternich in seinen Unterhaltungen [98] niemals, auch nicht im entferntesten, an die Frage von Preussens Stellungnahme im gleichen Falle gerührt habe, obgleich Oesterreich doch ein lebhaftes Interesse daran haben müsse. Eine so grosse Sicherheit habe etwas Beunruhigendes, sei es, dass sie aus dem Bewusstsein von der Schwäche des Staats, die keine kräftige Partei zu ergreifen erlaube, herrühre, sei es, dass der Wunsch die Ursache sei, jede Unruhe und Sorge wegen der Zukunft zu entfernen, nur der gegenwärtigen zu leben und von Tag zu Tag zu existiren. Im Berliner Cabinet sah man allerdings die Sache nicht so trostlos an und hielt dafür, Metternich wolle nur vermeiden, über Oesterreichs Haltung zu sprechen[59]. Und in der That, Humboldt weiss aus Gesprächen mit Metternich zu berichten, dass dieser an Napoleons Absicht zum Bruch mit Russland für jetzt nicht glaube[60], dass bei einer Erkaltung der Beziehungen Russland peremptorische Erklärungen fordern müsse, dass dann Napoleon, der nur in dem ihm günstigsten Augenblick Krieg zu führen liebe, sich wohl beruhigend äussern würde, dass aber Russland im Kriegsfalle Warschau besetzen müsse; doch über Oesterreichs Stellung spräche der Minister kein Wort. Humboldt formulirt sie sehr scharf: Es werde neutral bleiben, so lange wie es möglich sei; sich dann nach den Umständen entschliessen, immer die grosse Gefahr beim Anschluss an Russland vor Augen, da Oesterreich dann dem ersten Angriff der Franzosen ausgesetzt sei und von der Treue und Thatkraft seiner Alliirten abhänge[61].

[99] Mit gleicher Sorgfalt wie alle Nachrichten von aussen, die den Bruch näher oder entfernter erscheinen liessen, beobachtet Humboldt auch die Ereignisse im Innern. Auf die antifranzösische Stimmung der Bevölkerung hat er mehrfach hingewiesen, die finanzielle Lage oft bis in die Details verfolgt, die Angriffe gegen Metternich’s Stellung, den Kampf der Hofparteien unter einander, später die bedenkliche Entwickelung des Ungarischen Reichstages, dem er selbst im October 1811 einige Tage beiwohnte, in genauen und umfangreichen Berichten verfolgt, und wenn man seine Nachrichten mit den intimen Aufzeichnungen jener Tage von Oesterreichischer Seite, mit den Tagebüchern des Erzherzogs Johann, Gentz und anderer vergleicht, sieht man, dass ihm kaum etwas entgangen ist, dass er über gute Quellen verfügt und scharf beobachtet. Ein wiederholt besprochener und beklagter Umstand sind die stets beabsichtigten und stets unterbliebenen Reformen im Heerwesen; im April 1811 glaubt er endlich etwas Bewegung in die träge Staatsmaschine gekommen. Er berichtet[62], dass eine Vermehrung der Armee beschlossen sei, dass ihre Reorganisation durchgeführt werde und im allgemeinen alles gut gehen würde, wenn die drei Männer, die an der Spitze der drei wichtigsten Departements stehen, Metternich, Bellegarde und Wallis, vom gleichen Eifer belebt, fest vereint zusammen arbeiteten und ihre Massregeln im voraus verabredeten. Aber Graf Wallis sei allzu hartnäckig und sähe sein Ressort isolirt an; Bellegarde sei allzusehr Höfling und schrecke vor dem geringsten Widerstande zurück. Der Kaiser, General Kutschera und selbst Metternich widmen sich nicht genug dem Staat, halten sich nicht genügend von den laufenden Geschäften zurück und lassen sich die wirkliche Rettung und Erhaltung des Staates nicht genug angelegen sein. Bald erkennt er denn auch wieder[63], dass etwas Energisches auch jetzt nicht geschähe, obgleich in der Armee etwas Bewegung und im Arsenal und den Bureaux des Kriegsministeriums etwas mehr Thätigkeit herrsche als früher. Mancherlei Pläne scheitern am Widerstande des Finanzministers. Wallis und Wrbna erklären[64], Oesterreich brauche mindestens noch zwei Jahre voller Ruhe.

[100] Charakterisirt er gelegentlich so die leitenden Persönlichkeiten, so hat er aus Metternich’s Charakter, man möchte fast sagen, ein Studium gemacht. Er kommt immer wieder darauf zurück. Er nennt ihn, wie früher erwähnt, einen schwer zu durchschauenden Menschen, dessen Haltung immer ausserordentlich klug und vorsichtig sein würde, den aber gerade seine Vorsicht zwingen würde, sich von zwei Seiten zu decken, und der so sicher seiner Art, die Geschäfte zu leiten, sei, dass er glauben würde, immer Herr derselben zu sein. Er verstehe vortrefflich zu verbergen, was in ihm vorgehe; er liebe zu glauben, was er wünsche; er liebe es, sich gehen zu lassen, ohne entschieden Partei zu nehmen; er halte sich für ein besonderes Talent, zu zaudern, die Momente des Ausbruchs zu vermeiden oder hinauszuschieben. Allerdings, meint Humboldt, werden diese Künste nur so lange wirksam sein, wie Russland und Frankreich noch nicht offen handeln wollen; von dem Augenblick an, den Napoleon z. B. für passend halten würde, Oesterreich sich zu verbinden, würden die Künste versagen[65].

Wenige Monate nach seinem Eintreffen in Wien entwarf Humboldt eine ausführliche Charakteristik des leitenden Staatsmannes, der nach seiner Ansicht grossen Einfluss besitze und noch lange besitzen würde[66]. Er hält es für unmöglich, Metternich’s wahren Charakter zu entziffern und vorauszusagen, was er je nach den Umständen thun werde. Da er in Berlin hinlänglich gekannt sei, brauche er nicht zu sagen, dass er äusserst kalt und zurückhaltend sei, wenn er es sein will, daneben einer offenbaren Leichtigkeit und natürlichen Neigung zu plaudern und zu erzählen nachgebe. Er besitze unbedingte Herrschaft über sich selbst, scheine sich niemals einer Empfindung hinzugeben, und sein Verhalten könne darum nur auf die Berechnung seines Verstandes gegründet sein. Am liebsten eifert er gegen Aufregung und Begeisterung. Mit diesem Charakter sei er der Nachfolger eines Mannes geworden, der sich in seinen eigenen Kräften verrechnete, stets nur dem Impuls seiner Empfindungen folgte, sich rückhaltslos einer aus noblen und loyalen Grundsätzen entspringenden [101] Erregung hingab, niemals mit sich im Widerspruch stand und eine populäre Sache vertrat[67]. Metternich habe die Erbschaft eines unglücklichen Friedens angetreten, auch sonst keine Popularität erwerben können; man halte ihn für Französisch gesinnt, überaus ehrgeizig und eigensüchtig und für unwahr[68]. Im Vergleich mit Stadion komme er sehr übel fort, aber Humboldt hält doch vieles in den Urtheilen für unbillig, allerdings an Metternich’s Wahrhaftigkeit muss auch er zweifeln und bedauert es sehr, dass er so wenig Vertrauen einflössen könne. Dagegen könne man seiner Einsicht vertrauen, dass ein Französisches Bündniss jetzt unvortheilhaft und unpopulär sei; doch würde er eher das System wechseln als seinen Posten aufgeben, und so würde unter seiner Leitung die politische Haltung Wiens stets schwankend sein. „Für Oesterreich thäte ein Mann noth von Kraft, Muth und Talent, der sich mit ganzer Seele dem Gedanken widmet, sein Vaterland zu retten, und der dadurch das Vertrauen der Nation und des Hofes gewänne“. Aber ein solcher Mann sei nicht vorhanden und darum Metternich noch besser als mancher andere, der auf ihn folgen könne. Humboldt setzt noch hinzu, Metternich zeige Niemandem unbegrenztes Vertrauen, ist aber mit dem persönlichen Verhalten des Ministers zufrieden. Auf diese Darlegung beruft er sich wiederholt und findet es bei dem wachsenden Einfluss Metternich’s nur bedauerlich, dass er sich nicht ganz den Functionen seines Amtes hingäbe und nicht mehr versuche, Oesterreichs Unabhängigkeit zu wahren. Es resultire dies aus der geringen Neigung zur Arbeit bei jenem, so dass es schwierig sei, von ihm Antworten über Gegenstände von secundärem Interesse zu erlangen, die aber doch auch nicht vernachlässigt werden dürfen. Alle Collegen klagen darüber[69].

Die mehrfach gekennzeichnete Art der Metternich’schen [102] Zauderpolitik liess sich durchführen, weil die Ereignisse sich nur langsam entwickelten. In den Nachrichten aus Paris, in Humboldt’s Depeschen und seinen eigenen Reflexionen kommt dieses ständige Schwanken zwischen Friedensversicherungen und Kriegsdrohungen deutlich zum Ausdruck, obgleich Humboldt, wie alle anderen Staatsmänner, nicht zweifelte, dass über kurz oder lang der Kampf ausbrechen würde. Mit Bedauern verfolgt er vor allem die Schritte der Russischen Regierung; er meint, die beiden Höfe von Wien und Petersburg hätten vollständig die Rollen von 1805 gewechselt, aber alle Russischen Versuche, Oesterreich in den Kampf zu treiben, seien ganz fruchtlos, im Gegentheil, die Kluft zwischen beiden Staaten vergrössere sich durch die Besetzung Serbiens, durch das Oesterreichs Handel überaus schädigende Verbot des Transithandels und durch andere Vorkommnisse[70].

Wie die Lage in der Mitte des Jahres 1811 war, lässt ein Bericht Humboldt’s vom 6. Juni klar erkennen. Er wiederholt, was er oft schon gesagt, dass der Wunsch des Kaisers und des Ministeriums die Neutralität sei; im gegenwärtigen Augenblick würden sogar dringende Anerbietungen zur Allianz abgelehnt werden, aber sicher sei, wenn der Wiener Hof fortfährt, wie er jetzt handle, werde er später wider seinen Willen gezwungen werden, den Impulsen Frankreichs zu folgen[71]. Oesterreich befände sich seit dem Wiener Frieden in einem Zustande der Schwäche, der keine Anstrengungen erlaube; die Schwäche wäre nur momentan gewesen, wenn die Regierung versucht hätte, mit Weisheit, Kraft und Festigkeit die noch vorhandenen Kräfte der Monarchie zu consolidiren. Es fehle absolut an Einheit und selbst an Thätigkeit; man habe grosse Fehler begangen, ohne sie wieder gut machen zu können; und wenn man mehr Opulenz und Wohlleben in dem Lande entdecke, als man nach der schrecklichen Katastrophe erwarten sollte, so verdanke das Land dies seinen eigenen Hilfsquellen, nicht den Massregeln der Verwaltung. Kurz, man habe keineswegs ein politisches System adoptirt, das die geringste Garantie irgendwelcher Unabhängigkeit bieten könne, und man gerathe in die gegenwärtige Krisis Europas hinein, ohne [103] sich in einer zweckmässigen Lage zu befinden. Sobald die Heirath Napoleons die ersten Befürchtungen beruhigt hatte, hätte man daran arbeiten müssen, entweder sich mit Russland zu vereinigen, dass man ein gewisses Gleichgewicht in Europa herstellen konnte, oder wenigstens verhindern müssen, dass das Uebergewicht Frankreichs nicht noch grösser werde, oder man hätte sich diesem gegenüber auf einen Fuss setzen müssen, dass man wenigstens in irgend einer Art noch die Interessen Europas mit ihm discutiren könnte. Eine Annäherung an Russland sei durch die eigene Haltung Russlands verhindert worden, auch durch die persönliche Disposition Metternich’s gegen Rumjancev[72]. Andererseits beweise alles, dass das Wiener Cabinet keine irgendwie entschiedene Sprache gegen Frankreich zu führen wage, höchstens würde es noch auf sich nehmen, fest zurückzuweisen, was es bewilligen zu können nicht glaube. Er führt die Reunionen und andere Beweise dafür an. Die Hauptfrage sei, ob Napoleon die bequeme Lage, die die hiesige Situation ihm gäbe, Oesterreich auf seine Seite gegen Russland zu ziehen, benützen werde, und ob er wollen werde, dass Oesterreich einen Hauptantheil nähme, oder ob er sich begnügen werde, es mit dem Petersburger Hof zu überwerfen und von sich abhängiger zu machen. Er glaubt, und mit Recht, das letztere. Eine starke Theilnahme am Kriege würde hier beträchtliche Rüstungen nöthig machen, und Napoleon kenne gewiss ganz gut den antifranzösischen Geist des Landes[73], um nicht zu fühlen, dass eine solche Rüstung sich leicht gegen ihn selbst wenden könne. Der Französische Gesandte beklage sich oft über die Oesterreicher und besonders über die Wiener, er sei selbst nicht mit Metternich zufrieden, und die geringste Bewegung mache ihm Unruhe. Auch habe Napoleon niemals zugelassen, dass eine grosse Macht mit viel Energie im [104] Bunde mit ihm aufträte. Es liege sichtbar mehr in seinem Interesse, sich der Mächte von mittlerer Grösse zu bedienen, welche bei gleicher Dienstleistung keinen Verdacht erregen und keine zu grossen Vortheile verlangen; für die grossen Mächte genüge es ihm, sie so hineinzuziehen, dass sie eine untergeordnete Rolle spielen und in seinen Augen ungünstig und nutzlos erscheinen. So verfuhr er unglücklicherweise 1807–1808 mit Russland, und dasselbe Schicksal könne Oesterreich erwarten, wenn es ihm nicht zu entgehen verstünde.

Die Lage blieb vorläufig unverändert; Metternich schwankte zwischen den grössten Besorgnissen und der immer noch festgehaltenen Hoffnung, die Neutralität wahren zu können. Humboldt wundert sich, dass man aus Paris gar nichts Neues erfahre; er meint, das Einzige, was feststünde, seien die Vorbereitungen zum Kriege auf beiden Seiten; er ist mit Recht auf’s höchste erstaunt, dass Metternich in Petersburg angedeutet habe, man thue Unrecht, seine Kräfte gegen die Türkei zu vergeuden, während man sie für den Fall der Nothwendigkeit gegen einen gemeinsamen Feind befestigen und schonen müsste, also dass Metternich so frei aus sich herausginge[74].

Schon aber spitzte sich die Sache zu. Am 15. August sprach Napoleon bei der Cour zu dem Russischen Gesandten Fürsten Kurakin in seiner Weise bald leidenschaftlich, bald affectirt sanft über die Rüstungen Russlands; er verlangte Aufklärungen über die Pläne und Absichten des Russischen Hofes, und da Kurakin sie zu geben nicht vermochte, forderte er ihn auf, sofort einen Courier nach Petersburg zu senden, um sie zu gewinnen. Er schloss mit Drohungen, dass er jetzt schon 200,000 Mann, im Frühjahr 400,000 Mann zur Verfügung haben werde. Humboldt berichtete auf Grund von Schwarzenberg’s Depeschen, die Metternich ihm zugänglich machte, seinem Cabinet den Inhalt der Unterredung, die für jeden, der Napoleon kannte, eine deutliche Kriegsdrohung war. An der Oesterreichischen Politik änderte aber diese Verschärfung der Lage nichts[75]; und von den Verhandlungen, die das Berliner Cabinet in diesen Monaten (Juli bis September) mit dem Petersburger begonnen hatte, erfuhr [105] Humboldt nichts. An den Sorgen, die in dieser gefahrvollen Zeit die Preussischen Staatsmänner auf’s höchste erregten, konnte er nicht theilnehmen; von den grossen Plänen, die im Sommer eine Massenerhebung des Preussischen Volkes bezweckten, ahnte er nichts – er konnte nichts weiter thun und rathen als immer wiederholen: die Wiener Politik bleibt dieselbe, man will nur Ruhe haben, zumal seit Einberufung des Ungarischen Reichstages die inneren Sorgen gewachsen waren. Wohl sprach ihm Metternich von Preussens Rüstungen, warnte, sie zu übertreiben, da sonst Napoleon’s Verdacht geweckt, Russlands Hoffnungen gestärkt und der Bruch beschleunigt würde, wozu Humboldt nur bemerken konnte, die Gerüchte seien übertrieben, und die Loyalität seines Cabinets versicherte[76] In jenen Tagen, da Gneisenau seine kühnen Pläne entwarf, da Scharnhorst nach Petersburg eilte und so geringen Trost heimbrachte[77], da Hardenberg seine Denkschrift vom 2. November verfasste, die als den einzigen Ausweg den Widerstand gegen Napoleon bezeichnete – füllte Humboldt seine Berichte mit ausführlichen Schilderungen der Ungarischen Reichstagsverhandlungen[78], in Ermangelung eines andern Stoffes.

Inzwischen war der Baron Jacobi-Klöst in Wien erschienen und hatte wichtige Unterredungen mit Metternich gehabt. Wie immer sprach sich dieser höchst tadelnd über Russland aus[79], prahlte mit Oesterreichs angeblicher Reorganisation und ging wirklich so weit, zuzugestehen, dass, wenn der Krieg ausbräche und Preussen gezwungen wäre, sich zu vertheidigen, Oesterreich dann nicht mit gekreuzten Armen zusehen könne, sondern ein Beobachtungscorps aufstellen würde. Im übrigen liess er bloss die gewöhnlichen Redensarten vom Einklang der Interessen beider Staaten hören und rieth, in Preussen den Enthusiasmus zu zügeln. Wenige Tage später erinnerte er sich jener Aeusserung über das Beobachtungscorps überhaupt nicht mehr[80], und so sehr Jacobi in ihn drang, er konnte, wie er sich ausdrückt[81], Metternich [106] keine einzige Phrase entreissen, um wenigstens Demonstrationen zu Gunsten Preussens erhoffen zu lassen, was aber den der Französischen Allianz abgeneigten Jacobi nicht hinderte, sich der Erwartung hinzugeben, er habe doch auf Metternich Eindruck gemacht. Auch Hardenberg glaubte wohl an Jacobi’s Erfolg, wenn er in der Denkschrift vom 2. November vorschlug, mit Oesterreich auf dem Grunde zu verhandeln, den jener gelegt[82].

Die Kriegspartei in Berlin arbeitete indess mit Hochdruck gegen das Französische Bündniss, in dem der König seine einzige Rettung sah; auf Gneisenau’s Rath und unter Hardenberg’s Zustimmung reiste Ompteda Jacobi entgegen, um ihn dahin zu disponiren, aus allen Kräften dem König vom Abschluss der Allianz abzurathen und seinen Bericht über die letzten mündlichen Eröffnungen Metternich’s danach einzurichten[83]. Sie verfehlten sich, aber Jacobi stellte ohnedies die Unterstützung Oesterreichs bestimmter in Aussicht, so dass der König, der daran nicht glaubte, zu einem letzten Versuch, in Wien Russlands articulirte Intentionen mitzutheilen und damit Eindruck zu machen, bestimmt wurde[84].

Zu diesen Bestrebungen, den König von der Allianz mit Frankreich abzuhalten, passten allerdings die Berichte Humboldt’s nicht, da aus ihnen mit genügender Deutlichkeit hervorging, auf Oesterreich sei auch nicht im geringsten zu rechnen. So setzt er am 16. October 1811, also zu einer Zeit, da sich Jacobi noch mit allerlei Hoffnungen schmeichelte, wieder einmal die schlimme Situation Oesterreichs auseinander und betont, dass bei denen, die eine Annäherung an Frankreich fürchten, das Misstrauen wieder steige. Als Beförderer eines Bündnisses mit Frankreich nennt er Schwarzenberg, den er als integer und loyal bezeichnet, dessen Grundsätze und Charakter achtungswerth seien, der aber durch seine Intimität mit Maret und durch die freundliche Behandlung Napoleon’s beeinflusst sei. Metternich tadle Russland nach wie vor und wiederhole oft, der Hof von Petersburg hätte noch ein Jahr warten müssen und 1812 so handeln, wie er jetzt handle. Aber es ist klar, setzt Humboldt hinzu, dass diese Ansicht sich viel mehr auf Oesterreich beziehe, und dass er nur zu hören geben wolle, in einem Jahr würde die innere Position gut genug [107] sein, um entweder Russland zu unterstützen, oder wenigstens nicht durch Frankreich gezwungen zu werden, sich gegen den eigenen Willen zu erklären. Damit wollte er wohl das, was kommen wird, entschuldigen.

Zwar glaubt Humboldt noch immer, Oesterreich werde neutral bleiben wollen und vorläufig habe eine Annäherung nicht stattgefunden. Und noch deutlicher spricht er es am 28. October aus[85], indem er wieder ein Bild von den traurigen inneren Zuständen entwirft: „Wenn Frankreich von Oesterreich ein Bündniss oder den Durchmarsch fordert, so wird man hier keinen wirksamen Widerstand leisten. Gegen das, was Napoleon gegen Preussen unternehmen könnte, wird man höchstens gute Dienste versuchen. Man wird niemals den Muth haben, Preussens Partei zu nehmen, wenn Preussen gegen Frankreich steht“. Von Berlin aus aber schrieb man in jenen Tagen dem Gesandten, Napoleon werde sich wohl zweimal besinnen, Russland anzugreifen, da ihm die natürlichen Schwierigkeiten des Landes und die Leichtigkeit des Zaren, den Nationalkrieg zu entfachen, bekannt seien[86]. So gänzlich liess man ihn in Unkenntniss über das, was vorging, sogar über das, was man dachte.

Zu der neuen Sendung nach Wien war Scharnhorst bestimmt; er reiste am 20. November ab und traf am 30. in Wien ein. Der König sagte von vornherein: „Scharnhorst wird nichts bringen“[87], und er behielt Recht. Man kennt die Erfolglosigkeit der ganzen Mission[88]. Zwar verstand es Metternich, auch ihn eine Zeitlang zu täuschen und auf ihn den Eindruck zu machen, „voller redlicher Deutscher und guter Gesinnungen gegen Preussen zu sein“, bald aber merkte er doch, „„man wolle die Unterhandlung nur verlängern und für den Augenblick eine Allianz mit Frankreich verhindern, Zeit gewinnen, ohne sich zu positiven Bedingungen zu verpflichten“[89]. Und die endgültige Eröffnung lautete, für den Augenblick sei Oesterreich ganz und gar ausser Stande, Hilfe zu gewähren; und das, was in der Folge geschehen könne, werde von den Umständen abhängen[90].

[108] Wer Humboldt’s bisherige Berichte gelesen hatte und nicht von vornherein ihnen misstraute, hatte einen anderen Ausgang nie erwarten dürfen. Metternich aber fügte noch eine Warnung vor dem Französischen Bündniss zu. Er hätte damals wohl gewünscht, dass Preussen sich Russland anschliesse und mit Russland unterginge. In der Denkschrift für seinen Kaiser vom 28. November 1811[91], also kurz vor Scharnhorst’s Ankunft, hatte er die beiden Möglichkeiten: Neutralität und Französisches Bündniss, auseinandergesetzt. Wähle der Kaiser das Letztere, so möge er als Lohn „Aussichten auf Schlesien, die Illyrischen Provinzen und die Inn-Grenze mit Inbegriff Salzburgs“ fordern, als Ersatz für den bei Verkündigung eines Königreichs Polen bevorstehenden Verlust Galiziens.

Von diesem gefährlichen Plan kam auch etwas zu Humboldt’s Kenntniss. In den Depeschen vom December wird die Französisch-Oesterreichische Allianz als immer wahrscheinlicher hingestellt, wobei er allerdings voraussagte, dass Oesterreichs Theilnahme bei dem jammervollen Zustand seiner Armee nur gering sein könne. „Einige bilden sich ein[92], dass Frankreich die Abtretung [109] Galiziens fordern wird, und dass es den Austausch dieser Provinz gegen Preussisch-Schlesien vorgeschlagen hat“. Allerdings scheint ihm dieser ganze Plan, der ihm aus dem Kriegsdepartement komme, keine Aufmerksamkeit zu verdienen. „Ich erwähne ihn nur, weil man ihn seit mehreren Monaten wiederholt hat. Wenigstens muss ich überzeugt sein, dass, wenn die Französisch-Preussischen Beziehungen eine solche Voraussetzung erlauben, ein so grausamer Plan nicht durch den hier gemachten Vorschlag, sondern mit einem Versuch, diese Provinz selbst zu besetzen, beginnen würde“. So wenig Sicheres schon geschehen sei, er räth, nicht auf die unerschütterliche Festigkeit des Wiener Cabinets zu bauen.

So ganz hatte Humboldt allerdings nicht Recht, wenn er diesen Plan, Schlesien zu erobern, keiner grossen Beachtung werth hielt. Dass Schwarzenberg bei den Bündnissunterhandlungen in Paris darauf zu sprechen kam, ist sicher. Ihm schien es, die Frage Schlesien würde beim geringsten Fehler Preussens entschieden werden, und da bei glücklichem Ausgang des Krieges es an Entschädigungsobjecten nicht fehlen wird, so wird Napoleon auch gern über Schlesien zu unseren Gunsten disponiren, im Falle dass Preussen von der gezogenen Linie nicht abgehen würde, weil ihm jede Provinz passen muss, während Schlesien die einzige ist, die Oesterreich arrondiren kann[93]. Natürlich ist in dem Bündnissvertrag keine Rede davon, dort ist nur der Austausch eines Theils von Galizien gegen Illyrien erwähnt und sonst nur allgemein von Compensationen die Rede[94], aber ernst genug meinte Metternich damals gewiss die Sache. Ein Jahr später, im Februar 1813, kam Humboldt mit Metternich im Gespräch darauf zurück[95]. Der Minister versicherte, was jetzt ganz richtig war, selbst das Angebot Schlesiens oder eines Theils durch Napoleon würde von seinem Hofe mit Indignation zurückgewiesen werden. Humboldt theilte ihm mit, er hätte schon zweimal in seinen Depeschen Gelegenheit gehabt, davon zu sprechen, aber immer hinzugefügt, Kaiser Franz würde es zurückweisen, und Metternich versicherte ihn, er habe Recht gehabt.

Die gänzliche Folgenlosigkeit dieser Episode, die bloss Metternich’s [110] Zweideutigkeit in helles Licht stellt, darf Humboldt’s Unterschätzung derselben entschuldigen. Im übrigen hielt er an seiner Ansicht, dass Oesterreich schliesslich mit Frankreich abschliessen würde, fest. Seine Depeschen zeichnen in immer neuen Wendungen die Zerrüttung der Oesterreichischen Verhältnisse in Heer und Verwaltung, die Unmöglichkeit, Krieg zu führen oder den Forderungen Frankreichs zu widerstehen; er tadelt Russland, dass es nicht direct von Oesterreich Stellungnahme fordere, dann würde (jetzt noch) Kaiser Franz zweifellos die Neutralität erklären, und das wäre wichtig, da es dem Wiener Cabinet zum mindesten die Möglichkeit raube, im Falle eines Bündnisses mit Frankreich die Schuld auf Russlands Mangel an Offenheit zu schieben. Er kommt wohl noch einmal darauf zurück, dass Oesterreich am liebsten den Frieden erhalten, sich im Innern consolidiren und die Bande mit Preussen und Russland enger knüpfen möchte, was sich aus den oft angeführten Gründen der inneren Politik und dem Verhalten Russlands nicht durchführen lasse, aber er bemerkt doch auch schon, dass Metternich nicht mehr erkläre, Kaiser Franz werde die Neutralität aufrecht erhalten, sondern dies noch bloss als seinen Wunsch bezeichne. Er findet ihn sehr resignirt und meint, selbst wenn man dem Bündniss widerstreben würde, so könne man den Durchmarsch der Baierischen und Italienischen Truppen durch die kaiserlichen Staaten nicht hindern. Immerhin stünden 30- bis 40,000 Mann an den Grenzen Russlands und des Herzogthums Warschau und dürften Russland Verlegenheit bereiten, während Napoleon die Baierischen und Italienischen Truppen zur Beobachtung Deutschlands zurückbehielte. Ja, er erfährt eine angebliche Aeusserung Metternich’s, er erwarte täglich den Vorschlag zur Allianz, dem zu widerstreben unmöglich sei[96].

In einem grossen Berichte vom 4. März legt Humboldt die ganze Sachlage zusammenfassend noch einmal dar. Er hält daran fest, dass der Kaiser und Metternich eigentlich der Allianz abgeneigt seien und den lebhaften Wunsch hegen, durch nichts von der Sorge für die innere Consolidirung abgezogen zu werden, und – im Hinblick auf die Zukunft ist diese Andeutung wichtig – dass sie von dem Gefühl durchdrungen seien, dass ihre Politik niemals [111] zur Aufgabe haben dürfe, Frankreich zu weiterer Vergrösserung zu verhelfen, und dass es für Oesterreich kein anderes Heil gäbe als Wiederherstellung einer Art Gleichgewicht in Europa. Sie machen sich keine Illusionen über die Vortheile, die man durch Napoleon geleistete Dienste erlangen könnte, und keine Lockspeise wäre stark genug, sie in ein System zu zwingen, dessen Verderblichkeit für sich sie kennen, selbst wenn es zuerst zu einigen momentanen und unsicheren Erwerbungen führen sollte. Metternich’s System war deutlich, allmählich auf den Punkt zu kommen, wo Oesterreich, Russland und Preussen wieder gemeinsam eine feste, Frankreich imponirende Sprache führen könnten, die mit Weisheit gemässigt und immer auf Aufrechterhaltung des Friedens und auf Wiederherstellung einer gerechten und billigen Unabhängigkeit gerichtet wäre, und die wahrscheinlich eine Zeitlang die Fortschritte Napoleon’s zu einer absoluten und universellen Herrschaft würden aufgehalten haben. Metternich’s Pläne konnten nicht verwirklicht werden. Der Russische Hof habe sich von Oesterreich entfernt, statt sich zu nähern. Differenzen, die zuerst klein schienen, hätten den Kaiser an den Vorabend eines neuen Krieges geführt und dadurch Napoleon Grund und Vorwand geliefert, alle disponiblen Truppen Frankreichs und seiner Alliirten in Bewegung zu setzen und Deutschland damit zu überschwemmen, und der schreckliche Augenblick dieser Krisis finde Oesterreich in einem Zustand der Schwäche und einer inneren Entblössung der Mittel jeder Art, die weit schlimmer seien, als es nach dem Wiener Frieden der Fall war, da man damals wenigstens eine schöne und wachsame Armee hatte, die heute desorganisirt und fast zerstört sei. Die nothwendige Folge dieser Ereignisse sei eine absolute Nullität Oesterreichs, die durch drei traurige, aber mächtige Ursachen vermehrt werde: die erste sei die Kälte, die Russland dem Wiener Hof zeige, die zweite die Haltung Russlands in seinen Beziehungen zu Frankreich. Er führt in der schon oft erwähnten Weise diese Andeutungen aus. Der letzte Grund, der die Isolirung Oesterreichs vollendete, sei die Stellungnahme, die die Macht der Umstände Preussen dictirt habe. Niemand fühle mehr die politische Wichtigkeit Preussens als der Wiener Hof, und das Unglück Preussens in den letzten Jahren habe desshalb auf den Kaiser und den Minister so tiefen Eindruck gemacht. Bei dieser äusseren Lage und seiner [112] inneren Situation könne der Wiener Hof nicht daran denken, sich ernstlich dem Willen Frankreichs entgegenzustellen. Er könne höchstens seiner Willfährigkeit einige Abstufungen geben. Zwar würde Napoleon jetzt schwerlich Drohungen gegen Oesterreich gebrauchen oder gar sie verwirklichen; der Wiener Hof würde also seinen Forderungen mit einigem Erfolg widerstehen können, aber dann hat er zwei Dinge, die gleichmassig verderblich seien, zu fürchten, entweder dass Napoleon seine Neutralität nicht mehr respectire und mit seinen Truppen den Durchmarsch durch die Oesterreichischen Staaten erzwinge, oder dass er ihn nach Wiederherstellung des Friedens mit Russland seine Rache fühlen lasse. Galizien bleibe immer eine sehr prekäre Besitzung Oesterreichs, so lange das Schicksal des ehemaligen Polens nicht unwiderruflich festgestellt sei, und der Wiener Hof würde bei einer Unzufriedenheit Napoleons von dieser Seite alles zu fürchten haben. Aus alledem glaubt Humboldt, dass das Oesterreichische Cabinet die Forderung Napoleon’s, sich mit ihm zu alliiren, zuerst werde ablenken wollen, aber niemals den Widerstand bis zur Ablehnung treiben werde. Doch glaubt er, dass aus zwei Gründen Oesterreich nicht in den Krieg mit Russland gezogen werden würde: erstens würde man in Wien niemals aus vorzeitiger Furcht oder aus deplacirter Gefälligkeit den Wünschen Napoleon’s entgegenkommen. Selbst bei drängenden Forderungen werde man ziemlich ruhig bleiben, um nicht über die Grenzen hinauszugehen, bis zu denen die Umstände gebieterisch zwingen würden; und zweitens arbeite Metternich gewiss gegenwärtig daran, Forderungen, die gemacht werden würden, abzulenken, und da er eine grosse Geschicklichkeit besitze, zu temporisiren, und es mehr in seinem Charakter liege, negative Opposition zu machen als positiven und offenen Widerstand zu leisten, so könne man sich schmeicheln, dass ihm sein Versuch wenigstens bis zu einem gewissen Punkt gelingen würde. Er könne die innere Schwäche und die Ungarische Opposition anführen. Der andere Umstand, den man geltend machen könne, wende sich direct an die persönlichen Gefühle des Kaisers Napoleon; es sei für diesen ein ungeheurer Vortheil, dass er in dem Augenblick, da er voraussichtlich auf lange Paris und Frankreich verlasse, dort einen Thronerben und eine Kaiserin aus altem Hause zurücklasse. Auch eine frühere Erwägung kehrt wieder, dass Napoleon nie die [113] Kräfte einer grossen Macht benützt hätte, um seine eigenen Unternehmungen zu erleichtern.

Wir haben diesen Bericht ausführlicher mitgetheilt, weil er zeigt, wie richtig Humboldt die Sachlage, die spätere Stellungnahme und das Verhalten Oesterreichs während des Russischen Feldzuges auffasst.

Die Berichte Humboldt’s in ihrer Consequenz, unterstützt von der gescheiterten Mission Jacobi’s und Scharnhorst’s und bald durch den Gang der Ereignisse bestätigt, verfehlten denn endlich auch in Berlin ihre Wirkung nicht[97]. Wohl thaten die Englischen Agenten, Hardenberg in Wien und Ompteda in Berlin, alles Mögliche, um ihnen, wie Hardenberg sich ausdrückt, „die Wage halten zu können“[98]. „Ich weiss, was Humboldt nach Berlin geschrieben hat, und die Quellen, aus denen er seine Kenntnisse geschöpft hat, aber ich gestehe, ich habe nicht geglaubt, dass das Eindruck machen könnte“. Aber sie machten Eindruck, wie Ompteda mehrfach berichten muss[99], und besonders auf den König, wie der Oesterreichische Gesandte Graf Zichy schreibt[100]: „Der König fingire, dass er Humboldt’s Berichten glaube, welche Offensiv- und Defensivallianz zwischen Frankreich und Oesterreich in Aussicht stellen“. Dazu stimmten aber auch die Berichte, die Krusemark aus Paris sandte[101], und so fiel denn die Entscheidung, wie sie nicht anders fallen konnte: am 24. Februar 1812 wurde das Bündniss zwischen Preussen und Frankreich abgeschlossen.

Humboldt erhielt die Mittheilung[102] mit dem Auftrage, davon dem Wiener Cabinet vertraulich Kunde zu geben. Wie er selbst das Bündniss ansah, ersehen wir nur aus dem kurzen Wort[103]: „Ich hege die lebhaftesten Wünsche, dass diese einzige Partei, die im gegenwärtigen Augenblick zu nehmen übrig blieb, die glücklichsten Folgen habe“. Dass er früher gegen das Bündniss war, sahen wir; in die Verhandlungen, die in der Zwischenzeit das Berliner Cabinet mit Russland und Frankreich gepflogen [114] hatte[104], war er nicht eingeweiht, aber nachdem wir seine Aeusserungen über die Fehler der Russischen Politik und die Unzuverlässigkeit der Oesterreichischen kennen, ist erklärlich, dass die Parteinahme für Frankreich ihm auch als die einzige Rettung erscheint, denn dass bei Ausbruch eines Französisch-Russischen Krieges für Preussen die Neutralität unmöglich war, darüber war wohl kein Wort zu verlieren. Desshalb ist es doch sehr zweifelhaft, ob damals die Anschauung des Hannoveraners Hardenberg[105], Humboldt sei nicht allein gegen die Allianz, sondern er glaube auch, dass Preussen sich allein genügen würde, seine Unabhängigkeit zu vertheidigen, noch richtig war, obwohl so viel daran wahr ist, dass Humboldt antifranzösisch gesinnt war.

Am 14. März schloss auch Schwarzenberg in Paris die Allianz ab, von der Humboldt sofort für seinen Hof vertrauliche Mittheilung erhielt. Jetzt aber sagte Hardenberg wiederholt zu Jacobi[106]: „Humboldt hat doch Recht gehabt“, worüber dieser nicht wenig piquirt war, und die Welfischen Agenten versicherten dagegen, Humboldt habe Unrecht gehabt, wenn er in der Zeit (als Jacobi in Wien war) so kategorisch versichert habe, Oesterreich würde sich mit Frankreich alliiren. Die Frage sei wenigstens problematisch, was geschehen wäre, wenn die Allianz Preussens nicht vorhergegangen wäre und Russland mehr Unbeugsamkeit gezeigt hätte.

Humboldt aber bat[107], da die Ungewissheit der Oesterreichischen Stellung gehoben sei, um einen Urlaub, der ihm auch bewilligt wurde. Er reiste Anfang Juni aus Wien ab, ging auf seine Güter nach Thüringen, stellte sich auf seiner Rückreise im August dem Könige in Teplitz vor, wo dieser seit dem 16. weilte, und traf am 20. August wieder in Wien ein[108].

[115] Damit beginnt die zweite Epoche seiner Wiener Thätigkeit unter viel günstigsten Auspicien als die erste.

Es scheint, dass das Eingreifen[109] des Königs, der mit Humboldt zweifellos sehr zufrieden war und ihm auf seinen Antrag eine Gratification von 2000 Thalern verlieh[110], auch das Verhältniss zu Hardenberg umgewandelt hat. Zwischen beiden erwächst jetzt ein Vertrauen, das bis über die Zeit des Wiener Congresses unerschüttert blieb und erst in der späteren Zeit durch Fragen der inneren Politik vernichtet wurde. Zwischen beiden Staatsmännern entspann sich seit October 1812 ein höchst vertraulicher Briefwechsel, über den Humboldt sich sehr erfreut äussert, und als Anfang des nächsten Jahres Knesebeck nach Wien kam und Humboldt mit ihm zusammen zu wirken hatte und in alle Absichten des Cabinets eingeweiht war, da schrieb er im Rückblick auf die Vergangenheit an Hardenberg[111]: „Ich leugne nicht, dass ich mich während dieser letzten Monate in lebhafter Unruhe befand, aus der mich die Erlaubniss, meine Berichte direct an Sie zu richten, vollständig gezogen hat. In der Art wie ich hier gestellt war, da ich von den wahren Intentionen des Königs und Ew. Excellenz nichts kannte, die Eröffnungen des Grafen Metternich weniger als officielle Eröffnungen wie als freundschaftliche Mittheilungen empfing, desshalb allzu spät und oft unregelmässig, und oft nicht wagte, in den Berichten an die Regierung davon Gebrauch zu machen, konnte ich in keiner Art für den Dienst des Königs wirken und war selbst als einfacher Beobachter meiner Berichte nicht sicher, die nur verstanden werden konnten, wenn man beständig diese besondere Lage im Auge hatte und sie unter diesem Gesichtspunkt betrachtete. Diese Lage war mir äusserst peinlich“. Er drückt dann seine tiefe Dankbarkeit für den König aus und meint, erst jetzt, wo Metternich autorisirt sei, ihm alles mitzutheilen, was für das Preussische Cabinet bestimmt sei, und wo er sich [116] schmeicheln dürfe, dass auch Hardenberg es thun werde, könne er seine Functionen erfüllen.

Als Humboldt nach Wien zurückgekehrt war, hatte der Russische Feldzug bereits begonnen, und mit Spannung wartete ganz Europa auf die Entwicklung der Dinge. Metternich allerdings war überzeugt, dass Napoleon siegen würde und meinte, Russland sei an seinem Unglück selbst schuld[112]. Das Oesterreichische Cabinet, ist Humboldt’s Ansicht[113], werde seinen bisherigen Gang innehalten. Der Kaiser liebe die Ruhe; er sähe ein, dass sie dauernd nur durch Wiedergewinnung des Europäischen Gleichgewichts aufrecht zu erhalten sei, die engste Verbindung mit Preussen sei die erste Bedingung der Möglichkeit gleichen Systems, Oesterreich werde nicht über das Mass seiner Verpflichtungen Frankreich gegenüber hinausgehen, wenn nicht die Umstände es gebieterisch fordern. Er findet das innere Bild doch etwas erfreulicher. Man reorganisire die Armee, Finanzen und Industrie heben sich. Metternich betrachte Russlands Einfluss als nichtig; Humboldt sieht in den Niederlagen der Franzosen in Spanien ein Gegengewicht gegen Napoleon’s Erfolge in Russland, und hofft, wenn dieses seinen Verpflichtungen gegen Schweden und England treu bleibe, so komme man vielleicht zum allgemeinen Frieden; er bemerkt, dass Metternich auf Compensation rechne, dass er übrigens mit dem Russischen Gesandten Stackelberg, der jetzt in Graz weile, durch Lebzeltern Beziehungen aufrecht erhalte[114]. Von dem Gange des Krieges aber erfuhr man nichts; als im November Gerüchte von Friedensunterhandlungen auftauchten, drang Humboldt in Metternich, seiner Regierung Mittheilung von allen Schritten, die einen Sonderfrieden verhindern und die Theilnahme der alliirten Mächte sichern könnten, zu machen[115].

Inzwischen hatte Hardenberg, zum letztenmale ohne Humboldt’s Wissen, einen directen Briefwechsel mit Metternich angeknüpft. Er schilderte ihm (4. September)[116] die traurige Lage Preussens, wog die beiden Möglichkeiten: Nachgeben Russlands [117] oder Beharren beim Kampfe, gegeneinander ab und sprach den Wunsch auf enge Vereinigung mit Oesterreich aus. Erst am 5. October antwortete Metternich, wiederholte seine Vorwürfe gegen Russland und sprach als sein Ziel aus: „Wir müssen trachten herauszukommen aus diesem Kampf, ihn zu beendigen mit möglichst geringem Schaden für die Erhaltung unseres Scheinbesitzes von augenblicklicher Unabhängigkeit“. Also mitten im Kampf, dessen Verlauf noch unbekannt war, Anregung zum Frieden.

Auch Humboldt gegenüber hatte er diese Ansicht ausgesprochen, doch war nach Absendung dieses Briefes an Hardenberg ein Herr Butjakin in Wien erschienen[117] und hatte Nachrichten gebracht, die Napoleon’s Lage als kritisch hinstellten. Butjakin sollte auf das Wiener Cabinet wirken, aber Humboldt erklärte sofort, das würde ganz erfolglos sein; statt Thatsachen anzuführen, die einen Frontwechsel Oesterreichs bewirken sollen, führe er nur Phrasen an. An Hardenberg schreibt er vertraulich, Butjakin habe auch einen Brief von Stein mitgebracht, der aber zu declamatorische Phrasen und allzu vage Betrachtungen enthalte, um Wirkung erzielen zu können. Kaiser Alexander bediene sich Stein’s, um den Patriotismus und nationalen Geist zu animiren und seiner Sache in der Fremde Anhänger zu gewinnen.

Schon jetzt macht Humboldt die vortreffliche Beobachtung, dass man in Wien Frankreich gar nicht so sehr schwächen wolle, um Russland nicht zu mächtig werden zu lassen; man erträgt hier, wenn es nicht anders geht, lieber die Herrschaft Frankreichs als die Russlands. Russland möchte jetzt ganz Deutschland in Bewegung setzen gegen eine Macht, die es heute als illegitim und als allgemeine Geisel betrachtet, nachdem es selber beigetragen hat, sie zu consolidiren! Zu dieser Beobachtung stimmte ganz gut, wenn Metternich zu Humboldt sagte[118], bei dem ganzen Kriege wird nicht viel herauskommen; Russland und Frankreich werden sich erschöpfen, was für Preussen und Oesterreich günstig wäre, d. h. zu seinem System passe, sagt Humboldt, Oesterreich im Frieden vorwärts zu bringen. „Aber“, fragt er weiter, „wird Napoleon, wenn er in diesem Feldzug zu kühn [118] verfuhr, im nächsten nicht vorsichtiger sein? Und ist Oesterreich sicher, dann nicht widerstandslos zu einer activen Theilnahme gezwungen zu werden? Und wird sich Russland immer dem Frieden widersetzen, ihn nicht vielmehr unter Bedingungen schliessen, die ihm günstig, seinen Nachbarn drückend sind? Und wenn Napoleon dort nichts Grosses erlangt, wird er nicht noch mehr auf den Theil Europas, der schon durch seine geographische Lage nicht Widerstand leisten kann, drücken“? Man sieht, Humboldt erblickte durchaus keinen Segen in diesem passiven Zuwarten und befand sich darin in Uebereinstimmung mit seiner Regierung[119].

Inzwischen kamen die Nachrichten von Napoleon’s Rückzug, ohne dass aber die ganze Ausdehnung der Katastrophe bekannt wurde. Metternich gestand[120] nun allerdings die kritische Lage Napoleon’s ein, war aber überzeugt, dass sein Genie und die Fehler seiner Feinde ihm schon einen Ausweg bieten würden. Auch Humboldt sah Napoleon’s Lage noch ziemlich günstig an; er glaubte nicht, dass jener zu keinem anderen Zweck nach Moskau gegangen sei, als um Schrecken zu verbreiten und einen schnellen Frieden zu erlangen. Sobald er die Abneigung der Russischen Regierung gegen den Frieden erkannt und aus dem Brande Moskaus ihre Festigkeit ersah, konnte er sich in einer so vorgerückten Stellung nicht mehr halten, aber wenn er sich ohne grossen Verlust und ohne wirkliche Schlappe zurückzöge, wenn sein Heer Winterquartiere zwischen Wilna und Smolensk beziehen könnte, so hätte ihn dieser Feldzug doch wenigstens in den Besitz fast sämtlicher Polnischen Provinzen Russlands gebracht, und die momentane Einnahme Moskaus die Russische Regierung der Hilfsquellen beraubt, welche die Hauptstadt und ihre Umgebung ihr boten, auch habe der Feldzug die Schwedische Expedition scheitern lassen. Allerdings verkennt Humboldt nicht, dass der Elan, den der Rückzug der Französischen Armee den Russischen Truppen und dem Petersburger Cabinet gäbe, und der Eindruck auf die Französischen Truppen und auf Frankreich selbst unberechenbare Folgen haben könne; ein neuer Erfolg Napoleon’s würde allerdings diesen Eindruck vermindern, [119] und die Folgen wären für ihn nur dann zu fürchten, wenn der Feind aus seiner gegenwärtigen Lage Nutzen zu ziehen verstände.

Er glaubt weiter[121]: wenn der Friede in diesem Winter nicht zu Stande käme und Napoleon zu einem zweiten Feldzug schreite, so werde er den Versuch machen, Oesterreich zu stärkerer Betheiligung heranzuziehen, aber sie würde hier entschieden abgelehnt werden. Die Intention des Kaisers, das System Metternich’s, die Abneigung des Grafen Wallis gegen grössere Ausgaben, der Geldmangel und der Widerstand der öffentlichen Meinung gegen diesen Krieg, der täglich stärker werde, bürgten dafür. Drohungen und Zwang werde Napoleon in diesem Augenblick wohl kaum anwenden, dazu hätten sich die Umstände doch sehr gegen den Beginn des Krieges geändert. Damals hätten die meisten Cabinete Europas gefürchtet, dass dieser Krieg durch einen glänzenden Schlag entschieden und Russland zu einem schnellen Frieden bereit sein würde, der damals denjenigen von Frankreichs Nachbarn hätte verhängnissvoll werden können, die diese Macht nicht behutsam behandelt hätten. Gegenwärtig sei die ganze friedliche Disposition in Russland verschwunden, und der Krieg habe den sonderbarsten Charakter angenommen; während bei anderen Kriegen die Kräfte eines erfolgreich angegriffenen Landes sich verminderten, entfalte das Russische Volk nun erst die seinigen, da der Krieg sich durch den Krieg organisire, und der Sieger sich durch seinen Sieg und seine Fortschritte geschwächt und gehemmt sähe. Das Wiener Cabinet beginne die Erfolge Russlands zu fürchten, aber in welche Gefahren auch Napoleon geriethe, diese Furcht würde Oesterreich nicht veranlassen, ihm wirksame Hilfe zu leisten. Der Wiener Hof werde im geheimen den Petersburger Hof zu menagiren suchen, seine eigene Haltung als durch die Umstände dictirt und für Russland wenig gefährlich hinstellen, innerlich wünschen, dass beide, Frankreich und Russland, sich gegenseitig schwächten, da, besonders so lange Rumjancev die Geschäfte führe, Furcht und Misstrauen hier gross seien; aber sie seien kein neues Gewicht in der Wagschale gegen Russland. Die richtige Politik Oesterreichs wäre jetzt eine formidable Haltung anzunehmen, um bei der Erschöpfung beider kriegführenden Mächte die einer grossen Macht würdige Sprache [120] zu führen. Aber dazu ist keine Hoffnung vorhanden, so lange Graf Wallis das Ohr des Kaisers besitze, gegen Metternich arbeite und im Innern so schädlich wirthschafte. Unter Vorwänden die weiteren Forderungen abzulehnen, sei Oesterreichs unwürdig, eine offene Sprache könne allein wirksam sein[122]. Schon ehe die Katastrophe der grossen Armee bekannt war, am 2. December 1812[123], zeichnete Humboldt mit bewundernswerthem Scharfblick die ganze kommende Entwicklung: „Der Wiener Hof wird nicht brüsk das System wechseln, wie auch die Chancen des Krieges sein werden; ein Wechsel des Systems wird nur eintreten, wenn Napoleon billige Bedingungen zurückweist; manche glauben, er würde ohne neuen Feldzug einen allgemeinen Frieden schliessen; ich glaube nicht, schreibt Humboldt, dass ein so grosses Resultat so leicht zu erreichen ist; ich bilde mir ein, dass Napoleon eher im Kampf wird unterliegen wollen; seine Position in Frankreich erlaubt ihm gar nicht, anders zu handeln“. Auch das Misstrauen gegen Russland ist bei Humboldt noch nicht geschwunden; er hält es immer noch für möglich, dass es sich zu einem Particularfrieden verführen lässt. Wenn er schliesslich fragt, ob man nicht vielleicht die Gefahren der Französischen Armee übertreibe, so beantworteten die bald eingehenden Nachrichten diese Frage.

Am 19. December wusste[124] man in Wien Napoleon’s Durchreise durch Warschau, und jetzt glaubte Metternich, Napoleon komme nicht wieder zur früheren Höhe. Humboldt’s Ansicht ist, es bedürfe jetzt nur einer energischen und wohlberechneten Haltung der anderen Europäischen Mächte, um das frühere System des Gleichgewichts und der Unabhängigkeit herzustellen, auf der allein die allgemeine Ruhe und das individuelle Glück sich begründe. Wenn man sich in die Lage der Frankreich feindlichen Cabinete versetze, so könnten sie eine doppelte Frage erheben: Muss man an einer gänzlichen Zerstörung der gegenwärtigen Französischen Regierung arbeiten? Oder soll man sich begnügen, einen Frieden zu schaffen, der für immer oder wenigstens für lange Zeit die Sicherheit gäbe, dass Frankreich sein gegenwärtiges Uebergewicht nicht wieder erlange? Wenn England [121] und Russland das erste Ziel verfolgen, so kann man mit Gewissheit sagen, Oesterreich wirke dazu nicht mit. Ja, diese beiden Cabinete könnten sogar dadurch bewirken, dass es sich stärker gegen sie erkläre. Zu einem billigen Frieden würde der Wiener Hof alle Anstrengungen machen, würde sich freimüthig und energisch gegen Napoleon erklären und selbst handelnd eingreifen, wenn er nicht genügend gehört würde. Die Frage sei nur, ob Oesterreich mit den anderen Mächten über die Bedingungen einig sein werde, und es stünde immer zu befürchten, dass es hinter den Forderungen (en deça des demandes) zurückbleiben werde. Vereint mit Frankreich durch die Heirath der Erzherzogin und immer ein gewisses Misstrauen gegen Russland wegen der Türkei und Polens nährend, habe es unter diesen beiden Gesichtspunkten ein von den allgemeinen Interessen verschiedenes und könne dadurch nachgiebiger gegen Frankreich sein. Bei seiner vorsichtigen Politik werde der Wiener Hof einem Frieden, der leicht geschlossen werde, einen solchen vorziehen, der solidere und reellere Vortheile bieten würde. Viel werde in der gegenwärtigen Lage von der zwingenden Gewalt der Ereignisse selbst abhängen. Wenn Oesterreich sich durch seine politischen Interessen in einer besonderen Lage befände, können Preussen und Norddeutschland durch die Chancen des Kampfes noch engagirt sein, wenn das Kriegstheater, wie es zum Unglück nur zu sehr zu fürchten sei, sich ihm nähere und Schweden eine Expedition nach Deutschland unternähme.

Klarer und deutlicher sind nirgends der ganze Gang der Oesterreichischen Politik bis über den Congress von Chatillon, ja bis über den Pariser Frieden hinaus und die dafür massgebenden Motive gekennzeichnet, als in dieser letzten Depesche Humboldt’s vom Ausgang des Jahres 1812: Als erstes Ziel der Friede; nur wenn Napoleon absolut nicht hören will, Theilnahme am Kriege, dann aber doch möglichste Schonung für Frankreich aus Rivalität gegen Russland und auch aus dynastischem Interesse. Alles kam, wie Humboldt es vorausgesagt hatte, höchstens fehlt die Abneigung gegen Preussen, die später auch noch das Oesterreichische Verhalten beeinflusste. Humboldt zieht auch die Consequenzen aus seinen Betrachtungen. Er sieht ein[125], dass [122] Russland und England ihre Forderungen nicht modificiren würden, um den Hochmuth der Französischen Regierung zu beugen, aber er hält es für dringend nöthig, den Frankreich feindlichen Höfen den Rath zu geben, sich durch das geringe Entgegenkommen des Wiener Cabinets nicht abschrecken zu lassen, sondern es mit Schonung zu behandeln, schon um ihm keinen Vorwand zu liefern, sich positiver für Frankreich zu erklären. Er hofft[126], die Russen wurden auch im Falle eines zweiten Feldzuges klug genug sein, Oesterreich zu schonen, dann würde es wie bisher eigentlich thatlos bleiben. Andere Staaten, sagt er im Hinblick auf Preussen, können allerdings durch ihre geographische Lage eine gleiche Inactivität nicht einhalten, aber er warnt auch schon vor den Russischen Gelüsten: man meine[127] in Russland allgemein, dass es seine Grenzen bis zur Weichsel ausdehnen würde. Das müsse Preussen verletzen, Oesterreichs Verdacht erregen und widerspräche den Principien des Europäischen Gleichgewichts. Humboldt konnte nicht ahnen, dass zwei Tage, bevor er dies niederschrieb, sein König in einem eigenhändigen Aufsatze den Bedenken vor den Uebergriffen Russlands Ausdruck geliehen hatte[128].

Die Ereignisse in Preussen drängten zum Handeln, und es galt jetzt, Oesterreich zum Waffenbunde zu gewinnen. Darauf legte vor Allem der König das höchste Gewicht; er hatte schon im October 1812 auf die Russischen Eröffnungen hin erklärt[129], ohne Oesterreich könne er nichts unternehmen; unterstütze ihn dieses, so würde er sein System wechseln und alle Mittel aufbieten, seine Unabhängigkeit wieder zu erlangen. Um diese Unterstützung zu gewinnen, wurde Oberst v. Knesebeck nach Wien geschickt.

Bevor dieser dort anlangte, drängte Humboldt in einer Depesche vom 6. Januar 1813 auf Herstellung des Einvernehmens zwischen Russland und Oesterreich; von seinem Auftreten Napoleon gegenüber mache ihm Metternich vollständige Mittheilung, und er findet die Sprache des Wiener Cabinets jetzt durchaus würdig[130]. Er versteht auch, dass Russland und England von [123] friedlichen Unterhandlungen nichts wissen wollen, zumal wenn sie nicht die volle und intime Ueberzeugung haben, dass die Macht, die sie vorschlage, mit ihnen in den wichtigsten Punkten übereinstimme und im Nothfalle das Resultat ihres gemeinsamen Zieles mit Kraft unterstützen würde. Es gelte immer zu bedenken, dass Oesterreich auch dem Beginne eines zweiten Feldzuges mit einer gewissen Gleichgültigkeit zusehen und unter den Bedingungen des ersten ruhig bleiben könne, wenn es auch unpolitisch wäre. Preussen allerdings könne das nicht; Frankreich würde sich seiner immer nur als eines nützlichen Werkzeuges für seine Pläne bedienen, und die Erfahrung der Vergangenheit habe genug bewiesen, wie wenig man seinen Versprechungen vertrauen dürfe. Er räth nun allerdings nicht zum Bruch mit Frankreich und zum Anschluss an Russland, dazu kannte er die Beziehungen des Cabinets und die Zustände des Landes nicht genügend, sondern er hält auch für Preussen den Frieden für wünschenswerth und will Metternich in seiner Thätigkeit dafür bestärken. Aber es sei nöthig, sich darauf vorzubereiten, dass dessen Versuche missglückten, und auf alle Uebel eines verlängerten Krieges gefasst zu sein. Ein Trost in dieser traurigen Lage ist ihm, dass die Russen bei ihrem Eintritt in Preussen proclamirt haben, es nicht als feindliches Land behandeln zu wollen, und dass im allgemeinen Lage und politische Beziehungen Preussens so sind, dass es immer weniger von Russland als von Frankreich zu fürchten haben wird.

Am 12. Januar war Knesebeck in Wien eingetroffen[131]. Er sollte darauf hinwirken, dass die Oesterreichische Vermittlung nicht bloss angeboten, sondern verkündet werde und eine bewaffnete sei, er soll die Absichten Oesterreichs zu erforschen suchen, auf die Interesseneinheit beider Staaten hinweisen, und nach erlangter Gewissheit, dass Oesterreich einschreiten werde, erklären, sein König werde mit aller Macht Oesterreichs Schritte unterstützen. Es wird dann für die Eventualität eines zweiten Feldzugs Napoleon’s nach Russland ein Plan gemeinsamen Handelns entworfen, auf die augenblickliche Gefahr hingewiesen, dass die Russen bis zur Oder vorrücken und den König zum Anschluss zwingen, den er ohne Oesterreichs Zustimmung nicht vollziehen [124] wolle. Für den eventuellen Frieden solle Knesebeck die Zurückgabe Warschaus an Preussen fordern, als Grundlage die Verträge von Amiens und Luneville, die Unabhängigkeit Deutschlands, Gewährleistung der Länder für die Rheinbundsfürsten, ausgenommen den König von Westfalen, und den Einfluss Oesterreichs im Süden, Preussens im Norden bezeichnen. Endlich solle er die Ansicht des Wiener Cabinets erforschen, ob der König nach Breslau gehen solle.

Wir betrachten hier nur den Antheil, den Humboldt an den Verhandlungen Knesebeck’s nahm[132]. Dieser sandte am 14. Januar einen verhältnissmässig optimistischen Bericht über zwei Unterredungen mit Metternich, in dem seine Ansichten wiedergegeben zu sehen der Oesterreichische Minister aber ablehnte[133]. Ueber einen wichtigen Punkt, der darin berührt ist, die Neutralisirung Schlesiens, spricht sich Humboldt sehr entschieden aus. Dass Metternich diese Massregel vorschlagen will, wusste er schon vor Knesebeck[134] und hält sie, isolirt vorgenommen, für unnütz und wenig entscheidend in der kritischen Situation Preussens; ein Neutralitätssystem Oesterreichs und Preussens zusammen wäre ihm erwünscht. Als er Metternich’s nähere Auffassung erfuhr, dass Preussen, ohne einen Neutralitätsact mit Frankreich darüber abzuschliessen, Schlesien durch Uebereinkunft mit Russland gegen Russland neutralisire, bei Frankreich dies dadurch rechtfertigend, dass der König doch eine Provinz für sich behalten müsse und Frankreich selbige jetzt nicht schützen könne[135], führt er die gänzliche Unmöglichkeit, ja Schädlichkeit des näheren aus[136]. Er meint, Russland könne sich doch nur darauf einlassen, wenn Frankreich diese Provinz von seinen militärischen Plänen ausschliessen würde, da sonst seine Heere durch die Franzosen umgeben würden, und muss wenigstens das formelle Versprechen und die Räumung Glogaus fordern. Es würde also zu einer formellen Convention kommen, was sehr schädlich wäre. Der König wäre nicht mehr Herr seiner Mittel in dieser Provinz, um die anderen den feindlichen Händen zu entreissen, [125] und er könnte sich nicht mehr gegen Frankreich erklären, ohne einen Vertrag zu brechen, den er selbst vorgeschlagen. Dem König wären die Hände gebunden, und Preussen wäre politisch eine Null, paralysirt und müsste abwarten, welches Schicksal man ihm im zukünftigen Frieden bereite. Die Regierung wäre in der peinlichen Lage, Preussen in den Händen der Russen, die Mark und Pommern in denen der Franzosen zu sehen und Schlesien so an das Oesterreichische System gebunden, dass es dadurch seiner freien Disposition entzogen wäre. Metternich wünsche es bloss, damit die Russen sich nicht zu sehr Oesterreich nähern, aber dass Preussen eine Convention schliessen soll, meint er selbst nicht. Solange man Besseres thun kann, soll man sie unterlassen; zulässig wäre sie nur, wenn zu gleicher Zeit Preussen und Oesterreich ganz von der Allianz mit Frankreich zurückträten. Jede Idee einer Neutralität oder Bildung einer Coalition inmitten Europas mit dem Ziel, die allgemeine Ordnung zu wahren und die verschiedenen Interessen zu vereinigen, habe zur unumgänglichen Vorbedingung die allgemeine, formelle oder vertrauliche Erklärung des Wiener Hofes, in keinem Falle, ausgenommen, wenn er von den Alliirten angegriffen wird, Frankreich in einem zweiten Feldzug Hilfe zu leisten. Ohne die Erklärung, nicht mehr Verbündeter einer der beiden kriegführenden Mächte zu sein, ist jede Neutralität ein leerer Name.

Inzwischen hatte sich Knesebeck überzeugt, dass ein Waffenbündniss mit Oesterreich nicht zu erlangen war. Er arbeitete also mit Humboldt zusammen eine gemeinsame Note aus[137], in der ausgeführt wird: Oesterreich und Preussen seien vorzüglich an der Wiederherstellung des Gleichgewichts in Europa interessirt, und Deutschland scheine zur schönen Rolle berufen, es herzustellen. Allerdings seien Anstrengungen nöthig, um es zu erlangen. Um zu einem dauerhaften Frieden zu kommen, könne die Nothwendigkeit eintreten, einen Krieg zu führen, dessen Chancen nicht ohne Gefahren seien. Preussen sei aber entschlossen, wenn Oesterreich es unterstütze, sich den Gefahren eines Krieges auszusetzen. Sei der Kaiser seinerseits entschlossen, den kriegführenden Mächten seine bewaffnete Vermittlung anzubieten [126] und sie wirksam zu unterstützen, so sei der König bereit, auf seine Einladung bei diesem Unternehmen mit allen Kräften mitzuwirken. Beide Mächte sollten dann gemeinsam Friedensbasen aufstellen mit dem Ziel, Deutschlands Unabhängigkeit und Europas Gleichgewicht wieder herzustellen. Preussen täusche sich nicht über sich selbst, aber seine geographische Lage, sein Einfluss auf Norddeutschland, die persönlichen Beziehungen des Königs zum Kaiser Alexander, die Energie der Regierung, die noch sehr reellen militärischen Mittel, der Geist der Einwohner, alles das besitze noch ein beträchtliches Gewicht. Nach einer Recapitulation der Oesterreichischen Politik werden dem Wiener Cabinet folgende beiden Fragen vorgelegt:

1. Ob der Wiener Hof, wenn die Basen für den Frieden verkündet sein werden, und er sie der gemeinsamen Sache Europas und seinen besonderen Interessen angemessen finden wird, entschlossen ist, mit activer und energischer Art zu handeln mit allen seinen militärischen Kräften, um diese Basen von Frankreich annehmen zu lassen?

2. Ob er sich nicht mit der passiven Rolle begnügen und nur die Mittel der Ueberredung und Unterhandlung gebrauchen wird, um die Annahme der Basen durchzuführen, ohne sie mit militärischen Kräften zu unterstützen?

Sei die Antwort auf die erste Frage bejahend und sei man mit dem Berliner Hof über die Basen einig, so seien die Unterzeichneten bevollmächtigt, die volle Zustimmung zu erklären und die Unterhandlungen abzuschliessen. Aber bei der Lage Preussens dränge die Sache. Desshalb fordern sie die feste und sichere Erklärung, dass der Kaiser entschlossen sei, bei Erneuerung des Feldzugs seine Truppen nicht mehr mit den Französischen zu vereinen und nicht am Kampfe gegen die Feinde Frankreichs theilzunehmen.

Am 20. Januar übergab Knesebeck eine eigene Note mit militärischen Details[138], und schliesslich formulirte Humboldt noch zwei Fragen an das Oesterreichische Cabinet[139]:

1. Wenn Se. Majestät der König von Preussen durch die Gewalt der gegenwärtigen Umstände gezwungen werden sollte, [127] sich für Russland zu erklären, würde dann Oesterreich diese Massregel mit günstigen Augen betrachten?

2. Kann Preussen sicher sein, dass Oesterreich, eingeweiht wie es ist in das System und die Grundsätze des Königs, nicht gegen Preussen handeln und die Streitkräfte nicht vermehren wird, welche es gegenwärtig gemäss dem Bündnissvertrag für Frankreich stellt?

Ehe die officiellen Antworten eingingen, sprach sich Humboldt über die Lage und die zu erwartende Entscheidung mehrfach aus. Er fürchtet, Oesterreich könne dahin kommen, Frankreich beträchtlichere Hilfsmittel zu gewähren, ja sich ganz auf dessen Seite zu stellen, obgleich ein Anzeichen einer Systemänderung nicht sichtbar sei[140]. Er erläutert diese Ansicht in vertraulichen Briefen an Hardenberg, in denen er zugleich Preussens Lage und das nothwendige Verhalten der Regierung vorzüglich darlegt[141]. Von Oesterreich erwartet er nicht viel. Es widerstrebt sogar den Ausdrücken médiateur und médiation als allzu schroff für seine bisherigen Schritte; es concentrirt Truppen, aber in Provinzen, wo sie unmöglich Frankreich bedrohen, oder etwa beide kriegführende Mächte auf einmal. Es taucht nicht der geringste Hoffnungsschimmer hier auf, dass es sich sogleich bereit erklären wird, mit den Waffen in der Hand an einem Plan mitzuwirken, um, wie es doch selbst für nöthig hält, Frankreich zu Opfern zu zwingen. Es verkündet noch nicht einmal positiv, dass es sein Hilfscorps zurückziehen und sich wirklich in den Stand einer neutralen Macht setzen will; es hat auch nie klar ausgesprochen, welche Grundlagen für den zukünftigen Frieden es für unumgänglich hält. Metternich äussert sogar, eine Macht könne neutral bleiben und nichtsdestoweniger einer der beiden kriegführenden ein Hilfscorps leisten, und bei der Schwierigkeit des maritimen Friedens und des Arrangements in Spanien könnte man sich vielleicht mit einem allgemeinen Frieden für den Continent begnügen. Also eine energische Intervention sei hier nicht zu erwarten; nur Zeit und Umstände könnten einen Wechsel herbeiführen. Oesterreich scheine Preussen zu unterschätzen, deshalb solle der König deutlich erklären, was zu [128] versprechen und zu thun er bereit sei, wenn er vom Kaiserstaat unterstützt wird. Er analysirt und motivirt die gemeinsame Note und meint, fällt die Antwort bejahend aus, so ist es gewiss erwünscht; fällt sie verneinend oder ausweichend aus, so wird der König wenigstens wissen, dass er von Oesterreich nichts zu erwarten habe.

Ueber Preussens nothwendiges Vorgehen urtheilt Humboldt jetzt, da er wohl durch Knesebeck genauer informirt war, ganz anders als kurz vorher.[142] „Ohne Gefahren wird Preussens Stellungnahme nicht sein; denn wenn auch Frankreich einen grossen Schlag erlitten hat, so kann Napoleon immer noch von neuem eine grosse Armee sammeln; den Krieg auszuhalten wird für ihn weniger schwierig sein, da die Länder, wo man kämpft, weniger entfernt liegen, und die Verluste des Französischen Heeres sind mehr den Umständen als den Manövern der Russischen Generäle zu danken. Wenn der König sich trotzdem mit Russland verbindet, kann er grosse Mittel in Bewegung setzen und ist sicher, ein grosses Ziel zu erlangen; bleibt er Verbündeter Frankreichs, so spielt er immer eine subalterne Rolle und hat selbst beim Erfolg nichts zu hoffen, als seine gegenwärtigen Staaten, erschöpft durch alles Unglück des Krieges, wieder zu erlangen. Wenn die Russen mit Energie handeln und die Schwedische Expedition, wie es wohl sicher ist, erfolgt, so kann man sich schmeicheln, das Kriegstheater hinter die Elbe zurück zu verlegen. Was vielleicht den Russen und Schweden allein nicht möglich ist, kann glücken, wenn die Kräfte Preussens und Norddeutschlands, das es mit sich fortreisst, sich damit verbinden. Die Wahl ist schwierig, aber es ist tröstlich, dass sie ganz frei ist, und ein Glück für Preussen, dass die Partei, die zu ergreifen es durch die Umstände gezwungen werden kann, zugleich diejenige ist, die, wenn auch nicht gefahrlos, doch seinen wahren Interessen entspricht. Die Gewalt, die Preussen fortreissen kann, ist zu gleicher Zeit die Hilfe, die es braucht, und der es sich ohne Misstrauen überlassen kann“. Der Hauptpunkt scheint ihm zu sein, ob die Russen die Oder werden erreichen können und wollen, und ob sie bei Beginn des Frühlings im Besitz der Oderfestungen sein werden oder sie wenigstens [129] blockirt halten werden. „Ist dies der Fall, so scheint mir sicher, dass sie dem gegenwärtigen System treu bleiben. Ihre Rücksichtnahme auf Preussen wird aber nur so lange dauern, wie sie auf dessen Beitritt rechnen; ist diese Hoffnung verloren, werden sie Preussen allein als Hilfsquelle für den Krieg betrachten. Kann man dann auf Frankreich rechnen, das in Preussen immer nur den wenig zuverlässigen Bundesgenossen gesehen hat? Sind die Russen nicht bis zur Oder gelangt, dann ist allerdings der Systemwechsel für Preussen gefährlicher. Es liegt im Interesse Preussens, Frankreich und Russland gegenüber sich als Macht hinzustellen, die für den Augenblick gar nicht mit ganzer Freiheit handeln kann. Frankreich hat Preussen nicht vertheidigen können und muss sich selbst die Schuld an dessen Verlust zuschreiben. Russland muss seine Hilfe durch die Fortschritte und den Erfolg seiner Waffen erwerben.“ Er hielt für richtig, 1. dass der König nach Breslau übersiedele, 2. dass er so viel militärische Mittel wie möglich ansammle und sie so aufstelle, dass sie seiner freien Disposition nicht entzogen werden können, 3. dass er mit Festigkeit, auf die unglückliche und kritische Situation seiner Staaten gestützt, jede Forderung Frankreichs auf wirksame Hilfe ablehne.

Mit diesem Brief zugleich übersandte Humboldt den Moniteur vom 12. Januar[143], der die Mittheilung von York’s That und die Aushebung von 350 000 Mann enthielt, und berichtet, Metternich ersehe daraus und aus anderen Mittheilungen, dass Napoleon nicht zum Frieden geneigt sei. Entschieden wie noch nie spräche er sich aus[144]; Preussen solle mit Russland abschliessen; wenn erst die Russen die Oderfestungen haben, der Schwedische Einfall erfolgt sei, Dänemark neutral bleibe, dann werde Oesterreich anders auftreten; es werde die Bedingungen des Friedens verkünden und sich als Feind dessen erklären, der sie nicht acceptire. Im März würde es 100 000 Combattanten, mit Nichtcombattanten 150 000, ja 200 000 zur Verfügung haben[145]. Er würde Oesterreich für neutral erklären, um die Durchmärsche zu verhindern, aber Preussen und Russland versichern, dass die [130] gegenwärtige Bewaffnung nicht gegen sie gerichtet sei. Mit Recht bemerkt Humboldt, dass eine solche Erklärung, officiell gegeben, einer bejahenden Antwort[146] gleich käme, und drängt Metternich, ihm diese Erklärung schriftlich als Antwort auf die obigen Fragen zukommen zu lassen[147]. Dazu aber war der Oesterreichische Minister nicht zu bekommen; man könne sich selbst bei dem guten Verhältniss zwischen Preussen und Oesterreich nicht so compromittiren und schriftlich geben, was man wohl mündlich sage. Er las Humboldt die Antwortsnote vor, und diesem ergab sich als Resulat: 1. Oesterreich wird nicht die Unterstützung Frankreichs vergrössern, wenn es nicht durch verletzendes Verhalten Russlands und Englands dazu gedrängt wird. 2. Es wird sich nicht früher mit diesen Mächten gegen Frankreich verbinden, als bis es Napoleon so engagirt sieht, dass keine Gefahr mehr von ihm droht, um dann bei der Regelung der Angelegenheiten mitwirken zu können. 3. Bis dahin wird es aus Furcht vor Frankreich sich jeder kategorischen Erklärung enthalten[148]. Preussen kann also auf das Beispiel Oesterreichs nicht warten, soll aber mit Oesterreich in gutem Verhältniss bleiben, da es von allgemeinem Interesse ist, dass der Wiener Hof mit ihm zusammen die Bestimmungen über Deutschland regle, die nicht genug gesichert sein werden, wenn Russland und England beim zukünftigen Frieden ein zu grosses Uebergewicht haben.

Die Antworten des Kaisers und des Ministers, die Knesebeck am 30. Januar erhielt[149], lauteten ausweichend und bestätigten durchaus Humboldt’s Vermuthungen und Angaben. Inzwischen waren in Berlin die Würfel gefallen, der König war am 22. Januar nach Breslau abgereist, am nächsten Tage folgte ihm Hardenberg. Der Aufruf vom 3. Februar erschien, in stürmischer Begeisterung folgte die ganze Nation dem Rufe zu den Waffen. In Wien betrachtete man diesen Enthusiasmus mit sehr gemischten Gefühlen, und als die Berichte Zichy’s und Bombelles’ über Stein’s administrative Massregeln in Preussen eingingen und eine Englische Zeitung und der Moniteur die Nachricht von der Gründung eines Preussischen Insurrectionscomité’s brachten, da war Metternich [131] von grossem Schreck erfasst. Humboldt versicherte ihm, was Stein thue, geschehe nur für den König, und Metternich wusste auch, dass Stein den König von allem benachrichtigt habe, aber die Affaire Gruner[150] hatte hier traurige Eindrücke hinterlassen, und jede spontane Volksbewegung erregte hier auf’s höchste. Diesen Schrecken Metternich’s zu beruhigen, bittet Humboldt etwas Sicheres darüber mitzutheilen. Seine eigene Ansicht ist: Man darf sich nicht den Anstrengungen zur Erregung des nationalen Geistes entgegenstellen; es wäre unnütz und unmöglich, den Strom aufzuhalten, und man würde sich eines mächtigen Mittels berauben. Aber man muss sorgfältig alles entfernen, was an die Ideen erinnert, Norddeutschland zu revolutioniren und zu insurgiren. Es biete sich ein leichtes Mittel dar; man brauche den Völkern nur ihre früheren Regierungen zurückzurufen. Wenn Preussen die Partei Russlands ergreife und England und Schweden Truppen nach Deutschland schicken, so werde es keine populären Bewegungen geben. Das Joch der Völker zwischen Rhein und Elbe würde nur abgeschüttelt sein, damit sie unter ihre früheren Herren zurückkehren; träte das Gegentheil ein und die Völker handelten lange unter Führung einer fremden Macht, die Consequenzen wären schrecklich und die Furcht davor würde die Entschlüsse des Wiener Cabinets beeinflussen[151]. Er freut sich[152] deshalb, dass das Englische Corps unter Wallmoden, Gneisenau und Dörnberg lande; wie die Führer ein Hannoveraner, ein früherer Preussischer Officier und ein Hesse seien, so würden sich die Einwohner unter den Fahnen ihrer ehemaligen Herrscher sammeln, und jede revolutionäre Idee würde fern bleiben.

Die officiellen Berichte füllt er in dieser Zeit mit vortrefflichen Mittheilungen aus Bubna’s Pariser Depeschen, die Metternich ihm zugänglich machte, und mit aufmerksamen Beobachtungen aller Symptome, die, wie vor allem der Rückzug des Hilfscorps unter Schwarzenberg, eine Lockerung der Französisch-Oesterreichischen [132] Beziehungen ankündigten. Vertraulich entwickelt[153] er Hardenberg seine Anschauungen. Er habe stets versucht, die Mittelstrasse zwischen blindem Vertrauen und Skepticismus einzuhalten. Er recapitulirt seine bisherigen Behauptungen hinsichtlich der Oesterreichischen Politik: 1. Die Absicht des Wiener Cabinets, den ersten Moment zu benutzen, um zur Wiederherstellung der Ruhe in Europa beizutragen und das Uebergewicht Frankreichs zu vermindern, ist beständig gleich gewesen, wie das Cabinet durch seine enge Verbindung mit Preussen, die Begrenzung seiner Allianz mit Frankreich und die Festigkeit bewiesen hat, mit der es jeden Versuch, diese Begrenzung zu erweitern, beseitigt hat; es hat immer gute Beziehungen zu den alliirten Mächten aufrecht erhalten, und man kann ihm keinen Schritt vorwerfen, der das Ansehen gehabt hätte, aus der Verbindung mit Frankreich Nutzen ziehen zu wollen, sondern es hat für die gemeinsame Sache gearbeitet, in Betracht der eigenen Schwäche allerdings mit grosser Vorsicht, um so wenig wie möglich auf’s Spiel zu setzen. 2. Bis zu einer gewissen Zeit waren Vorsicht und Zweifel so gross, dass sie die Oberhand zu gewinnen schienen und dass man fürchten konnte, das Wiener Cabinet lasse es bei der Absicht bewenden. 3. Der Fortschritt der Ereignisse und der Rüstung, die Berichte aus Paris, welche die dortige Schwäche meldeten, haben diese Zweifel mehr und mehr zerstreut und die Sprache ist entschiedener geworden. 4. Im allgemeinen schreitet die Oesterreichische Regierung vorwärts, und es ist zu erwarten, dass die Ereignisse sie fortreissen und zu entschiedener Parteinahme zwingen werden. Immerhin geht es langsam, und sie nimmt auch zu viel Rücksichten auf Frankreich.

In seinen Unterredungen mit Metternich berührt Humboldt auch schon die Fragen nach der zukünftigen Gestaltung Deutschlands. Er findet es bedenklich[154], dass Metternich zur Idee neigt, die Fürsten, die jetzt den Rheinbund bilden, unabhängig zu lassen. Irgend ein Band, meint er, zwischen den Staaten und den Fürsten Deutschlands würde, wenn nicht absolut nothwendig, doch sehr heilsam sein; Metternich sei auch nicht absolut dagegen, nur erkläre er, mit seinem Willen werde Kaiser [133] Franz die Kaiserkrone wohl nicht wieder annehmen. Natürlich aber fragt Humboldt beim Staatskanzler an[155]: „Will der König seine früheren Provinzen oder andere Arrangements? Wenn, wie ich positiv glaube, Deutschland ein Ganzes bilden muss, wie wird man darin den Einfluss Preussens und Oesterreichs gestalten? Die Theilung in Süd- und Norddeutschland, wie sie in Knesebeck’s Depeschen vorgeschlagen ist[156], hat die grosse Inconvenienz, in eine schädliche Opposition ausarten zu können“. Humboldt berührt hier sehr zeitig die Kernfrage der ganzen Preussischen Politik in der Folgezeit, eine Frage, die bald darauf auch Hardenberg auf’s lebhafteste beschäftigt[157], und an der beide gemeinsam viele und leider nutzlose Arbeit noch in Zukunft leisten sollten.

Am 28. Februar war der Vertrag von Kalisch abgeschlossen worden. Auf die Mittheilung davon schreibt Humboldt[158], er habe mit Freuden die vornehme, weise, gerechte und wahrhaft grosse Art gesehen, in der der Allianzvertrag redigirt sei. Er lege die Grundlage eines neuen politischen Systems in Europa, und wenn die Vorsehung die Sache der coalirten Mächte segne, die gewiss die gerechteste und beste sei, für die jemals Souveräne die Waffen ergriffen haben, werde Europa durch eine lange Ruhe, auf Gerechtigkeit und Billigkeit begründet, für die grausamen Leiden, denen es so lange ausgesetzt war, entschädigt werden; und dem Staatskanzler gratulirt er[159], ihm werde der Ruhm bleiben, Preussen wieder hergestellt zu haben. Gesandtschaftsberichte sind kein Ort für Gefühlsergüsse, und Humboldt nicht der Mann der letzteren, aber wenn man diese Aeusserungen mit der Aufnahme des Französischen Vertrags vom 24. Februar 1812 vergleicht, sieht man wohl, wohin sein Herz neigt. In diesen Märztagen erscheint ihm Oesterreichs Theilnahme am Kriege nahe bevorstehend[160]. Er schildert den tiefen Eindruck, den die Ereignisse in Breslau auf die Oesterreichische Regierung und die öffentliche Meinung machen[161]. „Es ist schwer zu schildern, mit welcher Theilnahme [134] und welcher Freude das hiesige Publikum alles begrüsst, was in diesem Augenblick von Preussen kommt, und wie sehr es der Weisheit und Energie Gerechtigkeit widerfahren lässt, welche sich in allen unseren jüngsten Verfügungen offenbart, wie der Begeisterung und der Vaterlandsliebe, mit welcher die ganze Nation die edlen und wohlwollenden Absichten Ew. Majestät unterstützt. Graf Metternich hat nur mit den grössten Lobeserhebungen von der Note an den Herzog von Bassano und von dem gedruckten Aufruf an das Volk gesprochen und den Gedanken der Stiftung des Eisernen Kreuzes ebenso schön als neu gefunden“. Er glaubt jetzt überzeugt sein zu dürfen, dass an der Wahrheit der Zusicherungen des Wiener Hofes kein Zweifel gestattet sei, dass er nicht aufhöre, ernstlich auf dasselbe Ziel wie die verbündeten Mächte gegen Frankreich hinzuarbeiten; er lobt die rege Thätigkeit für die Finanzen und die Organisation des Heeres. Er theilt Aeusserungen Metternich’s mit, Oesterreich sei Frankreich gegenüber schon so compromittirt, dass ihm Schlimmeres gar nicht mehr begegnen könne; die Oesterreichische Regierung sei der Französischen gegenüber weiter gegangen, als sie zum voraus verheissen, und nie einen Schritt rückwärts, was ihm Humboldt bestätigt; auf seine Frage, ob Oesterreich diesen Gang auch einhalten würde, wenn die verbündeten Heere eine Schlappe erlitten, erklärt Metternich, das würde die Kriegsrüstungen beschleunigen, und Humboldt glaubt ihm, allerdings aus der Erwägung, dass Oesterreich von Napoleon’s Rachsucht alles zu fürchten hätte, wenn er den vereinigten Anstrengungen der Verbündeten mit Erfolg widerstände[162].

Humboldt zeichnet nun nicht mehr als accreditirter Minister[163], aber das Verhältniss bleibt natürlich nach wie vor das gleiche. Er drängt jetzt sehr, den Anschluss der kleineren Deutschen Staaten zu betreiben; er will, man solle Baiern einen Theil seiner neuen Besitzungen zusichern[164], aber Drohung und Furcht damit verbinden, wie es einer Macht gegenüber, [135] die die erste Ursache des Unglücks Deutschlands gewesen sei, zukäme. Bekanntlich schloss Oesterreich mit Baiern ein Bündniss und verhandelte auch mit Sachsen. „Es ist ausserordentlich kostbar für die gemeinsame Sache“, schreibt Humboldt, „von Frankreich allmählich die Fürsten abwendig zu machen, deren es sich bisher geschickt bedient hat, auf die grossen Mächte zu drücken“. Er bedauert, dass diese Unterhandlungen allein von Wien aus geführt werden, wenn auch Metternich den alliirten Mächten Mittheilung davon mache[165]; es wäre dringend nöthig, dass die drei Höfe sich über die Grundsätze, die diesen Staaten gegenüber einzuhalten seien, einigten; die Detailsfragen müssten für jetzt bei Seite gelassen werden, denn mancher Punkt, der bei einem vorgängigen Arrangement Schwierigkeiten böte, würde durch den Gang der Ereignisse in der Folge erledigt werden. An Hardenberg’s Entgegenkommen lag es gewiss nicht, wenn diese Wünsche unerfüllt blieben, sondern an den Schwierigkeiten, die Metternich machte[166].

Die Hauptfrage blieb aber immer: Wie stehen die Verhandlungen Oesterreichs mit Frankreich? Epochemachend im Gange derselben war die Sendung des Fürsten Schwarzenberg nach Paris, oder besser, seine Instruction[167] vom 28. März. Sie schildert die jüngste Vergangenheit seit Beginn der Revolutionskriege und die gegenwärtige Lage, wie sie durch das Bündnis Preussens mit Russlands – „unvermeidliche Folge der Leiden ohne Zahl, deren Beute diese Monarchie seit 1806 geworden ist, und des Ganges des Krieges von 1812“, – entstanden ist, die Position der vier Mächte, von denen Frankreich und Russland geschützte Grenzen haben, Oesterreich und Preussen als centrale Mächte auf allen Seiten den Angriffen ihrer Nachbarn ausgesetzt sind; daher entsteht die innigste Interessengemeinschaft zwischen ihnen. [136] „Ohne Rivalität unter sich, verknüpft durch die vollkommene Aehnlichkeit ihrer politischen Lage kann es natürlichere Beziehungen kaum geben als die, welche seit der rastlosen Vergrösserung Frankreichs und seit den Ereignissen des letzten Feldzuges, deren nothwendige Folge das Gefühl der Unverwundbarkeit Russlands war, zwischen Oesterreich und Preussen bestehen“, und „wenn Oesterreich mitwirkte zur Zerstörung der zweiten Mittelmacht, so würde es ohne Frage sein eigenes Todesurtheil unterzeichnen.“

Metternich theilte dieses Schriftstück Humboldt und Stackelberg mit; der Preussische Gesandte machte aus seiner Befriedigung darüber kein Hehl und benutzte die Mittheilung dann zu einer längeren vortrefflichen Ausführung[168]. Er findet in der Instruction als Hauptsache die Darlegung eines Systems des Gleichgewichts in Europa, das man neu nennen kann, da es alles Schwankende und Willkürliche ausschliesst. „Fast ganz gegründet auf der geographischen Lage der Staaten beschränkt es sich weise auf diejenigen, die in solchen gegenseitigen Beziehungen sich befinden, dass ihr Wohlbefinden und ihre Existenz selbst davon abhängig sind, und trägt in sich selbst die Garantie einer dauerhaften Ruhe von dem Augenblick an, dass es verwirklicht wird. Als unbestrittene Thatsache, durch die doppelten Erfahrungen der ersten Coalitionen gegen Frankreich und des letzten Feldzugs bewiesen, stellt es den Beweis hin, dass Russland und Frankreich niemals mit Erfolg in ihrem Innern angegriffen werden können, schliesst daraus die Nothwendigkeit der Stärke und Unabhängigkeit der beiden centralen Mächte und der anderen kleinen dazwischenliegenden, und bildet aus ihnen eine Masse, die noch die allgemeine Ruhe sichern kann, wenn selbst Interessen, weniger eng verbunden mit dem Centralpunkt, Sonderkämpfe entstehen lassen könnten. Aus dem Grunde schliesst auch Metternich aus seinem Exposé die Pforte und Spanien aus. Er führt selbst die Gründe dafür an; aber es scheint mir auch klar, dass England angesichts seiner Beziehungen zu Frankreich und seiner überseeischen Besitzungen ein anderes System bildet, zu dem Spanien hervorragend gehört; ebenso würde Russland ein drittes gegenüber den Asiatischen Staaten bilden, wenn sie civilisirt [137] genug wären, um die Anwendung politischer Grundsätze auf ihre Beziehungen zuzulassen. Das einzig wahre Mittel, diese politischen Systeme, die einander nicht fremd bleiben können, zu vereinigen, ist, dass man sie trennt und ihre unmittelbare Thätigkeit auf die natürlichen Grenzen ihrer individuellen Lage beschränkt. Denn auch in der Politik richtet sich natürlich jede Massregel genau nach dem Grade des Interesses, den ihr Gegenstand einflösst. Diese Reflexion scheint mir nothwendig, um den wahren Gesichtspunkt zu bestimmen, unter den das Wiener Cabinet die Spanische Frage stellt, die gewiss eine der ersten sein wird, die der Londoner Hof wird behandeln lassen wollen. Metternich betrachtet sie nicht als eigentlich Oesterreichische Frage und als solche, die zu dem Kreise gehört, in dem man sich jetzt halten muss; aber er scheint mir sehr weit entfernt von Gleichgültigkeit bei ihrer Lösung zu sein; wie er auch keinen Zweifel lässt, dass sie ganz Europa das lebhafteste Interesse einflösst. Der Fundamentspunkt dieses so entwickelten Systems ist die enge und unwandelbare Verbindung, die durch Ew. Majestät und den Kaiser Franz so glücklich geknüpft, gekittet durch Beweise des Vertrauens, wie sie vielleicht niemals in so überzeugender Weise zwischen zwei Höfen ausgetauscht worden sind und ausser auf den persönlichen Gefühlen der beiden Souveräne gegründet ist auf die natürlichen Beziehungen ihrer Staaten und mindestens seit 1809 auch auf die Wünsche und die gegenseitige Zustimmung der beiden Nationen. Diese Verbindung sichert Deutschland eine um so grössere Kraft des Widerstandes, als von welcher Seite, sei es von Französischer, sei es von Russischer, der Angriff kommen möchte, es dem Angreifer immer gleich schwer sein würde, zur selben Zeit den Norden und den Süden zu überziehen. Ich glaube überhaupt, dass Preussen in keinem politischen System jemals so vortheilhaft gestellt werden könnte als in dem, welches in der Instruction für den Fürsten Schwarzenberg entwickelt ist. Der Mittelpfeiler dieses Systems ist Deutschland; in Deutschland selbst ist Preussen mit Oesterreich vollkommen gleich gestellt; seine Existenz, seine Unabhängigkeit, der Machtumfang, den jene wie diese erheischt, sind unmittelbar verknüpft, und zwar als unabweisbare Vorbedingung, mit der Möglichkeit der Ruhe und des Wohlergehens für ganz Europa. Dieses System aufstellen, es vor Frankreich ganz klar und positiv [138] bekennen, erklären, dass es allein einen dauerhaften Frieden stiften kann, und sagen, dass Oesterreich sein ganzes Gewicht in die Wagschale werfen werde, um auf solcher Grundlage Frieden zu schliessen, wie es in dieser Instruction geschehen ist – das heisst ohne Frage, Preussen die allerstärkste Bürgschaft der eigenen Gesinnung geben und mächtige Beweggründe der Sicherheit für alle Wechselfälle, welche die Ereignisse herbeiführen könnten. Denn der Wiener Hof wird von diesen Grundsätzen, welche aus seinen eigenen Lebensinteressen entspringen, nie abgehen wollen, und da diese Grundsätze sich mit denen unseres Bündnissvertrages mit Russland im vollsten Einklang befinden, so umfasst er damit auch diese Allianz.“

Die Hauptbürgschaft für diese Stellungnahme Oesterreichs sah Humboldt in dessen eigenem Interesse, nur vermisste er in der Instruction die bestimmte Erklärung, dass der Kaiserstaat zum Kriege schreiten würde, wenn Napoleon sich weigere, die Opfer zu bringen, die das Programm des Oesterreichischen Cabinets erfordere. Er fürchtete, Napoleon könne zum Schein Nachgiebigkeit zeigen, um Oesterreich von den Verbündeten zu trennen. Auf diese Befürchtung Humboldt’s entgegnete Metternich, „dass sein Staat zu einem unmittelbaren Bruch militärisch und finanziell noch nicht vorbereitet sei, eine scheinbare Nachgiebigkeit seitens Frankreichs werde den Gang seines Hofes ebenso wenig irre machen als ein Unglück, das vor Auftreten der Oesterreichischen Armee die verbündeten Heere treffe; das letztere werde die Rüstungen Oesterreichs nur beschleunigen und den Nachdruck seiner Sprache und Handlungsweise nur verstärken. Eine Unterhandlung würde überhaupt nur beginnen, wenn Napoleon vollständig und ohne Rückhalt die fraglichen Grundlagen durch Unterzeichnung wirklicher Präliminarartikel annehme.“

Die Zeit, da Humboldt seinen Gesandtschaftsposten als Ruhestätte für wissenschaftliche Arbeiten betrachten durfte, war längst vorbei. Wien war jetzt der Mittelpunkt des lebhaftesten Interesses der Staatsmänner, und mit fieberhafter Spannung erwartete man die dortigen Nachrichten. Zu Humboldt’s Thätigkeit gehörte vor allem, auch das dortige Cabinet über die Russisch-Preussische Convention vom 19. März und Kutusov’s Aufruf an die Deutschen, Kalisch den 25. März[169], zu beruhigen, die nicht [139] verfehlt haben, Metternich’s Argwohn und Bedenken zu erregen. In einem interessanten Schreiben an Hardenberg[170] erwähnt er das Missvergnügen des Wiener Cabinets über die Vorgänge in Kalisch, besonders über die Art, die Deutschen Angelegenheiten zu behandeln. Metternich wünscht, dass Preussen dort mehr den Ton angebe und den entscheidenden Einfluss ausübe; und wer möchte dies nicht mit ihm wünschen? Das Arrangement vom 19. März gibt Humboldt zu vielen Bedenken Anlass. „Die Art, eine fremde und uniforme Verwaltung in allen verschiedenen Provinzen einzurichten, die Theilung von Norddeutschland in Sectionen, das Fernhalten der Provinzen von der Verwaltung, der Artikel von der Theilung der Revenuen zwischen Preussen und Russland[171], wird das alles in Deutschland gut aufgenommen werden, wird es nicht vielmehr bei Fürsten und Völkern Verdacht erregen? Wird es besonders klug sein, es vorher und allgemein anzukündigen? Es ist ja natürlich und niemand könnte es tadeln, dass ein Heer, das eine Provinz besetzt, deren Herr sich nicht für seine Sache erklärt, alle Revenuen für sich benutzt. Metternich wie der Kaiser haben in der Betrachtung dieser Dinge die gleiche Art. Er fürchtet immer besonders, dass man die Völker nur nicht zu sehr errege, und er fürchtet, kurz, alles was von Stein herzurühren scheint. Sie sind in der That zwei zu entgegengesetzte Charaktere, um sich jemals verstehen zu können. Es sind eben auch zwei ganz verschiedene Arten, die Dinge anzusehen, hier und in Kalisch. Alle rein liberalen Ideen finden unglücklicherweise hier keinen Eingang, und während man dort von der Befreiung Deutschlands und Europas spricht, liebt man hier nur von politischen Systemen, von Grossmächten zu sprechen, und nennt Deutschland selbst selten. Ich bin weit entfernt, das hier zu billigen, aber ich wage zu sagen, dass, wenn ich den Geist der uns von den alliirten Heeren zukommenden Schriftstücke betrachte und das Ziel erwäge, die Fürsten Deutschlands zum Kampfe zu gewinnen, ich mehr der Art die Dinge anzusehen zuneige, die man hier adoptirt hat. Ich halte es hier für meine Pflicht, diese Verschiedenheit auszugleichen und zu beweisen, dass man im Grunde doch vollständig einig ist über [140] das Ziel und die Resultate. Doch muss man gewiss sorgfältig vermeiden, dass ein Theil Deutschlands aus den Russischen Massregeln Verdacht schöpfe und sich ausschliesslicher an Oesterreich anschliesse; in diesem Betracht könnte nichts so hilfreich sein als ein stark betonter Einfluss Preussens, welches als rein Deutsche Macht von den Deutschen immer mit Vertrauen wird aufgenommen werden.“ Auch in dem amtlichen Bericht vom gleichen Tage kommt er auf den Wittgenstein’schen Aufruf[172] zu sprechen, meldet das missliebige Aufsehen, das er in Wien gemacht, und die Beschwerden und Reclamationen, die sich daran geknüpft, tadelt den Mangel an Würde, die sich in solchen Schriftstücken immer finden müsste, und an Verschiedenheit für die einzelnen Provinzen. Die Landschaften, die noch unter ihren legitimen Herren stehen, müssten ganz anders als die anderen behandelt werden. Er wünscht dringend besondere Unterhandlungen Preussens und Russlands mit Sachsen, wenn nöthig, unter offener Trennung von Oesterreich, wenn auch eine Uebereinstimmung über die Principien in diesen Fragen mit dem Wiener Cabinet nützlich und im ganzen wohl vorhanden sei. Die Russische Politik erscheint ihm überhaupt nicht tadelfrei. Das Petersburger Cabinet verlange vom Wiener Hof, er solle die Illyrischen Provinzen besetzen und Napoleon einen Zeitpunkt für seine Erklärung bestimmen. „Eine Macht vor den Kopf stossen, wenn man gegen sie weder Gewalt brauchen will noch kann, ist nie sehr klug, und was man vom Wiener Hofe fordert, ist ganz unmöglich. Er hat keine Truppen bereit, Illyrien zu besetzen, und Napoleon eine Frist zu bestimmen, wäre thöricht, ehe man in Böhmen die Truppen concentrirt hat. Es ist traurig, dass dem so ist, wenig entschuldbar für die Regierung, und ich habe, seit ich hier bin, das Ministerium immer getadelt, dass es nicht daran denkt, eine imposante Haltung einzunehmen[173], [141] aber das ist einmal so, und man muss damit rechnen. Das einzige, was jetzt zu thun bleibt, ist Oesterreich zu drängen, da zu einem vernünftigen Frieden keine Möglichkeit mehr ist, sich gegen Frankreich deutlich, klar und schnell zu entscheiden und die Truppen in Böhmen zu concentriren.“

Eine zweite, für Humboldt sehr dringende Sorge war das Verhältniss zu den Süddeutschen Staaten, mit denen zu verhandeln Russland dem Wiener Hof überlassen hatte[174]. Dass sie neutral blieben, hielt er für unmöglich und rieth dringend, mit Oesterreich sich darüber zu verständigen, da alle diese Fragen eng mit einander verbunden seien. Ueber die Verderblichkeit der Neutralität der Rheinbundstaaten sprach er sich auch Metternich gegenüber[175] mit voller Deutlichkeit aus, und Hardenberg schrieb zustimmend an den Rand des Berichtes: jamais. Hätte sich Oesterreich schon erklärt, meint Humboldt, so wäre die Sache weniger gefährlich, besonders wenn die Neutralität hindere, dass jene ihre Contingente, wie gefordert, mit der Französischen Armee verbinden. Aber diese Union der Süddeutschen Staaten mit Oesterreich, über die dieses fortwährend unterhandle, würde eine so imposante Masse bilden, dass das Wort Neutralität, selbst nur augenblickliche, etwas Beunruhigendes habe. Uebrigens scheint ihm diese ganze Verhandlung unnöthig, da Baiern und Württemberg sich doch nicht ohne Oesterreich erklären würden, und für Sachsen wäre die Neutralität nur nützlich im Falle eines Rückzugs der alliirten Heere, denn so lange sie im Lande seien, werden sie schon von selbst verhindern, dass man dort etwas für den Feind thue. Humboldt suchte[176] vergeblich Metternich zu schärferem Auftreten gegen den König von Sachsen zu bewegen; er verlangte, man solle ihn verhindern, die Oesterreichischen Staaten zu verlassen, aber der König sei abgereist. „Durch diesen Schritt“, sagt Humboldt, „verliert er auch den letzten Anspruch auf Milde seitens der Alliirten; ihre Sache wird siegreich aus diesem blutigen Kampfe hervorgehen, wenn sie mit Festigkeit und Ausdauer, wie es unfehlbar geschehen wird, durchgeführt wird, und dieser Fürst wird allzuspät bereuen, gegen [142] seine Pflicht als Deutscher Fürst, gegen den einmüthigen Wunsch seiner Armee und seiner Unterthanen den grausamsten Feinden unseres Vaterlandes treu geblieben zu sein“. Wie viel Sorgen sollten die beiden Staatsmänner, Hardenberg und Humboldt, noch um Sachsens willen durchmachen! Denn auch Hardenberg beschäftigten die Fragen nach der Zukunft Deutschlands nicht minder als jenen, und er hatte, um sie zu besprechen, am 11. April Metternich eine Zusammenkunft vorgeschlagen[177]. Er wünschte, wie er an Humboldt schrieb[178], dessen Anwesenheit dabei, theilt ihm auch mit, er habe dem Zaren seine Berichte gezeigt, die dieser vortrefflich, besser als die seines Gesandten fände, und entband ihn von der Correspondenz mit Goltz in Berlin. Wie Humboldt vorausgesehen hatte[179], lehnte Metternich die Zusammenkunft ab.

Die Spannung und Erregung jener entscheidenden Wochen des April und Mai kommt selbst unter der kühlen Oberfläche der diplomatischen Berichterstattung zum Ausdruck. Fast täglich sendet Humboldt jetzt Depeschen ab. Warnt er auch immer, Oesterreich nicht zu verletzen, hält er auch immer daran fest, schliesslich werde es doch die Waffen erheben, so vermag er doch seine Ungeduld, seine Verstimmung über die Zögerung, ja auch noch einmal seine Besorgniss nicht ganz zu verhehlen.

Aber die Entscheidung rückte näher. Das Oesterreichische Hilfscorps unter Frimont in Polen zog sich zurück, und Metternich erklärte[180] dem Französischen Gesandten Narbonne, sein Kaiser sei im Begriff, die einzige diplomatische Haltung, die ihm noch übrig bliebe, die des bewaffneten Vermittlers, anzunehmen. Humboldt ist nicht sehr erbaut davon. „Diese bewaffnete Vermittlung,“ meint er[181], „selbst als Form und als momentane Massregel, gibt in Wahrheit noch Raum für einige Zweifel und schliesst keineswegs jede Unruhe aus“. Einen Trost findet er darin, dass Oesterreichs eigene Interessen den Kampf fordern, und dass es jetzt kaum mehr zurück kann. Freudig meldet er am 21. April: „Die Sachen sind hier ihrer Lösung nahe“, aber wenige Tage später schreibt[182] er an Hardenberg: „Der totale [143] Bruch mit Frankreich wird eintreten, aber erst in vier oder fünf Wochen. Eine Discussion darüber, ob der Wiener Hof nicht hätte anders handeln können, ist jetzt müssig; jedes Ermahnen, jedes Drängen, von seinem Wege abzugehen und die schon concentrirten Truppen ungesäumt gegen die Franzosen marschiren zu lassen, wäre vergeblich; jedes Missvergnügen über die Langsamkeit der Bewegung, woran die innere Lage die Schuld trägt, wäre schädlich. Auf militärischem Gebiete herrscht grosse Thätigkeit, und Oesterreich würde sich ja andernfalls der grössten Gefahr aussetzen, nachdem es Napoleon gegenüber so weit gegangen ist. Die Forderungen Frankreichs[183] werden hier den Gang beschleunigen, aber es ist kein Zweifel, dass der Beginn des Feldzuges ohne Oesterreichs Mitwirkung stattfinden wird, doch für die Fortsetzung kann man sicher auf seine Theilnahme rechnen. So traurig das erste, so tröstlich ist das letztere. Der gegenwärtige Krieg kann ja doch nicht durch einen oder mehrere Schläge beendet werden. Er wird auch nicht zu Ende sein, selbst wenn die alliirten Heere zu einem momentanen Rückzug gezwungen würden, und er würde es auch nicht sein, wenn die Franzosen über den Rhein zurückgingen. Bei der Natur dieses Kampfes ist eine zögernde Hilfe auch werthvoll, und vielleicht ist es besser, wenn die Oesterreichischen Truppen als Reserve bleiben, bis sie zum Eingreifen besser bereit sind als jetzt. Für’s erste müssen die beiden alliirten Höfe sich vorbereiten, allein vorzugehen, aber jeden möglichen Vortheil von Oesterreich zu haben. Das würde hier vortrefflichen Eindruck machen, der Muth würde wachsen, und man sähe sich hier durch das Vertrauen auf demnächstige Hilfe noch mehr verpflichtet. Und das Vertrauen wird gerechtfertigt werden; wozu hätte Oesterreich sonst einen wahren Bruch mit Frankreich herbeigeführt, wenn es nicht unwiderruflich Partei ergriffen hätte? Man setzt hier als entscheidenden Zeitpunkt den 24. Mai, da die Truppenzusammenziehung in Böhmen vollendet sein wird.“

Diese Gedankengänge, die mit Recht stets Oesterreichs Interesse als Hauptargument verwerthen, wiederholt er mehrfach und betont die Schwierigkeiten, die Metternich zu überwinden hat. „Wenn man die Organisation der ganzen Verwaltungsmaschine [144] hier betrachtet“[184], schreibt er, „den Zustand der Finanzen und des öffentlichen Credits, die Furcht, die alle grossen Eigenthümer vor einer feindlichen Invasion haben, und den Charakter des Kaisers, der die grossen Erschütterungen und gefährlichen Krisen fürchtet und aus seinem Zustand der Ruhe und des Friedens nicht herausgehen würde, als wenn er sich absolut dazu gezwungen sähe, so versteht man, welche Schwierigkeiten sich dem entgegengestellt haben, der an der Spitze der politischen Geschäfte steht, um dazu zu gelangen, das Wort ‚Krieg‘ auszusprechen.“ Er verhehlt sich nicht, dass, wenn man alle Details der gegenwärtigen Führung des Wiener Hofes prüft, man noch Dinge entdeckt, die entweder schwer zu erklären sind, oder Misstrauen erwecken können. Er wiederholt das oben Erwähnte über Oesterreichs spätere Theilnahme und die Nothwendigkeit, sich mit dem Wiener Cabinet über alle Fragen zu verständigen, und schliesst mit der merkwürdigen Prophezeiung: „Denn wenn selbst, wie ich hoffe, der Erfolg der verbündeten Heere den Krieg sehr abkürzen wird, so werden die Arrangements, die nachher folgen werden, und die uns für’s erste nicht erlauben werden, unsere Waffen niederzulegen, die vollkommenste Uebereinstimmung zwischen den alliirten Mächten und dem Wiener Hof erfordern.“ Humboldt glaubte an den Sieg, aber er sah die Kämpfe, die den Congress erfüllten, voraus.

Am 1. Mai schrieb Humboldt diese Worte nieder, am Tage darauf fand die Schlacht bei Gross-Görschen statt, und der Rückzug der Verbündeten nach der Lausitz erfolgte. Eine Depesche Humboldt’s vom 5. Mai fiel den Franzosen in die Hände; zwischen Dresden und Pirna war, wie er später erfuhr[185], der Courier abgefangen; es waren ihm ausser dieser Depesche Humboldt’s, die nach seinen eigenen Angaben nichts Wesentliches enthielt, drei des Russischen Gesandten, Grafen Stackelberg, alle vier chiffrirt, abgenommen worden. Er erfuhr auch, dass Napoleon Narbonne gegenüber nur die Stackelberg’schen erwähnt habe, dagegen verlautete andererseits[186] eine Aeusserung Napoleon’s, er hätte aus den Berichten beider Gesandten Metternich’s Doppelzüngigkeit erfahren. [145] Auch eine zweite Depesche Humboldt’s, die Graf Stadion in’s Hauptquartier mitnahm[187], fehlt bei den Acten.

Am 7. Mai hatte man in Wien die ersten Nachrichten über die Schlacht, aber von verbündeter Seite, und am folgenden Tage ging Graf Stadion in’s Hauptquartier mit den Bedingungen, die Metternich als Grundlagen des Friedens aufgestellt hatte[188]. Als der Rückzug bekannt wurde, bestürmte[189] Humboldt Metternich von neuem. Er stellte ihm vor, dass der Augenblick unendlich kritisch sei; die Gefahr könne nahe sein, und Energie und Klugheit müssten verdoppelt werden. Er stellt ihm Oesterreichs eigene Gefahr vor und gewinnt den Eindruck, dass trotz des Bedauerns, mit dem Metternich den momentanen Rückzug gesehen, wirksam auf den Wiener Hof gerechnet werden dürfe. Er dränge Metternich zu einer offenen Erklärung und zu einem Bruch mit Frankreich; man dürfe nicht zulassen, dass Napoleon die Nothwendigkeit, sich kategorisch zu erklären, bei Seite schiebe; man müsse ihm offen sagen, dass Oesterreich als bewaffneter Vermittler nicht eine Macht, mit der es sich vielleicht verbinden werde, schwächen lassen dürfe, und müsse drängen zu wissen, woran man sei. Er wünscht jetzt, dass beide Alliirte gemeinsam Schritte thun, um den Oesterreichischen Hof zur definitiven Entscheidung zu bringen. In der That entschloss man sich im Hauptquartier, Scharnhorst nach Wien zu senden[190]. Metternich erwarte ihn mit Ungeduld, schreibt[191] Humboldt unmittelbar nach Empfang der Nachricht, und zwei Tage später schildert[192] er Metternich’s lebhafte Unruhe, dass die Alliirten durch den augenblicklichen Nachtheil nur nicht aus ihrer Fassung gebracht werden, und dass es hier an positiven Daten fehle, um den Feldzugsplan und die Haltung zu beurtheilen, welche die Armee nach ihrem Rückzug auf das rechte Elbufer nehmen müsse und könne. Er schlägt zweierlei vor: kenne Scharnhorst den Plan, so werde er hier Mittheilung machen, sonst solle man schleunigst Stadion und ihn darüber informiren. Die Höfe sollten einen positiven Schritt bei Kaiser Franz thun, detaillirt und [146] vertrauenerweckend auseinandersetzen, welches Ziel man durch den Rückzug erlangen, und welche Position man nehmen wolle; ihm zeigen, dass trotz dieses Ereignisses die combinirte Armee nur einen materiellen Verlust an Menschen zu beklagen habe, dass sie aber im übrigen intact sei, in Schlachtordnung vereinigt und furchtbarer als vorher durch ihre Stellung näher den Hilfsquellen und durch ihre Verbindung mit den Reserven; man solle die Versicherung wiederholen, welches auch die Chancen und Ereignisse des Krieges sein werden, keiner der beiden Souveraine würde jemals von den einmal unveränderlich festgestellten Grundsätzen abgehen, beide würden ihre Kräfte verdoppeln, um ihre gerechte und gute Sache zum Ziele zu führen, und fern zu glauben, dass sie sich die Last des Krieges durch die Hilfe Oesterreichs erleichtern könnten, würden sie sich um so mehr verpflichtet glauben, durch die grössten Anstrengungen ihrerseits sie wirksam zu unterstützen. Man solle Oesterreich nicht drängen, aber erinnern, dass es seine Hilfe immer versprochen habe, besonders für den Fall militärischen Unglücks, und Vertrauen in seine Treue zeigen. „Es gibt eine Art Vertrauen auszudrücken, welche den verpflichtet, der das Vertrauen eingeflösst hat, und dieser Art muss man sich bedienen.“ In einem eigenhändigen Billet vom selben Tage spricht er Hardenberg sein Bedauern aus über die schweren Sorgen und Mühen, die dieser in jetziger Zeit zu tragen habe.

Als er die Nachricht erhält, dass Scharnhorst erkrankt sei, bittet[193] er, Gneisenau zu schicken. Er versichert[194], die Intentionen des Wiener Hofes seien ganz die gleichen geblieben, aber er mahnt daran zu denken, dass alle Schritte Oesterreichs immer die deutlich sichtbare Tendenz zum Frieden hatten, und wenn auch die alliirten Höfe von gleichem Wunsche beseelt waren, so sei in der Auffassung beider doch ein Unterschied. Diese waren überzeugt, dass nur ein kräftiger Krieg zu dem Ziele führen könne, während jenes sich geschmeichelt habe und noch schmeichle, dass die blosse Entfaltung seiner Kräfte Napoleon zur Rückkehr veranlassen und genugthuende Verhandlungen herbeiführen würde. Er hielt noch nicht alle Gefahr für ausgeschlossen, dass Oesterreich ohne Kampf zum Frieden kommen [147] würde, selbst unter weniger günstigen Bedingungen, wenn sie nur dem Uebergewicht Frankreichs gewisse Grenzen setzten. Er fügt zwar an Hardenberg vertraulich hinzu, dass sein etwas beunruhigender Bericht nur von der Vorsicht dictirt sei, und da indess schon Stadion’s Berichte[195] mit den nöthigen Mittheilungen über den Kriegsplan in Wien eingetroffen waren, lauteten seine Aeusserungen wieder zuversichtlicher, aber er wünscht doch sehr[196], Scharnhorst möchte nach Wien kommen, wenn er seiner Wunde wegen bei der Armee ohnedies nicht bleiben könne, und nicht bloss, wie Metternich wolle, mit Schwarzenberg in Böhmen zusammentreffen.

Inzwischen war die Schlacht bei Bautzen geschlagen. Graf Bubna war aus dem Hauptquartier Napoleon’s zurückgekehrt (22. Mai) und hatte die Nachricht gebracht, dass dieser der Berufung eines Congresses zustimme[197] und zu einem Waffenstillstand bereit sei. Humboldt bedauert, dass Oesterreich kein Ultimatum gestellt habe und nicht stellen werde, ohne Napoleon’s Ideen zu kennen. Mit den Grundlagen[198], die Russland und Preussen vorgeschlagen haben, erklärt er sich zufrieden, will allenfalls Napoleon noch die Aussicht oder das Anerbieten auf Compensation oder Restitution der Französischen Colonien machen, sonst fürchtet er, werde jener nicht zustimmen. Er sieht noch grosse Schwierigkeiten zu überwinden, zumal solange die Französischen Heere noch nicht zurückgedrängt werden konnten. In kurzer Zeit seien die Unterhandlungen nicht zu beendigen, jeder Tag aber bringe den Nachtheil, dass die Französische Armee sich in Deutschland ausrüsten und organisiren könne, während unsere Heere sich in der Heimat oder ihr nahe befänden. Und wer möchte sich dafür verbürgen, fragt er, dass Napoleon nicht brüsk die Unterhandlungen abbricht und mit einer weit besseren Armee als die seine jetzt ist, die Feindseligkeiten wieder beginnt? Er verhehlt seine Befürchtungen nicht, dass Oesterreich mehr daran denke, durch den Frieden der Fortsetzung eines Krieges zuvorzukommen, dessen Erfolg ihm ungewiss erscheint, als durch den Krieg selbst Napoleon zum Frieden zu zwingen. Was er thun [148] könne[199], thue er, um auf Metternich zu wirken. Er zeige ihm, wie darin die Garantie des Gelingens liege, dass die Alliirten für die Ruhe Europas, Napoleon für seinen Ehrgeiz kämpfe; er erinnert den Leiter der Oesterreichischen Politik an seinen eigenen Ruhm und an das Urtheil der Nachwelt. Metternich habe ihm positiv versichert, bis zum 15. Juni müsse der Frieden fertig sein oder Oesterreich würde sich im Kriege befinden. Jetzt müsse die ganze Thätigkeit darauf gerichtet sein, dass Oesterreich nicht auf ungenügender Grundlage die Verhandlungen beginne, da es auf der Preussisch-Russischen Forderung nicht bestehe. Er ist durch eine Unterhaltung mit Metternich unruhig geworden[200]. Dieser habe ihn gefragt, ob der König den Krieg fortsetzen würde, wenn er das ehemalige Südpreussen und einen Theil der Provinzen jenseits der Elbe mit Magdeburg bekäme, wenn auch Hamburg und die 32. Militär-Division noch bis zum allgemeinen Frieden bei Frankreich blieben. Er habe eine positive Antwort abgelehnt, aber sich der Idee widersetzt, von der Rückgabe dieser Deutschen Provinz abzusehen und diesen wichtigen Punkt bis zu einem allgemeinen Frieden zu vertagen. Metternich habe dann seine Aeusserungen zurückgezogen und gemeint, er habe nur ein Beispiel anführen wollen, wie viel verschiedene Fragen beim zukünftigen Frieden auftauchen würden. Er räth, dass Preussen und Russland sich über die unumgänglichen Bedingungen einigen und warnt vor zu grossen Hoffnungen; aber von den Punkten, die Deutschland betreffen, dürfe man nichts ablassen, und man müsse auch Oesterreich gegenüber eine feste Sprache führen.

Er fürchtet überhaupt, dass die Herstellung Preussens namentlich in Polen gesucht werden wird. Ja, er scheut sich nicht zu rathen[201], wenn Oesterreich nur im geringsten von seinem Wege abweiche, solle man die Möglichkeit sehen lassen, dass es isolirt ohne die andern Mächte seinen Frieden machen möge. So schlimm das für Deutschland und ganz Europa wäre, seinen Eindruck würde es hier nicht verfehlen. Seine Hoffnung aber bleibt, dass auch die beschränkten Bedingungen Oesterreichs von Napoleon nicht angenommen werden und dasselbe zum Kriege werde schreiten müssen. Bei der Mittheilung[202] der Oesterreichischen [149] Bedingungen: Abtretung des Herzogthums Warschau, Vergrößerung Preussens in dem Masse, dass es die Unabhängigkeit und Kraft erlange, um als Zwischenmacht das Gleichgewicht Europas aufrecht zu erhalten und analoge Vergrösserung Oesterreichs, setzt er hinzu: Vergrösserung ist ein wenig bestimmtes Wort, leichter ist festzustellen, was die Ruhe einer Macht sichern kann. Die Preussens hängt vom Besitz Magdeburgs, der Unabhängigkeit Hamburgs, und der Verhinderung, dass Napoleon das rechte Elbufer überschreite, ab. Er begleite die bevorstehenden Unterhandlungen mit seinen besten Wünschen; das Glücklichste wäre, wenn sie scheiterten und Oesterreich in den Krieg zöge.

Schon am 27. Mai hatte Humboldt die bevorstehende Abreise des Kaisers und Metternich’s gemeldet und angefragt, ob er, da in Wien dann nichts mehr zu thun sei, in’s Hauptquartier kommen solle? Als er von Metternich erfuhr, dass dieser ihn durch Stadion zum Preussischen Bevollmächtigten beim Congress erbeten habe, schrieb[203] er an Hardenberg, er wünsche nicht damit beauftragt zu werden, wenn er es nur der fremden Insinuation verdanke. Hardenberg aber berief ihn[204] am 4. Juni in’s Hauptquartier. Humboldt dankte, dass es ihm vergönnt sein werde, einige Wochen mit Hardenberg zu verleben und zu den wichtigen Arbeiten, die jetzt beginnen, zugelassen zu werden. Am Abend des 7. Juni reiste er ab, nachdem er die Geschäfte seinem Legationsrath Piquot übergeben hatte. Seine Wiener Gesandtschaft hatte ihr vorläufiges Ende erreicht.

Wie lautet nun das Urtheil über Humboldt’s Thätigkeit in diesen Jahren? Ein Gesandter hat die Politik des heimischen Hofes zu vertreten; in der ersten Epoche bediente sich, wie wir sahen, Hardenberg dazu andrer Personen und Mittel; in der zweiten Epoche aber befand sich Humboldt in Kenntniss der Absichten seines Ministeriums und vertrat sie mit Eifer, Wärme und Erfolg, soweit der letztere überhaupt möglich war. Oesterreich unmittelbar in den Krieg zu treiben, wäre keiner Macht der Erde möglich gewesen, weil der Kaiserstaat erst Mitte 1813 dazu die Mittel hatte, und weil auch zweifellos Oesterreichs Interessen eine Betheiligung früher kaum erlaubten, ehe es über Russlands Zuverlässigkeit Sicherheit gewonnen hatte.

[150] Die zweite Seite der Gesandtenthätigkeit geht auf die Beobachtung der innern und äussern Vorgänge seines erreichbaren Bezirks; von Humboldt’s eifriger Thätigkeit dafür legen seine Berichte Seite für Seite Zeugniss ab.

Und so bleibt denn als letzte und wichtigste Frage: hat er die Politik, die Absichten des Hofes, bei dem er accreditirt war, durchschaut?

Metternich’s Politik in den Jahren 1810–13 war bedingt durch die innere Misère des Staats und durch das berechtigte Misstrauen gegen Russlands Tilsiter und Orientalische Politik. Mit Frankreich wünschte er freundlich, aber nicht abhängig zu stehen; der Wunsch, das Europäische Gleichgewicht herzustellen, war gewiss vorhanden, aber man gab sich in Wien nach den Schlägen der letzten Jahre wenig der Hoffnung hin, dass es gelänge, das Uebergewicht Frankreichs zu brechen, zumal dann immer die Gefahr drohte, dass Russlands Suprematie an dessen Stelle träte. Zu Preussen war Metternich’s Verhältniss eine Zeitlang entschieden zweideutig: bis zum Russischen Feldzug sah er diesen Staat als auf den Aussterbeetat gesetzt an. Er glaubte, über kurz oder lang würde Napoleon auch ihn zerstückeln und wollte sich seine Beute daran sichern. Der Untergang der grossen Armee, die innere Kraftentwicklung Preussens und sein Verhältniss zu Russland liessen in Metternich den Gedanken an die Möglichkeit von Preussens Untergang verschwinden, von jetzt an verfuhr er ehrlich, wenn auch in der Deutschen Politik zurückhaltend und hier schon die Schädigungen vorbereitend, die er Preussen auf dem Congress beibrachte.

So gestaltet sich das Bild von Metternich’s Absichten auf Grund des reichlichen, jetzt zugänglichen Materials; im ganzen hat auch Humboldt die Grundzüge des Verhaltens anerkannt, höchstens, wie wir sahen, nahm er in der Zeit vor der Russischen Katastrophe Metternich’s Absichten auf Schlesien zu leicht auf. Seine eigenen Tendenzen hinsichtlich Preussens waren: Unabhängigkeit so lange wie möglich, und innere Consolidirung in der Zwischenzeit; als es unvermeidlich wurde: Allianz mit Frankreich; als es möglich wurde: Abstreifen dieser Fesseln. Dabei war er immer auf’s lebhafteste und, wie die Zukunft zeigt, nicht grundlos besorgt ebenso vor Russlands ausgreifenden Absichten wie um die zukünftige Stellung seines Staats in Deutschland. Wenn er [151] einmal[205] als seine Absicht ausspricht, die richtige Mitte zwischen Skepticismus und Vertrauensseligkeit einzuhalten, so müssen wir gestehen, im ganzen neigte er mehr zum ersteren. Es lag das durchaus in seiner Natur begründet, die kühl, abwägend war, jedem Enthusiasmus fern; er war durchaus Verstandesmensch und liess nie das Gefühl den Verstand überwiegen[206].

Aus dieser persönlichen Art erklärt sich auch die merkwürdige Beurtheilung, die er fand.

Die Franzosenfreunde erkannten sehr wohl, dass er ihr Gegner sei: St. Marsan schrieb an Champagny (19. März 1811[207]): „Schladen und Humboldt werden zur Antifranzösischen Partei gerechnet“ und Fürst Hatzfeld schlägt in seiner Denkschrift vom 6. Januar 1812[208] vor, „Humboldt, den die Intrigue und die Secte dorthin gestellt haben, aus Wien abzurufen, um so eher, als er niemals mit Ueberzeugung sich dem neuen System anschliessen wird… Wenn man es für nothwendig halte, ihn zu bewahren, so könnte er für Petersburg ernannt werden, wo wir in Zukunft keine Gegenstände von grossem Interesse mehr zu behandeln haben werden.“ Dazu stimmen auch die oben angeführten Aeusserungen Bombelles’[209], als Humboldt nach Wien ging, und die Aeusserung Ompteda’s[210], jener sei durchaus nicht für die Französische Allianz. Andererseits scheint es, dass die Patrioten ihn auch nicht allzusehr zu den Ihrigen rechneten. Zwar sind keine Aeusserungen Scharnhorst’s und, wenigstens aus dieser Zeit, Gneisenau’s über ihn bekannt, und mit Stein stand er in freundlichstem Verhältniss, das zu keiner Zeit getrübt wurde, da Humboldt, ohne alle Schritte Stein’s zu billigen, stets mit innigster Verehrung zu dem grossen Manne emporsah, aber von Boyen besitzen wir eine Andeutung, für die sich allerdings nirgends sonst ein Beweis findet. Als er auf der Rückreise von Russland in Radzilow festgehalten wurde, schrieb er (31. Januar 1813) an Lord Walpole: „Ich habe Grund zu glauben, dass [152] Graf Goltz und Herr von Humboldt meine Freunde nicht sind, und dass eine Partei existirt, welche nicht wünscht, dass ich mich dem König nähere“[211]. Und dass nicht bloss ein in seiner damaligen Lage berechtigter, vorübergehender Unmuth ihm die Worte dictirte, beweist, dass er 23 Jahre nachher in seinen Erinnerungen[212] erwähnt, später hätten ihm Einzelne versichern wollen, dass Wilhelm Humboldt, damaliger Gesandter in Wien, schon bei seiner Durchreise zum Erlass einer solchen Bestimmung mitgewirkt hätte. Er habe nicht weiter nachgeforscht und glaube, seine Verbindung mit dem Tugendbunde sei die Ursache des Verbots der Weiterreise gewesen. Dass Boyen Humboldt eine solche Handlungsweise zutraute, beweist immerhin, dass er ihn nicht zu dem Kreise eifriger Patrioten zählte, zu denen er gehörte. Seiner Natur und Stellung nach blieb Humboldt dem enthusiastischen Schwunge Stein’s und Gneisenau’s fern, aber an redlicher Liebe und Treue zu seinem Preussenlande stand er, fast der einzige geborene Preusse in diesem erlauchten Kreise, hinter niemandem zurück, und er hat an der Wiederherstellung seines Vaterlandes nach dem Masse seiner Gaben nicht minder eifrig gearbeitet als jene.



Anmerkungen

  1. Duncker, Aus der Zeit Friedrich’s des Grossen u. s. w. S. 315. 317.
  2. Goltz an Humboldt 25. Januar 1809; Dohna an Goltz o. D. (aus den ersten Februartagen 1809); Humboldt an Goltz 4. Februar 1809.
  3. Wilhelm v. Humboldt’s Briefe an F. G. Welcker, H. v. Haym S. 20. Vgl. zu seinem Ausscheiden aus dem Ministerium meinen Aufsatz: Histor. Zeitschr. N. Folge, Bd. 38.
  4. Die in Rom geblieben war
  5. Pertz, Stein 2, 534.
  6. Schlesier, Erinnerungen an Humboldt 2, 216. Dorow, Denkschriften und Briefe 4, 38.
  7. Pertz 2, 511.
  8. Bericht vom 26. September 1810.
  9. Vom März bis October, s. Aus Metternich’s nachgelassenen Papieren I, 1 S. 102 ff.
  10. Pertz 2, 534.
  11. Treitschke I, 366.
  12. Ranke, Hardenberg (Werke 48) S. 163; Weitere Mittheilungen aus Schön’s Papieren S. 98 und mein eben citirter Aufsatz: Hist. Zeitschr. 38.
  13. Hist. Zeitschr. 65. Köpke, Univ. Berlin S. 217.
  14. Ompteda, Nachlass 2, 54.
  15. Oncken, Oesterreich und Preussen I, 5. Aehnlich hatte übrigens Hardenberg auch Finkenstein gegenüber gehandelt. Oncken II, 12.
  16. Siehe unten S. 105.
  17. Lehmann, Scharnhorst II, 428.
  18. Ompteda 2, 209 vom 8. Februar 1812.
  19. Oncken I, 299.
  20. Stern, Abhandlungen und Actenstücke 38.
  21. Stern 41.
  22. Deutsche Geschichte III³, 480.
  23. Preussische Jahrbücher 36, 710.
  24. Es kann sich nur um die im 2. Bande von Ompteda’s Nachlass (Jena 1869) abgedruckten Briefe des Hannoveraners Graf Hardenberg handeln; wir weisen im folgenden zum Vergleich seiner mit Humboldt’s Ansichten jedesmal gegebenen Ortes darauf hin.
  25. Deutsche Geschichte I, 337.
  26. An den König den 17. Januar 1809. Vgl. Hist. Zeitschr. N. F. 38.
  27. Vgl. Humboldt an Welcker 26. October 1825: „Ich habe, so lange ich in Geschäften war, mehr auf das Thun als die Thaten gehalten.“
  28. Aus Metternich’s Nachgelassenen Papieren I, 1, 102 f.
  29. Vgl. auch Bericht vom 29. September 1810: „Je sicherer oder weniger sicher Frankreich der Gefühle Russlands sein wird, desto mehr oder weniger wird es daran arbeiten, Oesterreich an sich zu ziehen und mehr oder weniger gewissenhafte Haltung diesem gegenüber beobachten“.
  30. Vgl. den Brief Friedrich Wilhelm’s III. an Kaiser Alexander vom 7. April 1811 bei Duncker S. 347.
  31. Vgl. das Tagebuch des Erzherzogs Johann bei Krones, Aus Oesterreichs stillen und bewegten Jahren S. 117.
  32. Bericht vom 31. October 1810; dazu Tagebuch des Erzherzogs Johann S. 140.
  33. An Humboldt 4. November 1810.
  34. Bericht vom 10. November 1810.
  35. Vgl. dazu Ompteda a. a. O. S. 49 und Duncker a. a. O. S. 334.
  36. Dazu Duncker a. a. O. S. 347.
  37. Vgl. Bericht vom 31. October: Die Beziehungen zwischen Oesterreich und Frankreich sind merkwürdig; Allianz und Handelsvertrag sind am hiesigen Hofe abgelehnt, was Napoleon wohl verstimmen dürfte, aber um Spaniens und Russlands willen wird er sich jetzt wohl zurückhalten, um Oesterreich bei einer anderen Gelegenheit zur Allianz zu zwingen.
  38. Bericht vom 22. December 1810: Er theilt mit, dass Frankreich für die Bezahlung der letzten fünf Millionen Gulden Contribution ein Jahr Aufschub bewilligt habe, und auch den Zeitpunkt der Rückkehr der Oesterreichischen Officiere, die in Französisch gewordenen Ländern geboren sind, bis zum 1. Juli 1811 verlängert habe. Frankreich, meint er, wird wohl eine lästige Bedingung beigefügt haben; in jedem Falle reizt dieses Entgegenkommen die beiden Höfe noch mehr und trägt unglücklicherweise bei, Oesterreich gänzlich einzuschläfern über die täglichen Eingriffe der Französischen Regierung.
  39. Vgl. Werther’s Berichte aus Konstantinopel, die durch Humboldt’s Hände gingen, bei Duncker 338 f.
  40. Vgl. Ompteda a. a. O. S. 49; Humboldt’s Bericht vom 7. November. Er erwähnt die Schwierigkeiten in der Moldau und Walachei, und finanzielle Verhandlungen zwischen Oesterreich und Russland. „Aber das würde sich alles leichter ordnen lassen, wenn Russland erst überzeugt ist, dass Metternich die Unabhängigkeit seines Hofes fest aufrecht erhält, und wenn man hier überzeugt ist, dass der Hof von Petersburg nicht mehr absolut den Ansichten Frankreichs folgt. Davon hängt alles ab.“
  41. Bericht vom 3. u. 28. November. Im ersten sagt er ausdrücklich, Oesterreich werde selbst bei einer Allianz alles thun, um in Ruhe bleiben zu können.
  42. Bericht vom 5. December 1810. Dass der Widerstand gegen die Tilsiter Politik des Kaisers Alexander zu einem massgebenden Element der Oesterreichischen Politik geworden sei, wie Oncken II, 57 erst aus den Hardenbergischen Berichten an Münster entdeckt, ergibt sich aus diesen und anderen Berichten Humboldt’s, ja schon früher aus denen Finkenstein’s bei Häusser 3³, 475.
  43. Bericht vom 26. December 1810.
  44. Bericht vom 22. December 1810.
  45. Bericht vom 29. December 1810.
  46. Bericht vom 2. Januar 1811.
  47. Vgl. dazu Duncker a. a. O. 336.
  48. Bericht vom 16. Januar 1811.
  49. An Humboldt 12. Januar 1811. Vgl. dazu Häusser 3³, 483.
  50. Bericht vom 23. Januar 1811.
  51. Bericht vom 13. Februar 1811.
  52. Häusser 3, 530.
  53. Bericht vom 16. Februar 1811.
  54. Bericht vom 16. Februar 1811.
  55. Bericht vom 2. März 1811.
  56. Was Humboldt hier schon Anfang Marz nach Berlin schreibt, entwickelt Graf Hardenberg im Juni in fast denselben Wendungen (Ompteda 2, 49); auch er ist überzeugt, der Wiener Hof wolle stricte Neutralität erhalten, wozu ihn der Zustand seiner Finanzen zwinge, und auch er setzt zweifelnd hinzu: Glücklich, wenn er sie wird erhalten können.
  57. Bericht vom 6. März 1811.
  58. Bericht vom 13. März 1811.
  59. An Humboldt vom 23. März 1811.
  60. So beginnt auch Metternich seine Denkschrift an den Kaiser vom 26. Marz 1811 (Aus den nachgelassenen Papieren I, 2, 421): „Alles beweist, dass Kaiser Napoleon jetzt den Krieg mit Russland zu suchen, noch entfernt ist“.
  61. Bericht vom 16. März 1811. Am 15. März schreibt Graf Hardenberg (Oncken, Oesterreich und Preussen II, 64): „Oesterreich wird versuchen, neutral zu bleiben, freiwillig wird es nicht mit Frankreich zusammengehen, aber ebenso wenig wird es sich auf die Seite Russlands schlagen, aus Furcht, die ganze Last des Krieges möchte noch einmal auf Oesterreich fallen und Russland möchte es ein zweites Mal in dem Labyrinth stecken lassen, in das es sich für dieses vorgewagt“. Oncken sagt, in diesen Sätzen haben wir die Richtschnur der Metternich’schen Politik bis zum 10. August 1813. Wir dürfen nach obigem wohl behaupten, auch Humboldt habe diese Richtschnur richtig erkannt.
  62. Bericht vom 10. u. 13. April 1811.
  63. Bericht vom 24. April 1811.
  64. Bericht vom 27. April 1811.
  65. Berichte vom 26. December 1810. 2. Januar, 2., 6. Marz, 8. Mai 1811.
  66. Bericht vom 17. Februar 1811. Da Häusser 3, 483 ihn ganz wiedergibt, genügt hier die Hervorhebung einiger Punkte.
  67. Ueber Stadion urtheilt Humboldt ein anderes Mal, er besitze das Vertrauen der Oeffentlichkeit; sei arbeitsam, sobald es sich um grosse Productionen handle, und von dem grössten Eifer, Patriotismus und der grössten Uninteressirtheit beseelt, aber das administrative Genie und die Kenntniss, um sein Vaterland aus dem Labyrinth zu ziehen, in das eine Folge von Irrthümern und Unglück es geführt hat, ermangle ihm (Bericht vom 5. December 1810).
  68. Vgl. Tagebuch Erzherzog Johann’s bei Krones S. 140.
  69. Bericht vom 6. Juni 1811.
  70. Bericht vom 22. Mai 1811.
  71. Vgl. Ompteda 2, 49.
  72. Ganz ähnlich spricht er sich im Bericht vom 1. Mai 1811 aus.
  73. Vgl. Bericht vom 23. März: Die Ansicht, dass Napoleon an Oesterreich keine Allianz finden würde, erscheint ihm nicht unwahrscheinlich, denn einerseits würden Allianzpläne hier so grosse Unruhe hervorrufen, dass sie nicht verborgen bleiben könnte, andererseits kennt Napoleon zu gut die Richtung der Geister, um zu fühlen, dass er sich schlimmen Wechselfällen aussetzen würde, wenn er Oesterreich zu beträchtlichen Bewaffnungen verpflichtet und dadurch Gelegenheit gibt, dass der Geist der Armee sich offenbare, und dass sie das Bewusstsein der ihr noch gebliebenen Starke wiedergewinne.
  74. Berichte vom 3., 6., 17. Juli; s. a. Häusser 3, 534.
  75. Bericht vom 1. September 1811.
  76. Berichte vom 25. September und 5. October 1811.
  77. Günstiger urtheilt Lehmann a. a. O. II, 415 über die Mission.
  78. Die, wie aus einem Schreiben Ompteda’s (2, 160) hervorgeht, in Berlin nicht ohne Eindruck blieben.
  79. Jacobi an Hardenberg 12. September. Ompteda 2, 79.
  80. Bericht vom 27. September. Ompteda 2, 96.
  81. Bericht vom 12. October a. a. O. 2, 104.
  82. Duncker 402.
  83. Ompteda 2, 120.
  84. Duncker 416. Ompteda 2, 123.
  85. Duncker 410. Vgl. auch Bericht vom 20. August.
  86. An Humboldt 23. November 1811.
  87. Duncker 427.
  88. Lehmann 2, 433.
  89. Ompteda 2, 167.
  90. Lehmann a. a. O.
  91. Nachgelassene Papiere I, 2 S. 436. Hier ist der Ort, die geringe Kenntniss des Hannoveraners Hardenberg im Vergleich zu Humboldt’s Berichten zu kennzeichnen (siehe oben S. 83). Die meisten Briefe (S. 61, 78, 94, 103, 116) enthalten nichts Erwähnenswerthes. Wichtiger werden sie erst seit November 1811. Und das ist das Ergebniss: Metternich bedient sich des Hannoveraners, um Preussen zur Allianz mit Russland zu drängen, die diesem auch im Englischen Interesse am Herzen lag (S. 124, 126, 136 f., 138, 148, 152 und so fort). Von den Plänen Metternich’s, die dieser in seiner obigen Denkschrift entwickelt, hat er keine Ahnung; auch er wiederholt immer, Oesterreich könne aus inneren Gründen jetzt mit Preussen keine Allianz schliessen, es könne sich Frankreich gegenüber nicht compromittiren, aber Preussen solle nur den Kampf beginnen. Dass auf Oesterreich nicht zu rechnen sei, darin stimmen seine Briefe mit Humboldt’s Berichten überein, im übrigen ist er bloss Sprachrohr für die Metternich’schen Ansichten, die dieser nicht mit der gleichen Energie verlauten lassen kann, ist aber in die Pläne des Oesterreichischen Ministers durchaus nicht eingeweiht. Erst nach Abschluss der Oesterreichisch-Französischen Allianz dämmert es in ihm auf, dass Metternich vielleicht doch nicht so offen gegen ihn war, wie er sich einbildete (II, 267). Bei dieser Sachlage ist es nicht verständlich, wie Treitschke zu seinem obigen Urtheil kommt; Humboldt hat viel schärfer gesehen, wenn er das Bündniss vorhersagt, wenn er immer wiederholt, auf Oesterreich sei nicht zu rechnen.
  92. Bericht vom 11. December 1811.
  93. Metternich, Nachgelassene Papiere a. a. O. S. 443.
  94. Häusser 3, 546.
  95. An Hardenberg 20. Februar 1813.
  96. Berichte vom 25. December 1811, 15. Januar, 8., 12., 29. Februar 1812.
  97. S. a. Häusser 3, 544.
  98. Ompteda 2, 165.
  99. Ompteda 2, 146, 160, 204.
  100. Duncker 431. Er setzt hinzu: „Der König hatte nur zu ausreichende Gründe, um daran zu glauben“.
  101. Duncker 437
  102. An Humboldt 7. März 1812.
  103. Bericht vom 14. März 1812.
  104. Humboldt an Stein 3. Januar 1812: „Von uns und unserem Zustand habe ich nur dunkle und unvollständige Nachrichten. Ew. Excellenz wissen, dass man bei uns nicht die Gewohnheit hat über Dinge zu unterrichten, die nicht gerade den Ort angehen, an welchem man sich aufhält, was, im ganzen genommen, auch zweckmässig ist.“
  105. Ompteda 2, 208.
  106. Ompteda 2, 270.
  107. Bericht vom 8. April 1812.
  108. Schlesier 2, 226, Haym 292 haben ganz falsche Angaben. Der König weilte vom 16. August bis 16. September dort. Klöden, Friedrich Wilhelm III, 184.
  109. Am 16. September kehrte der König nach Berlin zurück, am 5. hatte Hardenberg noch hinter Humboldt’s Rücken einen Briefwechsel mit Metternich begonnen (Oncken I, 8), Ende des Monats aber begann er den vertraulichen Briefwechsel mit Humboldt, s. auch das folgende.
  110. An Hardenberg 5. October 1812.
  111. An Hardenberg 13. Januar 1813.
  112. Bericht vom 16. September 1812.
  113. An den König 5. October 1812.
  114. Bericht vom 14. October 1812.
  115. Bericht vom 4. November 1812. S. Martens, Recueil in S. 86 ff.
  116. Oncken I 8 ff.
  117. Bericht vom 7. November, an Hardenberg den 18. November.
  118. Bericht vom 11. November 1812.
  119. s. Häusser 4, 6.
  120. Bericht vom 18. November 1812.
  121. Bericht vom 25. November 1812.
  122. Bericht vom 16. December 1812.
  123. An Hardenberg den 2. December 1812.
  124. Bericht vom 19. December 1812.
  125. Bericht vom 23. December 1812.
  126. Bericht vom 26. December 1812.
  127. Bericht vom 30. December 1812.
  128. Oncken a. a. O. I, 47.
  129. Oncken I, 27.
  130. Es handelt sich um die Mission Bubna’s; darüber Oncken I, 56 ff.
  131. Oncken I, 118 f. Instruktion, Zusatz dazu 124 ff.
  132. Den Oncken I, 137 ff. nur gering beachtet.
  133. Oncken I, 145.
  134. An Hardenberg den 13. Januar. Der Gedanke tauchte übrigens schon im Februar 1812 auf. Siehe Ompteda 2, 215 ff.
  135. Oncken I, 143 Anm.
  136. An Hardenberg 16. Januar 1813.
  137. Oncken I, 148, 153. Er theilt sie nicht mit. Sie ist übrigens vom 18. Januar.
  138. Oncken 153 u. 127.
  139. Oncken 153.
  140. Bericht vom 20. Januar 1813.
  141. An Hardenberg 21. Januar 1813.
  142. Siehe oben S. 123.
  143. Oncken I, 86, Duncker 475.
  144. Die Gründe dafür s. Oncken II, 105 ff.
  145. Siehe Oncken I, 149.
  146. Siehe S. 126
  147. An Hardenberg 28. Januar.
  148. Schon bei Duncker 488.
  149. Oncken I, 154.
  150. In einem Bericht vom 11. November 1812 theilt Humboldt ein Gespräch mit dem Kaiser mit, worin dieser seine Freude äussert, dass es Gruner nicht gelungen sei, viele Personen zu verführen. Er erkundigte sich im weiteren nach dem Tugendbund. Gegen Humboldt war also wohl das Misstrauen geschwunden.
  151. An Hardenberg 13. Februar. Vgl. übrigens Oncken I, 300 ff.
  152. An Hardenberg 20. Februar.
  153. Bericht vom 27. Februar 1813.
  154. An Hardenberg den 27. Februar.
  155. An Hardenberg den 27. Februar.
  156. Oncken I, 126.
  157. Oncken I, 323 ff.
  158. Bericht vom 12. Marz 1813.
  159. An Hardenberg 12. Marz 1813.
  160. Nous toucherons bientôt au dénouement que nous désirons. (An Hardenberg 18. März).
  161. Bericht vom 27. März, s. Oncken I, 303 f.
  162. Oncken I, 305 setzt hinzu: Humboldt war auf der richtigen Spur. Wort für Wort sollte in Erfüllung gehen, was er hier als seine feste Ueberzeugung aussprach.
  163. Bericht vom 12. Marz 1813.
  164. Vgl. Häusser 4, 381 und vor allem Hardenberg’s Erlass bei Oncken I, 340 und das folgende.
  165. Bericht vom 31. März 1813 s. a. Häusser 4, 383 A.
  166. Schön liefert auch in dieser Frage einen Beweis seines Halbwissens. Er erzählt in der Selbstbiographie (Aus den Papieren 3, 13): Tagebuch vom April 1815: „Humboldt hatte gleich im Anfange (1813) der Unterhandlung zwischen Sachsen und Oesterreich Anzeige gemacht und Instruktionen erbeten, konnte aber keine erlangen, klagte, bekam keine, weil man in der Regierung selbst nicht wusste, was man sollte und wollte.“ Man vergleiche dazu Oncken I, 323 ff.
  167. Oncken I, 311; 439.
  168. Bericht vom 31. März 1813, theilweise schon bei Oncken I, 317.
  169. Oncken I, 329 vermisst in den Depeschen von und an Humboldt Erwähnung dieses Ereignisses. Der obige vertrauliche Brief H. an Hardenberg füllt diese Lücke aus.
  170. 4. April 1813.
  171. Pertz, Stein 3, 314 f.
  172. Oncken I, 333 Anm.
  173. An Hardenberg 4. April: „Man hätte hier von Anfang an auf Mittel denken müssen, sich selbst und Deutschland zu befreien, schnell sich zum Kriege vorzubereiten, gegen Frankreich eine energische lakonische Sprache zu führen und die Worte durch Thaten zu unterstützen. Das wäre des ehemaligen Deutschen Kaisers würdig. Aber keine menschliche Gewalt hätte das hier bewirkt, bei der Art des Kaisers und den jammervollen inneren Verhältnissen.“
  174. Siehe oben S. 135.
  175. Bericht vom 7. April, dazu Häusser 4, 378 Anm.
  176. Bericht vom 11. u. 12. Mai 1813.
  177. Oncken I, 325 u. 446.
  178. Von Hardenberg 18. April 1813.
  179. An Hardenberg 17. April 1813.
  180. Oncken II, 207.
  181. Bericht vom 11. April.
  182. An Hardenberg 29. April, s. a. Häusser 4, 208.
  183. Siehe Häusser 4, 207 f.
  184. Bericht vom 1. Mai 1813.
  185. An Hardenberg 26. Mai 1813.
  186. Portefeuille de 1813 par Norvins (1825) I, 353; s. Schlesier II, 228.
  187. Siehe Rapport des Kanzlers an den König. Görlitz 14. Mai.
  188. Oncken 2, 306.
  189. An Hardenberg 9. Mai.
  190. Lehmann, Scharnhorst 2, 627.
  191. Bericht vom 11. Mai.
  192. An Hardenberg 13. Mai 1813.
  193. An Hardenberg 14. Mai 1813.
  194. Bericht vom 16. Mai.
  195. Oncken 2, 323.
  196. An Hardenberg 20. Mai 1813.
  197. Bericht vom 22. Mai; s. dazu Oncken 2, 315.
  198. Diese bei Oncken 2, 318.
  199. Bericht vom 27. Mai.
  200. An Hardenberg 27. Mai 1813.
  201. Bericht vom 28. Mai 1813.
  202. Bericht vom 2. Juni.
  203. An Hardenberg 28. Mai.
  204. An Hardenberg 6. Juni.
  205. Siehe oben S. 132.
  206. Hippel äusserte über ihn: „Humboldt theilte mit allen Männern von grosser Geistesüberlegenheit, denen die Hingebung des Gemüths fehlt, die zur Liebenswürdigkeit wird, das Schicksal mehr gefürchtet als geliebt zu werden“. (Klose, Hardenberg S. 464.)
  207. Stern, Abhandlungen S. 323.
  208. Stern a. a. O. S. 381.
  209. Siehe oben S. 80–81.
  210. Siehe oben S. 114.
  211. Erinnerungen 2, 534.
  212. a. a. O. 2, 263.