Vom Weihnachtsbüchertisch. Prachtwerke

Textdaten
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Titel: Vom Weihnachtsbüchertisch. Prachtwerke
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 865–866
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[865] Vom Weihnachtsbüchertisch. Prachtwerke. Es herrscht in diesem Jahre nicht gerade Ueberfülle auf dem Gebiete der Prachtwerke, und das ist vielleicht ganz gesund; denn naturgemäß ist die Aufnahmefähigkeit des Publikums für solche theureren Werte nicht so groß wie für gewöhnliche Bücher in schlichtgediegener Ausstattung.

Eine der reizendsten Neuigkeiten ist „Allerlei aus A. Hendschels Skizzenmappen" (M. Hendschel, Frankfurt a. M.). Wer kennt sie nicht, die reizenden Hendschelschen Zeichnungen, diese fein hingestrichelten bald rührend anmuthigen, bald urkomischen Gestalten und Figürchen, wie sie nur der geborene Humorist herausfindet aus dem wirren Treiben des Alltagslebens! Seit Jahren schon waren die photographischen Nachbildungen dieser Hendschelschen Skizzen das Entzücken des Kunstliebhabers, aber die Blätter waren zu kostbar, als daß viele sie sich zu eigenem Besitze hätten erwerben können. Erst die Vervollkommnung des Lichtdruckverfahrens hat es möglich gemacht, billigere Ausgaben zu veranstalten, und so sind in den letzten Jahren nacheinander drei schöne Bände voll solcher Lichtdruckwiedergaben „Aus A. Hendschels Skizzenbüchern" erschienen. [866] Die neueste Sammlung unter dem Titel „Allerlei aus A. Hendschels Skizzenmappen“, ein fein ausgestatteter Quartband von 40 Blatt, unterscheidet sich von den früheren dadurch, daß sie bisher noch nicht Veröffentlichtes enthält. Es sind Reiseeindrücke, Porträts, Thier- und andere Studien, Humoristisches und Ernstes.

Von einem anderen, verwandten Unternehmen haben wir unseren Lesern bereits wiederholt berichtet. Es sind die „Studienmappen deutscher Meister“, herausgegeben von Julius Lohmeyer (Breslau, C. T. Wiskott). Die heuer erschienene Mappe ist Paul Meyerheim gewidmet, von dem sie zehn Studienblätter in Lichtdruck bringt. Meyerheim ist ein Künstler von seltener Vielseitigkeit, das spiegelt sich auch in diesen wenigen Blättern wieder; sie vereinigen Thierstücke, Landschaftliches und Genre. Besonders interessant sind die Loggienbilder aus der Gartenhalle des Geh. Kommerzienraths Borsig in Berlin, welche Scenen aus der Welt des Maschinenbaus enthalten. – In dem Augenblick, da wir diese Zeilen druckfertig machen, geht uns auch die nicht minder gediegene A. v. Werner-Mappe zu. – Und noch ein Künstleralbum haben wir zu besprechen: es führt uns einen etwas einseitigeren, aber in seiner Beschränkung vollendeten Meister vor, Carl Fröschl. Seine wunderbar zart gehaltenen Porträts und seine reizenden Kinderscenen haben ihm nicht bloß in der Werthschätzung unter den Fachgenossen einen der ersten Plätze errungen, sondern ihm auch eine weitreichende Beliebtheit in den Kreisen der Laien gesichert. Das nunmehr im Verlage des litterarischen Jahresberichts (Leipzig, Artur Seemann) erschienene Fröschl-Album vereinigt sechzehn köstliche Kinderscenen und bildet eine wahrhaft herzerquickende Gabe für alle Kunstliebhaber, ganz besonders aber für die Kinderfreunde unter ihnen.

In Halbheft 23 haben unsere Leser schon ein paar Proben aus dem Prachtwerke von C. W. Allers über die Meininger kennen gelernt. Das ganze Werk (bei Friedrich Conrad in Leipzig erschienen) umfaßt 40 solcher prächtiger Zeichnungen, wie wir sie in jenem Halbheft mitgetheilt haben; sie schildern uns die Meininger nicht bloß auf der Bühne, sondern auch hinter den Coulissen, bei der Probe, daheim in ihren vier Wänden, man lebt alle ihre Leiden und ihre Freuden, viel Ernst und noch mehr Humor mit ihnen durch. Allers’ graziöser Stift hat in seinen „Meiningern“ ein Werk geschaffen, das seinen früheren Veröffentlichungen, die sich so rasch die Gunst des Publikums erobert haben, ebenbürtig an die Seite tritt.

Um vorläufig in dem Gebiete des Dramas zu bleiben, sei hier erwähnt, daß Alexander Zick eines der schönsten Ritterschauspiele, welche unsere Litteratur besitzt, das „Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe“ von Heinrich v. Kleist, zu illustrieren unternommen hat. Zicks Zeichnungen sind in jeder Beziehung vortrefflich gelungen, und die neue Prachtausgabe (Berlin, Verlag von Albert Goldschmidt) wird nicht verfehlen, die Dichtung Kleists dem deutschen Volke vertrauter zu machen, wie dies mit dem „Zerbrochenen Kruge“ durch die wunderbaren Zeichnungen Adolf Menzels geschehen ist.

Die landschaftlichen Prachtwerke, welche lange das Feld fast vollständig beherrschten und z. B. noch im vorigen Jahre in Jensens „Schwarzwald“ einen hervorragenden Vertreter fanden, treten diesmal ganz zurück. Das einzige, das hier der Erwähnung bedarf, ist Rudolf Cronaus „Im wilden Westen. Eine Künstlerfahrt durch die Prairien und Felsengebirge der Union“ (Braunschweig, Oskar Löbbecke). Unsere Leser kennen die gewandte Feder und den nicht minder gewandten Stift des Schriftstellers und Künstlers Cronau, und so ist aus seinen Händen ein hochinteressantes, Genuß und Belehrung glücklich verbindendes Buch hervorgegangen, das jung und alt erfreuen wird. – Viele Freunde wird sich, besonders in Thüringen, ein kleines, aber wunderhübsch ausgestattetes Bändchen erwerben, „Thüringen in Bild und Poesie“ (Eisenach, Verlag von Hugo Brunner). Es enthält eine Menge meist farbig ausgeführter Vignetten, kleine Kabinettstückchen der Landschaftsmalerei von der Hand einer künstlerisch begabten Dame, Lisa Vielitz, denen sich zugehörige Verse aus dem reichen Schatze der deutschen Poesie anschließen. Und es giebt ja fast keinen unter unseren großen Dichtern, der nicht einmal in seinem Leben die Stimme zum Preise des schönen Thüringerlandes erhoben hätte!

Eigentlich unter den Jugendschriften einzureihen wäre gewesen ein Prachtwerk aus dem Verlag von Adolf Titze in Leipzig, „Prinzen-Märchen“ von Agnes Schöbel, illustriert von Georg Schöbel. Der Text bewegt sich mit Glück im schlicht anmuthigen Märchenton, der sich dem kindlichen Verständniß so leicht anschmiegt, während die Zeichnungen ihre Wirkung mehr bei den Erwachsenen üben dürften.

Und nun einen Sprung aus dem Land der zarten Märchen in das der rauhen Politik. Ein politisches Prachtwerk – beinahe eine sogenannte contradictio in adjecto, ein Widerspruch in sich selbst! Und doch möchten wir das „Bismarckalbum“ des Kladderadatsch so nennen, das uns die Geschichte des großen Mannes von einer so eigenartigen Seite vorführt, das zugleich selbst ein Stück Geschichte der modernen Karikatur überhaupt bildet. An äußerem Erfolg reiht sich ja auch das Bismarckalbum mit seinen fünfzehn Auflagen in neun Monaten (Berlin, A. Hofmann u. Co.) den Löwen des Tages, „Rembrandt als Erzieher“ und Bellamys „Jahr 2000“, an.