Unheimliche Schlafgenossen

Textdaten
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Autor: C. St.
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Titel: Unheimliche Schlafgenossen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 803
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
„In dem unlängst ausgegebenen neuesten Bande ...“ : Julius Von Haast, Geology of the provinces of Canterbury and Westland, New Zealand, London(?)/ Christchurch 1879
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[803] Unheimliche Schlafgenossen. „Die Noth bringt Einen zu seltsamen Schlafgesellen,“ sagt Shakespeare im „Sturm“, und dieser Ausspruch gilt nicht blos für die Menschen, sondern auch für die Thiere. Auf den Pampas Südamerikas haust die Kaninchen-Eule, welche sich in den Erdlöchern der Viskache einnistet, bisweilen mit dieser zusammen, und in den Prairien Nordamerikas wohnen Erdeule, Prairiehund und Klapperschlange nicht selten in demselben Loche friedlich bei einander, sodaß es nach Dr. Fintsch ein beliebter Vorwurf für Ausstopfer ist, diese „glückliche Familie“ zu einer Gruppe zu vereinigen. In dem unlängst ausgegebenen neuesten Bande der Publicationen des Neuseeland-Institutes hat Professor v. Haast nach den Beobachtungen eines zuverlässigen Naturkenners, Namens Reischek, einen weiteren und wo möglich noch groteskeren Fall solcher Schlafgenossenschaft mitgetheilt: Auf den kleineren Inseln rings um Neuseeland lebt ein auf den Hauptinseln längst ausgerottetes großes Reptil, von dem die Eingeborenen schon dem Capitain Cook unheimliche Geschichten erzählt haben, die Tuatara- oder Stacheleidechse (Sphenodon punctatus), die auch noch heute in den dortigen Volkssagen dieselbe unheimliche Rolle spielt, wie der Lindwurm oder Höhlendrache in den germanischen Sagen. Das äußere Aussehen dieses Thieres ist in der That nicht sehr vertrauenerweckend, da es zum Theil wie ein Krokodil gepanzert ist und außerdem in der Mittellinie seines Rückens vom Kopfe bis zur Schwanzspitze eine nur an wenigen Stellen unterbrochene, mehr oder weniger dichte Reihe spitzer Dornen und stumpfer Höcker trägt. Dieses große, dickleibige, mit gelben und weißen Tüpfeln auf olivengrünem Grunde übersäete Mittelding zwischen Molch und Drachen, welches auch in seinem anatomischen Bau einen uralten, in der heutigen Lebewelt sonst nicht weiter vertretenen Typus darstellt, fand Reischek noch in Menge auf den kleinen Inseln der Mangarei-Bai im Osten der Nordinsel Neuseelands, welche man ihrer Kleinheit wegen die Kücken („the chickens“) genannt hat, am Leben, und hier könnte man glauben, diese Drachenbrut habe wirklich, wie erzählt wird, alle menschlichen Bewohner aufgefressen; denn es fanden sich nur noch Küchenmüllhaufen vor, die von der einstigen Anwesenheit der Menschen auf diesen kleinen Eilanden zeugen. Aber die Tuatara-Eidechse ist im Gegensatze zu ihrer drohenden Rüstung ein sehr friedfertiges Thier, welches sich zu seiner Wohnung unterirdische Höhlen gräbt und dieselben freundlich mit Sturmvögeln (Procellaria Gouldi und Cooki), sowie mit Sturmtauchern (Puffinus gavius) theilt, die mit ihm die hauptsächlichste Bevölkerung der Inseln bilden. Meistens wohnt auf der einen Seite des Eingangs, und zwar gewöhnlich auf der rechten, der gefürchtete Drache, und auf der linken der Sturmvogel; mitunter wohnen auch zwei Sturmvögel bei einander, während nebenan der Drache, um seiner Rolle wenigstens darin getreu zu bleiben, immer allein haust.

Bisweilen soll auch umgekehrt der Sturmvogel die Wohnung aushöhlen und der Drache bei ihm in Kost und Logis ziehen, sofern er von den Fischen und Krebsen, welche der Sturmvogel zu Neste trägt, mitzehrt. Er selbst verläßt erst nach Sonnenuntergang seine Höhle und geht seither nicht mehr auf die Menschenjagd, sondern begnügt sich mit kleinen Würmern und Insecten; auch soll er beim Umherwandern wie ein Schwein grunzen. Man kann ihn dann leicht fangen; in den letzten Jahrzehnten ist das Schreckensthier der Neuseeländer wiederholt nach London gebracht worden, wo es sich im Käfig sehr zahm und gutmüthig benahm.

C. St.