Topographia Austriacarum: Grätz

Topographia Germaniae
Grätz (heute: Graz)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1679, S. 41–43.
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Grätz.

Diese Statt / so das Haupt deß gantzen Landes / sonsten aber in Unter-Steyer / an dem Hauptfluß der Muer / gelegen ist / wollen ihr viel für kein alte Statt halten; Theils aber derselben einen alten Nahmen geben / darinn sie sich aber nicht vergleichen können; wiewol deß Philippi Cluverii Meynung / der sie / in Beschreibung deß Norici, für deß Ptolemaei Muroëla hält / etlichen nicht übel gefällt / welchen Namen aber Petrus Bertius dem schönen Marcktflecken Muereck; Andere dem Marcktflecken Leibnitz / geben. Siehe / was Lazius hievon / und den Antiquitäten allhie / de Republ. Romana, fol. 127. 169. 584. und 617. Item, lib. 12. sect. 3. cap. 8. schreibet / welcher vermeynt / daß das besagte Wasser / die Muer / vor Zeiten Savaria geheissen / und von solchem auch die Statt selbsten also genant worden seye. In den alten Stifftsbrieffen wird diese Statt Bayrisch Grätz / das ist Gränitz / wie Aventinus will / geheissen; wiewol solchen Nahmen gemeldter Lazius für Windisch hält / als der ins gemein eine Statt / oder Burg bedeute; daher dann Bayrisch-Grätz / Windisch-Grätz an der Drab / Bili-Grätz / und Corni-Grätz / an den Gräntzen Crain / und Croatien / (Item / in Böheim Königin Grätz / und Grätzen im Rosenbergischen / hernach Schwanbergischen Ländlein / und Grätz im Voigtland /) kommen. Und sagt Er / daß von diesem Bayrisch Grätz / im Land Steyer / vor Zeiten gewisse Herren ihren Nahmen geführt haben / deren offt in den Briefen gedacht werde. Es ist zwar Grätz kein grosse / aber schön und wol erbaute Statt / so feine grosse Vorstätte / und ein hüpsches wolgebautes Land herum hat. An dem besagten Wasser liegt sie nach der Länge / und eben / hernach ziehet sie sich etwas gegen dem Berg. Ist zimlich fest / und mit einem Wahl / und den Bollwercken / auch schönen starcken Thoren versehen. Sonderlich aber wird das Obere Schloß / so hoch auff einem Berg / (der um und um frey / und felßechtig ist / und dem gantzen Land herum gebieten kan) lieget / fast für unüberwindlich gehalten. In der Statt ist die Burg / oder Ertzhertzogliche Residentz / darinn ein schöne Fürstliche Bibliothec in 2. Zimmern / von geschriebenen und getruckten Büchern; darvon der Gang / oder die gallerie, mit alten Gemäldten / vom Käiser Carls deß Fünfften Thaten / gezieret ist. Gleich daran ist die Fürstliche Kunstkammer / ein weitläufftig grosses Wesen / darinn / unter andern Raritäten / auch etliche Heydnische Götzen / so die Americaner angebetet haben. Es ist da die inner Oesterreichische Regierung / dahin alle appellationes auß Steyer / Kärndten / Crain / der Windischen March / und Görtz / gehen. Dahero / und der Landtäge / auch anderer Zusammenkünfften halber / so in dieser Statt zum öfftern angestellet werden: Wie imgleichem wegen der Academie / und der zween fürnehmen Märckt / so jährlich allda zu Mittfasten / und auff S. Aegidii, gehalten werden / und jeder 14. Tag währet / es stäts einen grossen Adel / auch viel ander Volck / neben einer feinen / und vermöglichen Burgerschafft / und Handthierung / allhie gibt / und viel Zuführens von unterschiedlichen Orten / auch gar auß Ungarn / dahin ist; und deßwegen man da um ein billiches fein zehren kan; wiewol der Weinwachs / und Traidbau / noch hierum so stattlich nicht ist / dieweil sich erst die Berg oberhalb von einander zu thun anheben / und unter der Statt das Feld / so man nach ihr das Grätzerfeld nennet / je länger je weiter wird. Das Regiment der Statt bestehet bey Burgermeister / Richter / und Rath. Benebens hat es auch / ausser der oberwehnten Regierung / deren Haupt der Statthalter ist / etliche geheime Käiserliche Räth allhie / so den höchsten Gewalt haben: Wie auch Cammer-Räth / der Cammergüter / und Landsfürstlichen Einkommen halber; und wegen deß Landes / einen Landshauptmann / Landsverweser / Verordnete oder Außschüß von Praelaten / Herren / und Ritterschafft; einen Land-Marschallen / Beysitzer der Landrechten / etc. LandEinnehmer / oder Pfenningmeister / und andere Ampts- und Dienstpersonen mehr. Von Geistlichen Gebäuen seynd allhie zu sehen 1. beym Eisenthor / die schöne Pfarrkirch / zum H. Blut genant. 2. Neben der Stattmauer ein vornehmes Nonnen-Closter. 3. S. Aegidii Kirchen / bey obgedachter Burg / oder Ertzhertzoglichen Residentz / so die Jesuiter innen haben / und die inwendig auffs herrlichste gezieret ist / sehr schöne / und grosse Altär / darinn etliche Heyligthum seyn sollen / hat. Und seynd auch der Heiligen Ignatii Lojolae, und Francisci Xaverii, Bildnussen sehr künstlich gemalet / und mit theuren Steinen gezieret / da zu sehen. Hinden daran hat man ein schöne runde Kirch mit 3. Thürnen / auff Italianische Art / vor die Fürstliche Begräbnussen erbauet / darinn Ihr Käiserl. Majest. Ferdinandus der Ander / und dero Erste Gemahlin / Frau Maria Anna, ein geborne Hertzogin auß Bayern / neben dero ältisten Herren Sohn / Ertzhertzog Johann-Carolo, ruhen. Gegen gedachter S. Aegidii Kirchen / so hoch liget / über / haben ermeldte Jesuiter ein ansehnliches Collegium, und was zu solchem gehörig. Es ist daselbst ein offentliche / und privilegierte Hohe Schul / und ein ansehenlicher Saal / darinnen Doctores, und Magistri, pflegen gemacht / und andere Actus publici, celebrirt zu werden; wie es dann ein grosse Frequentz / und Zulauff / allda von Studenten hat. 4. Bey dem Muerthor ist die schöne Kirch / und Closter der Nonnen S. Clarae Ordens / darinn Höchstgedachten Käisers Ferd. II. Hertz / bey dero Höchstgeehrten [42] geehrten Frauen Mutter Cörper / lieget. Vor Jahren haben die Evangelischen Stande ihre Kirchen / und wolbestellte Land-Schul / so man die Stifft genant / allda gehabt / so aber Anno 1598. alles abgeschafft worden / und seynd damaln / den 28. Septembris, auff ergangenen Ertzhertzoglichen Befelch 19. Kirchen- und Schuldiener daselbsten hinweg gezogen. Es meldet David Chytraeus lib. 15. Sax. 399. daß Nicolaus Gallus, zu Cöten in Sachsen gebohren / nicht allein der Statt Regenspurg / sondern der gantzen Nachbarschafft / Oesterreich / und Steyermarck / reformirte Kirchen / mit Lehr / und Rath / Gottseelig / und fleissig unterwiesen / und regiert habe. Und im 25. Buch / am 714. und folgenden Blat / sagt er / daß Anno 1582. Ertzhertzog Carl / als Er dem Steyrischen Adel / die Religionsübung in der Landschafft Kirchen zu Graitz / nach dem Verbott deß vorigen Jahrs beschehen / wiederum zugelassen / dem Rath / und Burgerschafft / daß sie dahin nicht gehen solten / verbotten. Und dieweil diese nicht Gehorsam leisteten / so haben Ihre Durchleucht / die Burgermeister / und den Schreiber Martinum Pangrisium, in die Gefängnuß gelegt / und um Geld gestrafft / und ihnen / sampt dem gantzen Rath / befohlen / daß sie entweder der Landschafft Kirchen sich enthalten / oder aber innerhalb eines halben Jahrs / ihre Häuser und Güter verkauffen / und anders wohin zu wohnen ziehen solten. Melchior Goldastus Heiminsfeldius, in der Vorrede über die zwey Rechtliche Bedencken / von der Succession, und Erfolge deß Königlichen Geschlechts / und Stammens / in beyden Königreichen Hungarn / und Böheim / Anno 1627. zu Franckfurt im 4. gedruckt / schreibet / daß höchstgemeldter Käiser Ferdinandus der Ander / nach dero Käiserlichen Wahl zu Franckfurt / ihme Goldasto anbefohlen habe / seinem Herrn / dem Grafen zu Schaumburg / zu referiren, wie es mit der Reformation in Steyer / Kärndten / und Crain / für ein Verlauff / und Bewändtnuß / gehabt / und wie Ihre Käiserl. Majest. gleichsam mit Gewalt darzu / durch Ministrorum Ecclesiae quotidiana in se maledicta, und friedhässigen / feindseligen / auffrührischen Predigten / dardurch sich allerley Rebellion, Empörung / und Auffstand / hin und wieder im Lande erhoben / alle Landtäge / und gute Consultationes zerschlagen / und endlichen Ihr Majest. selbsten / als geborner Ertzhertzog / und natürlicher Erbfürst / nicht wol sicher in seinem eygnen Erbland seyn / und bleiben können / wider ihre Intention, und Meynung / seyen getrungen worden. Worinnen doch Ihre Majestät / ohne Vergiessung einiges Tropffen Bluts / also / und nicht anderst / verfahren / dann wie es die heilsamen Reichs-Constitutiones, Ordnungen / und Verfassungen / vermögen / gestatten / und zugelassen / etc. So wenig sey es auch / daß Ihr Käis. Majest. den Lands-Ständen in Steyer / etc. haben das freye Exercitium Religionis, bey Abtrettung der Regierung / und beschehener Huldigung / confirmirt, oder reversirt. Und dieses schreibt Goldastus Auff der andern Seiten deß besagten Muerthors / haben 5. die Franciscaner ein schönes Closter. 6. In der Sporergassen wohnen die Pauliner. In der Steyrischen Landshandvest stehet fol. 25. b. daß das Mönchs-Closter in der Statt / wie auch das Teutsche Hauß allda / eine Freyung habe; saget aber nicht / welches Closter es seye. 7. Ausserhalb der Statt / und zwar über der Muerbrucken / in der Vorstatt / ist das Closter zu unser lieben Frauen / Hülff genant / in welchem Minoriten Mönche seynd. 8. Daselbst ist auch das Dominicaner / oder PredigerCloster zu S. Andreae / in welches Gotts-Acker / oder Freudhoff / viel Evangelische Herren / Frauen / Fräulein / und andere Personen / begraben liegen / die zum Theil ihre Epitaphia haben. Gegen über ist das Burger-Spital. 9. Ferners ist in dieser Vorstatt auch der Hailbrüder / oder Fratrum Misericordiae, Closter / die der Krancken warten; und deren Stiffter Johannes Dei gewesen / welcher zun Zeiten deß Ignatii Lojolae solle gelebt haben. 10. und 11. Vor S. Pauls / oder dem Pauliner Thor / haben die Capuciner / und Carmeliten / ihre Clöster. Vor dem Sackthor aber ist noch zur Zeit keines. Die weltliche Gebäu belangende / so ist von der Ertzhertzoglichen Burg oben gesagt worden. Nahend derselben ist das Fürstliche Zeughauß. Ferners ist zu besichtigen das Landhauß in der Herrengassen / so ansehnlich erbauet ist. Und stehen am Saal die fürnehmste Stände und Stätte deß Landes gemahlt. Es werden darinn die Landrechten / und Landtäge / auch andere Zusammenkünfften / und von den Herren verordneten Rath / gehalten. Ist auch da die Cantzley / und Einnemmer-Ampt / Item der Land-Stände Zeughauß / welches mit groben Stücken / Rüstungen / und Munition, zimlich versehen ist. Das Statt-Rathhauß ist auch fein erbaut: wie ingleichen der Fürstliche Marstall. Theils besehen auch die Gemälde am Haasenhauß / so man für schöner / und ordentlicher abgetheilt / als das zu Wien / halten thut. In der obgedachten Vestung / oder Obern-Schloß / so mit allem wol versehen / und stets ordinari eine Besatzung hat / seynd vornemlich die grosse und kleine Stück / deren bey die hundert seyn / und darunter die zwey gröste zu sehen / deren eines ein Türckisch / das ander / so Anno 1529. gemacht / auch schon einmal in der Türcken Gewalt gewesen / und von ihnen die Bildnuß Christi darauff zerstümpelt worden ist. In einem Thurn ist das Horn / welches man alle Morgen und Abend tretten thut / und das von vielen Pfeiffen gemacht ist. In einem andern Thurn hangt die grosse Betglocke / die allezeit Morgens um 7. Uhr geläutet wird. Es hat dieses Schloß ein grosse Weite / und etliche Plätz / innen. Ist auch da eine Capellen für die Soldaten. Hat ingleichem etliche Roß- und Handmühlen; Item / einen sehr tieffen Brunnen / der stätigs beschlossen ist / damit man solchen im Nothfall rein und sauber haben möge. Dann dieses die Haupt-Vestung deß Landes ist / darvor sich der Türckische Käiser Solymannus, als Er im Jahr 1532. biß hieher kommen / sonderlich geförchtet haben solle; auch nicht weiter ins Land hinauff zogen ist; sondern sich offt umgesehen / ob Er nicht vom Käiser Carlen hinter- oder vorwerts / oder auff den Seiten angegriffen werde / und dahero nahend Grätz über die Muer mit Unordnung gesetzt. Und hat schon langst vorhero Anno 1260. König Bela auß Ungarn darvor nichts außgericht / wie Boregk [43] in der Böhmischen Chronic fol. 227. schreibet. Es hat an solcher Vestung einen Thiergarten / in der Carlau genant / so gar groß ist. Besiehe insonderheit von dieser Statt / deren Beschreibung andere in ihren Stättbüchern nicht haben / den 1. und 2. Theil deß Itinerarii Germaniae.