Todesfälle in der vornehmen Welt

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Titel: Todesfälle in der vornehmen Welt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 111
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[111] Todesfälle in der vornehmen Welt. In Berlin ist die Todtenliste vorigen Jahres mit vielen vornehmen Namen angefüllt. Graf Lüttichau, Graf Brühl, Graf Blankensee und Graf Krockow sind gestorben. Erste beiden Herren waren Generale a.D., wie es in Berlin so viele giebt, aber sie machten „ein Haus", was in Berlin nicht so häufig ist, wie man vielleicht glaubt. Beide hatten sich in spätem Alter mit Damen verheirathet, die ihnen für ihre Titel viel Geld und viel Geist zubrachten, also die nothwendigen Ingredienzien zu einem Salon lieferten, der ohne die ominösen Reime „Titel und Mittel" leider heutzutage nicht bestehen zu können scheint. Bei der Gräfin Brühl versammelte sich der Hofcirkel, bei der Gräfin Lüttichau die Gelehrtenwelt; beide Damen haben als Wittwen ihre Salons geschlossen, und Berlin wird diese Lücken tief empfinden. Der Graf Krockow kann, nur als Vater des bekannten Afrika-Reisenden und des talentvollen Thiermalers auf einige öffentliche Anerkennung, Anspruch machen Graf Blankensee hingegen ist als Schriftsteller mehrfach in die Oeffentlichkeit getreten und gehörte als Zeitgenosse Fouqué’s, Hoffmann’s, Heinrich’s, Immermann’s gewissermaßen der berühmten Vergangenheit unserer Literatur an. Er kommt in den Memoiren der Schriftstellerinnen jener Zeit, der Baronin von Hohenhausen, geborenen von Ochs, der als fahrenden Minnesängerin bekannt gewordenen Helmina von Chezy, geborenen von Klencke, öfter vor als schöner Geist und noch schönerer Mann, was seine Bekannten der letzten Lebensjahre nicht glaubhaft finden, denn er war in Berlin fast nur noch als seltsames Original anerkannt, obgleich er bis zuletzt viel Aeußeres und namhafte Talente besaß. Er schrieb noch eine Tragödien-Trilogie „Moritz von Sachsen“ in seinem siebenzigsten Lebensjahre und trug wenige Stunden vor seinem Tode die schwierigsten Passagen auf der Geige in zahlreicher Gesellschaft vor. Der Erbe seines sehr großen Vermögens ist der Neffe seiner Gattin, einer geborenen Prinzessin von Schöneich-Karolath, Baron Firks, der als Gemahl von des Grafen einziger Tochter den Namen Blankensee. fortführen wird. — Auch eine schöne junge Frau der vornehmsten Kreise ist auf die Todtenliste zu setzen, die Fürstin, von Putbus geborene Freiin von Beltheim; sie war an Eleganz, Lebenslust, Glück und Liebenswürdigkeit ganz dasselbe für Berlin, was die Fürstin Metternich für Paris ist, Sie war eine kühne Reiterin und Jägerin, das Vorbild aller Toilettenkünste und Moden. In ihrem Hause fanden die glänzendsten Feste statt; ihre orangegelbe Equipage fehlte auf keinem Corso und ihre stets durch Neuheit und Reichthum auffallenden Toiletten konnte man auf der Alltagspromenade des Thiergartens bewundern. Dabei war sie trotz der Weltlust eine menschenfreundliche Wohlthäterin der Armen und trat auch als Beschützerin der vornehmen Armuth auf, die von den Geldsäcken der Berliner Salons oft schonungslos genug behandelt wird.