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Titel: Spiritualisten-Spuk
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 711–713
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[711]
Spiritualisten-Spuk.[1]

„Die Geisterwelt ist nicht verschlossen“. Im Gegentheil scheint es, als ob sie sich weit und breit Allen, die Zutritt wünschen, und nicht blos den begünstigten „Sonntagskindern“ eröffnen wolle. Die Zahl der Leichtgläubigen, die bereits mit Geistern umgehen und sie beliebig zu „Tische“ einladen, beläuft sich in Amerika schon auf mehr als drei Millionen „Spiritualisten“, wie sie sich nennen, die siebzehn ausschließlich dem Spiritualismus gewidmete Zeitschriften herausgeben und lesen, in England mindestens aus dreißigtausend mit einem „Spiritual Magazine“, das aber von Zeitschriften anderer Art und zum Theil ersten Ranges noch unterstützt wird. Wir nennen nur Thackeray’s „Cornhill-Magazine“, das durch einen Spiritualisten-Artikel unlängst die ganze „ungläubige“ Presse in Schrecken versetzte und zu Kreuzzügen gegen sich Anlaß gab. Thackeray ist mit Dickens Oberster der Götter auf dem literarischen Olympe Englands. Thackeray und Dickens, das klingt in England eben so, wie bei uns Goethe und Schiller. [712] Ein Artikel für den Spiritualismus in Thackeray’s Monatsschrift, das war schon literarisches Ereigniß genug. Und nun erst, was darin stand! Die höchsten, geachtetsten, ehrwürdigsten Namen des Standes, der Politik und Wissenschaft, die darin als gläubige und bekehrte Spiritualisten auftraten! Es klang fast ebenso fabelhaft, wie die darin erzählten Wunder selbst. Hernach trat sogar noch William Howitt, ein alter Literat und Gelehrter mit viel deutscher Bildung und Verfasser eines pfaffenfeindlichen Buchs, als Vertheidiger gegen Angriffe und als eifriger Spiritualist öffentlich auf und bürgte für eine Menge fabelhafter spiritualistischer Offenbarungen und zwar mit Zeugen und Bürgen erster Classe. Merkwürdig: lauter Namen ersten Ranges. Der Spiritualismus tritt in Europa entschieden als noble Passion der höchsten Stände auf. Mr. Home, „der Geisterkönig des neunzehnten Jahrhunderts“, als welchen wir ihn unsern Lesern früher einmal vorstellten, hatte in England fast nur mit höchster Aristokratie und im übrigen Europa bis Petersburg nur mit Kaisern, Königen und Fürsten zu thun. Nur in Amerika, seiner Heimath, ist der Spiritualismus bereits eine Institution, eine Religion aller Classen geworden, weil es dort keine Kaiser und Könige gibt, auf die er sich beschränken könnte. Es blieb ihm nichts Anderes übrig, als im „Lande von Freiheitsflegeln, wo sie ohne König kegeln, wo sie ohne Spucknapf spei’n“, sich mit den großen Massen gemein zu machen. In der alten Welt hat er sich aber bis jetzt ziemlich hoch und vornehm gehalten, jedoch ohne sich den Neu- und Wißbegierigen zu verschließen. Das Schlimmste für uns Ungläubige dabei ist, daß er’s nicht blos Kaisern und Königen und englischen Lords angethan, sondern leider auch Männern der Wissenschaft, die nun kühn als Bekenner und Apostel des Spiritualismus auftreten und in ihm eine neue Religion des Heils begrüßen.

Was ist das für eine Macht, der sich nicht nur absolute Potentaten beugen, sondern auch Männer der Wissenschaft? Lächerlicher Weise nichts als die alte Klopfgeisterei, tanzende Stühle, drehende Tische, verdrehte Köpfe – aber mit einigen neuen, schauerlichen Kunststücken, als da sind: frei in der Luft schwebende Tische, frei in der Luft schwebende Menschen, aus lichtem Luftnebel hervorwachsende Hände citirter Geister, Schwefel- und Phosphorgeruch, eigenthümliches Wehen und Hauchen in der Luft, Prickeln und Kribbeln an den Haarwurzeln, Kneifen in Damenwaden, Kitzeln unter den Strumpfbändern und sonstige unanständige Foppereien, gelegentlich musikalische Leistungen aus unsichtbaren Regionen bis zu Mozart, der unlängst persönlich in einer Kirche zu Rom eine seiner Messen vortrug.

Also das nennt man Spiritualismus? Und an diesen Blödsinn, Betrug und Schwindel, zu schlecht für die ältesten, dem Trunke ergebenen Wasch- und Hökerweiber in unsern aufgeklärten Tagen, glauben Kaiser, Könige, Lords und Naturforscher? Ja, so ist’s. Und dies ist just das größte Wunder dabei, das wir Ungläubigen durchaus nicht mehr mit bloßer Verspottung abweisen können, wenn wir uns nicht eben so stark an der Menschheit versündigen wollen, wie die Geisterkönige und ihre Millionen treuer Unterthanen.

Wir haben zu viel Zeugnisse gebildeter Männer für die Thatsachen des Spiritualismus, als daß wir ihm ohne weitere Complimente den Rücken kehren dürften. Nein, unter den gegebenen und sich immer weiter entwickelnden Verhältnissen ist es unsere Schuldigkeit, diese Leute mindestens anzuhören und zu untersuchen, wie’s etwa zugegangen sein könnte, daß sie sich alle täuschten und respective betrügen ließen, wie’s der Spiritualismus zu Anhängern und Gläubigen der höchsten Stände, der exactesten Wissenschaft, zu Millionen Opfern bringen konnte. Wir von unserm Standpunkt aus sehen das Ganze als kolossalen Schwindel an, dessen Aufklärung freilich noch außer unserer Macht liegt.

Geben wir jetzt eine Reihe der hauptsächlichsten Thatsachen, wie sie in den Zeitungen und Büchern uns vorliegen (der Setzer wird doch nicht „vorlügen“ setzen?), und für welche Männer mit den besten Namen bürgen.

Zunächst einen Blick auf Amerika. Die pfiffigen, klugen, scharfen, nüchternen, materialistischen Yankees bekämpften den etwa vor zehn Jahren zuerst unmerklich auftretenden Spiritualismus mit allen ihren in freier Presse, Witz und Scharfsinn zu Gebote stehenden Mitteln. Das half aber so wenig, daß sich im Gegentheil die anfangs kleine, unbedeutende Schaar seiner Jünger auf mehr als drei Millionen vermehrte, unter denen man Männer der höchsten Bildung findet, die zum Theil in den siebzehn Journalen des Spiritualismus energisch und begeistert für die neue Offenbarung kämpfen. Mancher war vorher ein Saulus und wurde zum Paulus. So z. B. Professor Hare, einer der ersten Naturforscher der neuen Welt, der Faraday oder Dove Amerika’s. Er lachte, wenn er gelegentlich von den verrückten Tischdrehern hörte, bis es ihm endlich zu arg ward und er sich entschloß, den Hokuspokus und diese neue Taschenspielerei zu untersuchen und zu entlarven. Gerüstet mit Naturwissenschaft wie Keiner, besuchte er Spiritualisten-Gesellschaften und ließ sich alle ihre Wunderkünste wieder und immer wieder vormachen, um durch genaues Aufpassen und scharfsinnige Untersuchungen – woran er nie gehindert ward – endlich des Pudels Kern zu entdecken. Vergebens. Im Gegentheil – das gespannte wissenschaftliche Publicum las bald mit Erstaunen Professor Hare’s Erklärung, daß er in den ihm bekannten Gesetzen und Kräften der Natur keine Erklärung der von ihm untersuchten Erscheinungen und Thatsachen des Spiritualismus habe entdecken können und er sich daher gezwungen fühle, unirdische (un-earthly) Ursachen derselben anzunehmen. In diesem etwas starken Glauben schrieb er weiter, lebte und starb er. Unzählige gebildete und wissenschaftliche Amerikaner, gereizt durch dieses Saulus-Paulus-Wunder, besuchten nun ebenfalls Spiritualisten-Media, hörten es klopfen, sahen es tanzen und erhielten erstaunliche Antworten auf Fragen an die „andere Welt“, wußten nicht, wie’s zuging – und sind jetzt Spiritualisten.

Noch mehr zog der berühmte Advocat Edmonds, mit einer Praxis von jährlich 30,000 Dollars, mit sich hinüber. Der schlaueste Jurist von der Welt, dem in Processen nicht das feinste Fädchen oder Häkchen entgeht, ließ sich von den Geistern etwas klopfen, von den Tischen und Stühlen etwas tanzen und alle sonstige Kunststücke von den verschiedensten Mediis unendlich oft wiederholen, ohne daß er je daraus klug werden konnte. Er erklärte, daß er nie Spuren von Betrug, Täuschung oder Humbug irgend einer Art entdeckt habe und er vollkommen überzeugt worden sei, daß hier bis jetzt unbekannte, äußerst merkwürdige Ursachen wirken. In dieser Ueberzeugung schreibt und wirkt er jetzt noch. Unzählige andere Spiritualisten Amerika’s, welche die siebzehn Journale der „neuen Offenbarung“ füllen, sind zum Theil auch von Bedeutung in der Wissenschaft, aber wir wollen’s bei den beiden Erwähnten lassen, um uns einige englische Autoritäten anzusehen.

Sir David Brewster ist ein Mann von europäischer Bedeutung in der Wissenschaft, ebenso Lord Brougham, der hohe Achtziger. Beide sind freilich schon sehr alt, und die Gediegenheit des Urtheils dürfte doch in den achtziger Jahren etwas leiden.

Beide hatten schon am 9. October 1855 Gelegenheit, den Geisterkönig Home operiren zu sehen. Sie sahen und hörten die bekannten Tischwunder unter ihren eigenen Händen. Endlich – das Wunder steht schwarz auf weiß in der Erklärung – machte sich der drehende Tisch los und hob sich in die Luft. Dasselbe wiederholte sich in einer zweiten Zusammenkunft. Die Sache stand damals in den Zeitungen, verbürgt von allen Anwesenden: Sir David Brewster, Lord Brougham, Mr. Cox (in dessen Hause sie sich versammelt hatten), Mrs. Trollope, Mr. Home und Dr. Maitland, rationalistischem Verfasser eines Buches: „Wissenschaft und Aberglaube“.

Mr. Home, das Hauptmedium dieser und anderer Wunder, zeichnete sich stets durch die größte Offenheit aus und forderte in der Regel sein Publicum auf, ihn, die Zimmer, die Tische etc. beliebig zu untersuchen, ob sie Humbug u. dgl. entdecken könnten. Mehr als dreißig Mal experimentirte er vor Napoleon und einer Menge Standes- und wissenschaftlicher Personen, die eingeladen worden waren, denen er stets und zu jeder Zeit jede Art von Untersuchung gestattete. Dasselbe gilt von allen seinen „Vorstellungen“, die er beinahe über ganz Europa hin vor Königen und Kaisern gab. Sollten diese Könige und Kaiser und die Generäle, Räthe und Professoren, die zu diesen Gelegenheiten eingeladen waren, grade am leichtesten zu betrügen gewesen sein? Wohl möglich. Allerdings hat auch Bosco Jahrzehende lang vor allen möglichen Potentaten und dem Publicum zugleich noch ganz andere unerklärliche Zauberkünste gemacht, als Home; aber Bosco hat seine Apparate, die er sich nicht aus der Hand nehmen, nicht untersuchen läßt. Home sitzt immer ganz harmlos und ruhig mit seinen berühmten blauen Augen (in einem sonst nichtssagenden blassen Gesicht) mitten unter [713] den Andern, während die Geister um ihn ihr Unwesen treiben. Und Bosco, der tausenderlei Zauberstückchen machte, konnte nie Tische in die Luft steigen lassen, wie Home.

Während seines letzten Aufenthaltes in London vorigen Frühling und Sommer ist Home ganz besonders scharf und ausdauernd von wissenschaftlichen Männern, Lords, Künstlern, Literaten, Juristen etc. untersucht worden, wobei er sie selbst immer auf das Bereitwilligste unterstützte. Niemand hat eine Spur von Taschenspielerei oder Betrug entdecken können (oder wollen?), aber auch keine Möglichkeit, seine Wunder aus bekannten Naturgesetzen zu erklären, so daß sich die Zahl derer, die an den übernatürlichen Ursprung der Wundererscheinungen glauben, bedeutend vermehrte. Am längsten experimentirte er bei dem alten, berühmten Juristen und Politiker Lord Lyndhurst, der sich über achtzig Jahre lang niemals etwas weißmachen ließ. Wieder läßt sich hier mit Recht einschalten, daß mit achtzig Jahren die Schärfe des Urtheils aufhört. Einmal gab Home im Hause Lord Lyndhurst’s zwei Wochen hintereinander alle Tage Vorstellungen: er selbst und mehrere eingeladene Männer der Wissenschaft hatten sich vorgenommen, um jeden Preis „dahinter zu kommen“. Es war nicht möglich. Der alte schlaue Jurist und alle seine Freunde mußten endlich zugeben, daß sich keines der merkwürdigen spiritualistischen Phänomene natürlich erklären lasse.

Faraday, der berühmte Natur-, besonders Elektricitätsforscher, hatte es anfangs versucht, die sich unter ausgelegten Menschenhänden drehenden Tische durch „unwillkürliche Muskel-Action“ zu erklären. Als ihm aber die Tische unter den Händen verschwanden und sich mit Gewalt an die Decke erhoben und vor seinen Augen in der Luft schwebten – auch dieser Unsinn steht gedruckt –, zog er sich mit seiner Theorie zurück und konnte seitdem nie wieder bewogen werden, andere und noch auffallendere Erscheinungen mit anzusehen. Selbst als man ihm sagte, daß er Mr. Home selbst in die Luft steigen und an der Decke schweben sehen sollte, mit nichts als Luft unter seinen Stiefelsohlen, nichts als Luft um ihn her (wie er nach Zeugen-Aussagen im Cornhill-Magazine mehrmals gethan haben soll), lehnte er entschieden ab und hielt sich seitdem immer fern von einem Gebiete, das seiner Naturwissenschaft eine Niederlage bereitet hatte.

So gibt’s Beispiele auf Beispiele, deren Zahl wir nicht unnöthig vermehren wollen. In englischen Zeitungen und Büchern kann man deren noch in Masse lesen. Doch noch eins, das ganz besonders merkwürdig aussieht. Ein Naturforscher, Arzt und Redacteur einer wissenschaftlichen Zeitschrift in London hatte in seinem Blatte Jahre lang mit besonderem Eifer gegen die verrückte Tischdreherei und Spiritualisterei gekämpft, doch rückte sie ihm immer näher auf den Leib. Freunde und wissenschaftliche Autoritäten hatten gesehen, untersucht und – gestanden. So ging er endlich schnurstracks zu dem Advocaten und Spiritualismus-Schriftsteller W. Wilkinson, 44 Lincoln’s Inn-fields in London, und sagte: „Sie erzählen da in Ihrem Spiritualisten-Magazine Wunder auf Wunder; ich fordere Sie heraus, auch mir solche zu zeigen.“ Wilkinson nahm die Herausforderung an und begab sich mit dem amerikanischen Medium, Mr. Squire, in dessen Haus, wo sich mehrere Freunde eingefunden hatten. Diesen wurde Gelegenheit gegeben, erst einen ganzen Tag und dann noch zwei halbe Tage die Leistungen des Mediums an Wilkinson’s eigenen Tischen und Meubles zu studiren und zu bestaunen. Ein Tisch ward von unsichtbaren Gewalten von einem Zimmer in das andere geworfen, ein anderer Tisch, für Wahnsinnige gemacht, ungemein fest und rings herum mit Eisenreifen beschlagen, ward vor den Augen Wilkenson’s und seiner Freunde von unsichtbaren Händen zerschmettert und in Stücken auseinander geschleudert. Wilkinson und seine Freunde veröffentlichten diese und andere vor ihren Augen geschehene Thatsachen und zugleich ihre Geständnisse, daß sie sich in ihrer bisherigen Feindseligkeit gegen den Spiritualismus geirrt hätten, in einer Nummer des „Spiritual Magazine“.

Das sind einige Stimmen und Thatsachen. Allerdings ist von den Gegnern auch der Beweis geliefert worden, daß unter der Stubendecke sehr menschliche Hände sogenannte Geisterarbeit verrichteten, daß viele Citirungen einen lächerlichen Ausgang hatten, daß die Herren Geister stets mit der Orthographie auf gespanntem Fuße standen, und was der groben Täuschungen mehr waren. Das hilft aber wenig oder gar nichts. Der Curiosität wegen fügen wir noch aus einem Berichte über ein Medium in Rom, der in der englischen Wochenschrift: „The Welcome Guest“ (der willkommene Gast) Seite 77 u. ff. erschien, folgende höchst schauerliche Geschichte hinzu.

„Das Medium ist ein Küster, der in einem düstern, schmutzigen Hause neben einer Kirche wohnt. Engländer sind aus Langweile zu ihm gekommen, um sich etwas „vormachen“ zu lassen. Zunächst tanzen Tische und Stühle in längst hergebrachter Weise. Hernach werden Geister citirt und mit Fragen belästigt, die sie auch größtentheils durch übliches Klopfen beantworten. Hernach citirt ein Engländer den berühmten, verstorbenen Boxer Cribb und fordert ihn heraus. Sofort setzt sich ein Tisch gegen ihn in Bewegung und treibt ihn mit Anläufen und Stößen in eine Ecke, wo der schreiende Engländer nun so lange tüchtige Püffe mit der Tischplatte in die Magengrube bekommt, bis der Küster, Cantor, Organist und Geistermann den verstorbenen, im Tische steckenden Boxer ergreift und entwaffnet. Schon ganz hübsch. Nun kommt aber erst die Hauptsache. Unter Anderen wird Mozart citirt und gefragt, ob er etwas spielen wolle.

„Ja,“ in zwei lauten Stößen.

„Auf dem Piano?“

„Nein.“

„Wo denn sonst?“

„Auf der Orgel in der Kirche.“

Die Gesellschaft begibt sich also mit einer Fackel in die Kirche daneben.

Der Erzähler tritt die Bälge und vernimmt bald herrliche Mozart’sche Töne schwellen, absterben und wieder aufschwellen.

„Es folgte eine Pause,“ fährt er fort. „Mein Herz schlug heftig von seltsamer Angst. Plötzlich füllte sich der ganze Raum, in welchem ich stand, mit blendendem Lichte, und die Orgel rauschte auf von den ersten Passagen des berühmten „Gloria“ in der zwölften Messe Mozart’s. Dies war nicht Alles. In die Orgeltöne stimmte ein volles Orchester ein: die Chöre wurden deutlich von mehreren hundert Stimmen gesungen. Orgel, Orchester und Chor in gewaltigster, harmonischster Einheit. Endlich kommt der Chor zum Schlusse, bewußtlos, hingerissen stimme ich mit aller meiner Kraft ein: „Et in terra pax hominibus bonae voluntatis“ und falle ohnmächtig zu Boden.“

Sehr gut! Ein brillanter Schluß! Ganz der höhere Schwindel! Wir nehmen hier an, daß der Verfasser eben nur einen pikanten Artikel mit einem schauerlichen Kladderadatsch-Schlusse habe schreiben wollen, und verweisen ihn in das Gebiet der Phantasie. Aber die jahrelange Klopferei und Wunderthäterei nicht nur vor Kaisern und Königen, sondern auch vor aufgeklärtesten Männern der Wissenschaft, die nun dutzendweise öffentlich auftraten und bürgten für die Realität spiritualistischer Wunderdinge der verschiedensten Art? Was fangen wir mit ihnen an? Wenn die Wissenschaft das Ganze als eine elende Betrügerei hinstellt und einen Brewster, Lord Brougham, einen Faraday und Andere Lügen straft, so ist sie auch den Beweis schuldig, wenn sie die vielen Hartgläubigen überzeugen und heilen will. Mit Spott allein ist’s nicht gethan, wo nur Gründe helfen können. Hoffen wir also, daß sich deutsche Gründlichkeit einmal ordentlich dahinter mache, diese Geister der Lächerlichkeit zu übergeben, wie sie es verdienen.





  1. In England ist augenblicklich, wenn nicht der Teufel, doch die ganze Geisterwelt losgelassen. Dadurch, daß der bekannte englische Schriftsteller Thackeray in seiner vielgelesenen Zeitschrift in einem längeren Artikel die Erklärung abgab, eine Verbindung der diesseitigen und jenseitigen Welt vermittelst der Tischbeine sei nicht wegzuleugnen, wurde ein Feuerbrand in die englische Presse geworfen, der jetzt in hellen Flammen aufschlägt. Selbst die täglichen Zeitungen betheiligen sich daran und sind in zwei Lager getheilt – für und gegen den Schwindel. Eine Wochenschrift: Spiritual Magazine zählt heute bereits 15,000 Abonnenten. Alle Geisterbeschwörungen, sie mögen noch so kindischer und roher Natur sein, finden unter den Anhängern des Spiritualismus Glauben; ja wir müssen es mit Bedauern gestehen, daß sich sogar einige Männer der Wissenschaft durch diesen neuen Aberglauben übertölpeln ließen. Ist es doch, als ob die Zeiten eines Cagliostro, eines Schrepfer wiedergekehrt wären! Jedenfalls ist diese Erscheinung aber zu wichtig, oder vielmehr zu traurig, als daß sie von der Presse vornehm ignorirt und übersehen werden könnte. Wir geben vorläufig den Bericht unseres bekannten Londoner Mitarbeiters, der nur Thatsachen und Erklärungen bringt, später hoffen wir in einem längeren Artikel nochmals darauf zurückzukommen und aufklärende Details bieten zu können. Deutsche Wissenschaft und deutsche Aufklärung werden hoffentlich bald diesem Treiben ein Ende machen.
    D. Red.