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Gesellschaft, und ohne ihn ist ein geselliges Zusammensein, selbst in den Palästen der Großen, so fade wie eine Vorlesung in der Akademie oder eine Debatte im Verein zum Schutz der Autorenrechte oder ein moderner Schwank.

Aber nicht die Gesellschaft allein wird ihn willkommen heißen. Die Kunst, die dem Kerker des Realismus entronnen ist, wird herbeieilen, ihn zu grüßen und wird seine schönen, falschen Lippen küssen, denn sie weiß: er allein ist im Besitz des großen Geheimnisses all ihrer Offenbarungen, des Geheimnisses, daß die Wahrheit ganz und gar eine Sache des Stils ist; das Leben aber, das arme, wahrscheinliche, uninteressante Menschenleben, das genug davon hat, sich Herrn Herbert Spencer oder wissenschaftlichen Historikern und all den Kärrnern der Statistik zu Gefallen zu wiederholen, wird demütig hinter ihm hergehen und wird versuchen, in seiner eigenen einfachen und unfertigen Manier etliche von den Wundern, von denen er spricht, nachzumachen.

Gewiß, es wird immer Kritiker geben, die wie ein gewisser Rezensent im „Saturday Review“ einen Märchenerzähler ernsthaft wegen seiner mangelhaften naturwissenschaftlichen Kenntnisse tadeln, die Werke der Phantasie an ihrer eigenen gänzlichen Phantasielosigkeit messen und ihre tintenfleckigen Hände entsetzt zum Himmel heben, wenn ein Ehrenmann, der nie über die Eiben in seinem Garten hinausgekommen ist, ein spannendes Reisewerk schreibt wie Sir John Mandeville, oder wie der große Raleigh eine ganze Weltgeschichte verfaßt, ohne das geringste von der Vergangenheit zu wissen. Zu ihrer Rechtfertigung versuchen sie, sich unter dem Schild des Mannes zu bergen, der den Zauberer Prospero geschaffen und ihm

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Oscar Wilde: Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben. Insel, Leipzig 1907, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Gespr%C3%A4che_von_der_Kunst_und_vom_Leben.pdf/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)