Seite:Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben.pdf/112

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

auf falschem Wege und falschen Personen. Es liegt ein groteskes Schrecknis um seine Komödien, und seine Tragödien wollen in der Farce gipfeln. Man wird immer verwundet, wenn man sich mit ihm einläßt. Die Dinge dauern entweder zu lang oder nicht lang genug.

Ernst: Armes Leben! Armes Menschenleben! Rühren dich nicht einmal die Tränen, die, wie der römische Dichter sagt, untrennbar zu ihm gehören?

Gilbert: Zu rasch rühren sie mich, fürchte ich. Denn wenn man auf das Leben zurückblickt, das in der Stärke seiner Empfindungen so glühend war und so von feurigen Augenblicken der Ekstase und Freude erfüllt, so scheint alles ein Traum und eine Täuschung zu sein. Was sind unwirkliche Dinge, wenn nicht die Leidenschaften, die einen einst wie Brand und Feuer verzehrten? Was sind unglaubliche Dinge, wenn nicht die Dinge, die man fromm geglaubt hat? Was sind unwahrscheinliche Dinge? Die Dinge, die man selber getan hat. Nein, Ernst; das Leben hält uns mit Schatten zum besten und gleicht einem Puppenspieler. Wir begehren Genuß von ihm. Es gibt ihn uns, mit Bitterkeit und Enttäuschung im Gefolge. Wir erleben einen adligen Schmerz und wir wähnen, er werde unser Dasein in die purpurne Würde des Tragischen hüllen, aber er geht von uns, und Dinge, die weniger edel sind, verdrängen ihn, und es kommt ein grauer, stürmischer Morgen oder ein dufterfüllter Abend voll silbernem Schweigen, da finden wir uns, wie wir mit stumpfem Staunen oder einem toten, steinharten Herzen auf die goldigschimmernde Locke starren, die wir einst so wild angebetet haben und so wahnsinnig geküßt.

Ernst: So wäre also das Leben ein mißglücktes Unternehmen?