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Fabeldichtung vor uns sehen; wie sie denn auch sonst der Gnomen, Sprüche und Sprüchwörter gnug zusammengetragen haben, ohne daß sie es wußten und sagen konnten: woher oder wozu jeder Spruch ursprünglich erfunden wäre? Nachahmende Fabulisten, die für Bücher schrieben, fanden diese Abkürzung sehr bequem, da sie ihnen die Mühe ersparte, einen Fall der Anwendung sich selbst zu erdenken; und warum hätten sie damit den Leser belästigen wollen, da sie zum Zeitvertreib oder zur moralischen Provision aufs Gerathewohl der Zukunft schrieben? Daher nun die unerträgliche Langeweile, wenn wir eine Reihe Fabeln ohne Anwendung auf bestimmte Fälle des Lebens nach einander lesen. Es ist als ob uns ein Sack voll moralischer Lehren und Anschauungen über das Haupt geschüttet würde, da, wenn jede dieser Fabeln in einer Geschichte an Stell’ und Ort vorkäme, sie unstreitig ihre Wirkung thäte. Das ist aber einmal das Schicksal

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)