Seite:Zerstreute Blaetter Band III 148.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

vergeblich war, der nicht eben der gegenwärtigen Situation Licht und Leben geschenkt hätte. Aus der Fabel mit der abstrakten Lehre ist diese anziehende Seele der Fabel verschwunden; ein nackter Körper hängt am Kreuze da und die Aufschrift dessen, was er bedeuten soll, hängt unter dem Kreuze. Jeder Lehrer, der seinem Lehrlinge eine Fabel dieser Art nur einigermaaßen nützlich machen will, muß zu ihr eine zweite fehlende Hälfte, den Fall der Anwendung nämlich, so gut er kann, erfinden; oder er ziert den Kopf des Kindes mit einem trocknen Allgemeinsatz und erntet leere Hülsen.


Es giebt also eigentlich keine einfache Fabel; jede ist zusammengesetzt aus dem wirklichen Fall, auf welchen sie angewandt werden soll und aus dem erdichteten, den eben für ihn der Fabellehrer aussann. Daß die schriftlichen Sammler der Fabeln Aesops die Eine, die wahre und wirkliche

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_148.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)