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möglich, indem meistens nur unsre Schläfrigkeit daran schuld ist, daß wir träumend ahnen, statt wachend vorauszusehn, ja an dem dunkeln Vorempfinden sogar ein Vergnügen finden. Thiere leitet der Trieb; und auch den Menschen leitet er da, wo er nur Thier seyn darf. Wo er als Mensch handeln soll, wird sich die warnende oder aufmunternde Ahnung ihm in eine hellere Stimme verwandeln, sobald er sein eignes Gemüth zu fragen weiß. Statt coeca futuri könnten wir sagen: hominum mens plena futuri; es schlafen in uns weissagende Kräfte und Geister.

3. Wünsche, sagt man, fliegen in die Luft, oft gar in den Mond; wenn sie indeß reife Früchte unsrer Erfahrungen sind, warum sollten sie nicht auch auf unsrer Erde zuweilen ein ihnen gedeihliches gutes Land finden? Ein bescheidenes Gemüth wünscht wenig; seiner eignen Ruhe wegen beschneidet es der fernhin flatternden Phantasie die Flügel, und mag nicht gern außer

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/263&oldid=- (Version vom 1.8.2018)