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auf handhafter Tat mit Gerüft verfolgten Verbrechers und die Folge vor die Burg eines durch Mannschaft oder Magschaft Verbundenen auf Ladung des Richters. In richtiger Erkenntnis dieses Zusammenhanges hat denn auch der Verfasser des Schwabenspiegels seine Vorlage, den Sachsenspiegel, an unserer Stelle so verstanden, wie wir es tun, und den Text so umgestaltet, daß ein Zweifel über seine Bedeutung ausgeschlossen war. Er schrieb (c. 131 bei Gengler = c. 151b bei Laßberg): „ein ieglich man sol dem künige und andern rihtern rehtes gerihtes helfen, swa si dar zu geladen werdent mit rehte, wider sinen herren und wider sinen mac, und tut wider sine triwe niht.“

Der Verfasser des Schwabenspiegels hat die Bedeutung der Stelle aus dem Zusammenhange, in dem sie steht, richtig erkannt und demgemäß formuliert, während der fast ein halbes Jahrhundert später schreibende Glossator des Sachsenspiegels sich ohne Beachtung des Zusammenhanges an die rein grammatisch genommen näherliegende Deutung gehalten und sie auf ein Recht des Widerstandes gegen den Unrecht tuenden König und Richter bezogen hat. Aber indem er seine Erklärung gibt, läßt er deutlich die Unhaltbarkeit dieser Stelle erkennen. Wenn Eike schreibt „sinem koninge“, so sollte er damit nach Ansicht des Glossators „sunderlike koninge“ meinen, wie den von Böhmen oder Dänemark, nicht aber den deutschen oder römischen König! Der König also, welcher der einzige König für die weit überwiegende Mehrheit der Deutschen war und für die Sachsen doch fast ausschließlich in Betracht kam, hätte unter jener Bezeichnung nicht verstanden sein sollen? Das ist eine Deutung, die das Merkmal des Notbehelfs unverkennbar an der Stirn trägt. Wenn der Glossator ausdrücklich zugibt, daß der Sachsenspiegel einen Widerstand gegen den römischen König nicht erlauben konnte, und da er wissen mußte, daß andere Könige, wenn überhaupt, so doch nur in ganz verschwindendem Maße für die Sachsen in Betracht kommen konnten, so blieb für seine Erklärung kein Raum.

Und noch Eins. Was sollte wohl die starke Betonung: „sime koninge, sime richtere“ bedeuten, wenn es sich

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Karl Zeumer: Das vermeintliche Widerstandsrecht gegen Unrecht des Königs und Richters im Sachsenspiegel. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1914, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_35_074.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)