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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang
Fr. Adler, Rose, Grafe, Chr. Adler: Sagen aus der Provinz Sachsen I

Kirchsee und der Scharrlachsee. Mit den Seen hat es nicht seine Richtigkeit, denn viele Leute in Dornburg erzählen, dass früher jeden Abend ein Schlitten hinter den Gärten des Dorfes entlang, von dem Kirchsee zum Scharrlachsee und zurück gefahren sei. Man habe ganz deutlich den Schlitten fahren hören, und zwar einen Jagdschlitten, sowie das Geläute und Geklingel von Schellen, wie sie die Pferde vor den Schlitten im Winter zu tragen pflegen, aber doch sei es Niemand gelungen, dem Schlitten so nahe zu kommen, dass man denselben deutlich gesehen habe.

Rose.     


5. Der gebannte Verwalter.

In dem Vorwerke bei Barby war ein Verwalter gestorben, der fortan jede Nacht die Ruhe des Viehes zu stören pflegte. Da man den umgehenden Verwalter nicht los werden konnte, so liess man einen Scharfrichter kommen, damit derselbe ihn banne. Der Scharfrichter war auch in der Nacht auf dem Platze und als der Verwalter in den Stall kam, bannte er ihn so, dass derselbe sich nicht bewegen konnte. Darauf nahm der Scharfrichter den Gebannten auf die Schultern und trug ihn nach dem See vor dem Gute. Dort wollte er den Verwalter versenken, wo der See am tiefsten war. Aber der Verwalter bat den Scharfrichter, er möchte ihn doch nicht gerade an der tiefsten Stelle versenken, oder wenigstens zulassen, dass er jedes Jahr einmal auf das Gut kommen dürfe. Da er ausserdem versprach, dass er sich auf dem Gute ruhig verhalten werde, so machte ihm der Scharfrichter das Zugeständnis.

Seit der Zeit hat das Vieh auf dem Gute des Nachts seine Ruhe, aber in den Nächten in der Zeit von Weihnachten bis Neujahr zeigt sich der Verwalter in jedem Jahre bis auf den heutigen Tag.

Fr. Adler.     


Riesensagen.

Auf der grossen Wiese, welche auf der Ostseite des Dorfes Vehlitz liegt, haben sich früher drei grosse runde Aufschüttungen befunden, dieselben sind jetzt abgetragen und dem Rasen gleich gemacht. Aber man kann noch immer die Orte unterscheiden, wo die Aufschüttungen gewesen sind.

Die Male sollen davon herühren, dass früher die Riesen auf dieser Wiese Ball gespielt haben. Da bildete denn das eine Mal das Schenkmal, das andere das Sprungmal, das dritte das Rennemal.


Eines Tages kam ein Riese von dem Orte Dalchau her und ging auf das Städtchen Möckern zu. Der Weg führte ihn über eine Ackerfläche, welche ganz fetten, schwarzen Boden hat, man nennt dergleichen Acker Klei. Nun geschah es, dass sich dieser Klei an den Stiefeln des Riesen festsetzte. Es blieb ihm nichts weiter übrig, wenn er fortkommen wollte, als denselben von den Stiefeln abzuschütteln.

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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_021.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)