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französische[WS 1] verwandelt worden; das französische Protectorat, das eigentlich die französische Herrschaft ist, hat man nicht bloß über alle früher tahitischen Inseln ausgedehnt, die jetzt einen Theil des tahitischen Staates bilden, und deren Bewohner Deputirte in das sogenannte Parlament von Tahiti senden, vielmehr beanspruchen die Franzosen jetzt den ganzen Archipel als ihr Eigenthum. Sie unterhalten auf Anaa, das schon in früherer Zeit eine hervorragende Stellung eingenommen, und dessen Häuptlinge sich eine Art Oberhoheit über die umliegenden Inseln angemaßt hatten, im Dorfe Tuuhora einen Residenten, der die Aufsicht über den ganzen Archipel hat, einen Gensdarmerieposten und einen Gerichtshof, der seine Urtheile nach dem tahitischen Gesetzbuch fällt, wie es von der französischen Regierung umgestaltet ist.

Die politische Gestaltung Mangaravas war etwas abweichend. Auch hier lag das Hauptgewicht in den angesehenen Familien der Häuptlinge, die den Titel Akariki führten; aber neben ihnen gab es außer den besitzlosen Unterthanen wie in Tahiti und Rarotonga noch eine besondere Klasse von Grundeigenthümern, die Rangatira, die an der Herrschaft keinen Theil hatten, und über allen stand die Würde eines Königs, der den Titel Motire geführt haben soll[1]. Der König, welcher die französischen Missionare aufnahm, Maputeoa oder als Christ Gregor Stanislaus, gehörte zwar ursprünglich einer Häuptlingsfamilie an, die erst am Ende des vorigen Jahrhunderts die herrschende Dynastie durch[WS 2] einen inneren Krieg gestürzt und zum Auswandern gezwungen hatte; allein er stand dem Volke ganz wie ein König gegenüber und ganz in demselben Verhältniß, wie es in Tahiti und Rarotonga der Fall war. Eine seltsame Sitte wird erwähnt, daß der älteste Sohn eines Herrschers von seiner Geburt bis zur Mannbarkeit in einem Hause nahe am Gipfel des Berges Duff von allen Menschen getrennt erzogen wurde, wo ihn außer seinen Dienern und Eltern niemand sehen noch sprechen konnte, eine Maßregel, die sicher dazu eingeführt war, um den lästigen Zwang, den das mit der königlichen Würde verbundene Tabu ausübte, zu mildern; denn ohne Zweifel ist mit dieser Entfernung des Kindes zugleich auch das Uebergeben der königlichen Würde auf den Thronfolger verbunden gewesen, wie das in Tahiti der Fall war[2]. In neuester Zeit hat sich auf Anstiften der katholischen Missionare auch der König von Mangarewa der französischen Regierung unterworfen und ihre Oberhoheit anerkannt.


  1. d’Urville. Vol. III. p. 177.
  2. Siehe: Meinicke, Die Südseevölker und das Christenthum. S. 76 f. Daß etwas ähnliches in Rarotonga bestand, geht aus Williams (Mission enterprises. p. 138) hervor.
  1. Vorlage: französiche
  2. Vorlage: dureh
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_403.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)