Seite:Wilhelm Eichhorn - Einsegnungsstunden 1916.pdf/60

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

fort zum Zeugnis von seinem Leiden und Sterben und von seiner Gemeinde, die nach seinem Scheiden aus der Welt sich sammeln sollte auf Erden. Mehr andeutend und rätselweise hat er vor dem Volk von seinem Leiden und seiner darauf folgenden Erhöhung gesprochen, anders im engeren und engsten Kreis und anders im Gespräch mit seinen ausgesprochenen Feinden, wie wir solche Gespräche besonders im 4. Evangelium finden. Da ist Jesus schon Joh. 5, 6, 7 und 8 deutlich hervorgetreten mit dem Zeugnis von seiner göttlichen Sendung. Wir wissen, warum: weil er den Ungläubigen gegenüber die Absicht hat, sie zur Entscheidung zu treiben für oder wider ihn; darum kehrt er ihnen gegenüber gerade die Seite heraus, die den Widerspruch der Ungläubigen sonderlich hervorrufen mußte. Weil sie sich nicht aufrichten wollten an seinem Zeugnis von der göttlichen Sendung, sollten sie daran anlaufen und fallen. In einem dieser Gespräche, mit dem Mann, der damals noch nicht zu seinen Jüngern zählte, hat er Zeugnis gegeben von der Liebe Gottes, durch welche er erschien: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab.“ Und wieviele Zeugnisse dieser Art gibt es auch sonst. Bei den Synoptikern werden zwar mehr die nach außen gerichteten Reden und Wunder des Herrn berichtet, aber wir haben in ihnen Zeugnisse wie von der wahren Menschheit Christi, so nicht minder von der wahren Gottheit. Das 4. Evangelium ist dazu geschrieben „daß ihr glaubet, Jesus sei der Sohn Gottes“, aber nicht minder dazu, um zu zeigen, daß Christus wirklich ist in das Fleisch gekommen. Gerade im 4. Evangelium finden sich nicht wenig deutliche Zeugnisse von der wahren Menschheit des Herrn; „denn ein jeglicher Geist“, sagt Johannes in der das Evangelium wohl begleitenden ersten Epistel, „der nicht bekennet, daß Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen“, d. h. wirklich Mensch geworden, „der ist der Lügner und Widerchrist.“ Ja Christus ist durch die Liebe Gottes gesandt und so vom Himmel herabgekommen in die Welt und Mensch geworden wie wir. Es führt uns das auf die Lehre von der Person Christi. Wir haben das Bekenntnis davon im 3. Artikel der Augsburgischen Konfession: „vom Sohn Gottes“, der so schön im Anschluß an das urälteste Bekenntnis der Kirche, das Apostolikum davon spricht. Wir haben es besonders klar in Luthers Auslegung des 2. Artikels, aber diese Aussagen gehen zurück auf das Bekenntnis der Kirche auf dem Konzil zu Chalcedon 451, dessen Beschlüsse in der Gegenwart von moderner Seite besonders stark angefochten zu werden pflegen. Aber wir sehen deutlich, wie unter Leitung des Geistes Gottes die Entwicklung der kirchlichen Glaubenslehre sich vollzog, wie die Kirche freilich unter viel Kampf und auch unter mancher Irrung aus dem Worte Gottes den Inhalt der göttlichen Offenbarung erkenntnismäßig erfaßte und dann auch bekenntnismäßig