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„Hat sie auch mich geladen?“ fragte der Heilige.

„Wir wissen nichts davon,“ war die Antwort.

Da wurde der Heilige böse, sagte einen Zauberspruch und sprach: „Bleibt! Bleibt! Bleibt!“

Da wurden die sieben Feen an der Stelle festgebannt. Er nahm nun eine Wolke und fuhr darauf zum Palast der Königin-Mutter.

Unterwegs begegnete er dem barfüßigen Gott und fragte ihn: „Wohin des Wegs?“

„Zum Pfirsichmahl“, war die Antwort.

Da log ihn der Heilige an: „Ich habe vom Herrn des Himmels den Befehl, allen Göttern und Heiligen zu sagen, daß sie erst in die Halle der Klarheit kommen sollen, um dort die Riten einzuüben und dann gemeinsam zur Königin-Mutter zu gehen.“

Der Barfüßige glaubte seinen Worten und wandte seine Wolke um.

Da verwandelte sich der Große Heilige in die Gestalt des Barfüßigen und fuhr nach dem Schloß der Königin-Mutter. Dort ließ er seine Wolke sinken und trat ganz unbekümmert ein. Das Mahl war schon bereitet, doch war noch keiner von den Göttern da. Plötzlich roch er den Duft des Weines und sah in einem Seitenraume an die hundert Fässer voll köstlichen Nektars stehen. Das Wasser lief ihm im Munde zusammen. Er riß sich einige Haare aus und verwandelte sie in Schlafwürmer. Die krochen den Schenken in die Nase, so daß sie alle in Schlaf verfielen. Dann ließ er sichs wohlsein an den köstlichen Speisen, öffnete die Fässer und trank, bis er sich einen großen Rausch angetrunken hatte. Da sprach er zu sich selbst: „Die Sache ist nicht recht geheuer. Ich will lieber heim und erst ein wenig schlafen.“ Mit unsicheren Schritten stolperte er aus dem Garten. Richtig verfehlte er den Weg und kam aus Versehen in die Wohnung des Laotse. Da kam er wieder zu sich. Er brachte seine Kleider in Ordnung und ging hinein. Drin war niemand zu sehen; denn

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_375.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)