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nieder.“ Der Holzhacker sprach: „Ich bin ein einfacher Arbeiter; was nennst du mich göttlicher Meister?“ – „Wenn du kein seliger Gott bist,“ antwortete der Affenkönig, „woher hast du denn dann dieses göttliche Lied?“ – Der Holzhacker sagte lachend: „Du kennst dich aus in der Musik. Ich habe wirklich ein Lied gesungen, das mich ein Heiliger gelehrt.“ – „Wenn du mit einem Heiligen befreundet bist,“ sagte der Affenkönig, „so wohnt er sicher nicht weit von hier. Ich flehe dich an, mir den Weg zu seiner Wohnung zu zeigen!“ – Der Holzhacker sprach: „Es ist nicht weit! Es ist nicht weit! Dieser Berg heißt der Berg des Herzens. Eine Höhle ist darin, da wohnt ein Heiliger, er heißt der Erkennende. Unzählige seiner Schüler haben die Seligkeit erlangt. Dreißig, vierzig Schüler sind noch immer um ihn versammelt. Du darfst nur diesem Weg nach Süden folgen, so kannst du seine Wohnung nicht verfehlen.“ Der Affenkönig bedankte sich bei dem Holzhacker, und richtig kam er zu der Höhle, die jener ihm beschrieben. Das Tor war verschlossen, und er wagte nicht zu klopfen. So sprang er denn auf eine Kiefer und brach sich Kiefernzapfen ab, deren Samen er aß. Nicht lange, da kam ein Jünger des Heiligen, machte das Tor auf und sprach: „Was ist denn das für ein Vieh, das da solchen Lärm verführt?“ Der Affenkönig sprang vom Baum, verbeugte sich und sagte: „Ich komme, um die Wahrheit zu lernen. Ich wage nicht zu lärmen.“ Da mußte der Jünger lachen und sagte: „Unser Meister saß gerade in Andacht versunken; da hieß er mich den Wahrheitssucher, der draußen stehe, hereinführen, und nun steht wirklich einer da. Nun, du kannst mit mir kommen!“ Der Affenkönig zog seine Kleider zurecht, rückte den Hut gerade und trat ein. Ein langer Gang führte an prächtigen Gebäuden und stillen verborgenen Hütten vorüber bis an den Ort, wo der Meister auf einem Sitz von weißem Marmelstein aufrecht saß. Rechts und links von ihm standen dienend die Jünger. Der Affenkönig warf sich zur

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_354.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)