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er auf den Pflaumenbaum, unter dem er zur Welt gekommen war, und sprach: „Dies soll mein Name sein!“

Er erlangte große Zauberkünste, durch die er sein Leben verlängerte. Einst dingte er einen Knecht zu seinem Dienst. Mit dem ward er eins, daß er ihm täglich hundert Kupferstücke geben wollte; doch bezahlte er ihn nicht aus und war ihm schließlich sieben Millionen zweihunderttausend Kupferstücke schuldig. Da bestieg er einen schwarzen Stier und ritt nach Westen. Er wollte seinen Knecht mitnehmen. Als sie aber an den Han-Gu-Paß kamen, da weigerte sich der Knecht und verlangte seine Bezahlung. Doch Laotse gab ihm nichts.

Als sie sich dem Hause des Paßwächters nahten, da zeigten sich am Himmel rote Wolken. Der Paßwächter verstand das Zeichen und wußte, daß ein Heiliger nahe. So ging er ihm entgegen und nahm ihn in seinem Hause auf. Er fragte ihn nach geheimer Weisheit. Laotse aber streckte die Zunge weit heraus und sagte nichts. Dennoch beherbergte ihn der Paßwächter aufs ehrerbietigste in seiner Wohnung. Laotses Knecht erzählte dem Diener des Paßwächters, daß sein Herr ihm noch viel Geld schuldig sei, und bat, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Als der Diener von der großen Summe hörte, da lockte es ihn, so einen reichen Mann zum Schwiegersohn zu haben, und er gab ihm seine Tochter zur Frau. Schließlich hörte der Paßwächter von der Sache und trat mit dem Knecht zusammen vor Laotse. Da sprach Laotse zu seinem Knecht: „Du Schalksknecht! Du wärest eigentlich schon lange tot. Ich habe dich gedingt, und da ich arm war und dir kein Geld geben konnte, habe ich dir einen Zauber des Lebens zu essen gegeben. Darum bist du noch heute am Leben. Ich sagte dir: ‚Wenn du mir nachfolgst nach Westen ins Reich der seligen Ruhe, dann will ich dir deinen Lohn in gelbem Golde zahlen‘. Du aber hast nicht gewollt.“ Damit klopfte er dem Knecht auf den Nacken. Da öffnete der den Mund und spie den Zauber des Lebens auf die

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_067.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)