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er sich bald und faßte die dargebotene Hand und drückte sie ehrerbietig an seine Lippen, indem er verbindlich erwiederte: Auch in Westphalen, edle Frau, ist die Schönheit stets Königin! Schenket uns lange die Gnade, meine, und dieses Schlosses Gebieterin zu seyn!

Seine Züge hatten sich bey diesen Worten ungewöhnlich belebt, seine dunklen Augen glänzten, auf seinen Wangen brannte ein lebhaftes Roth. Die Gräfin drückte ihm leise die Hand, zum Zeichen, wie seine Höflichkeit ihr angenehm sey, und ihre Augen ruheten mit sichtlichem Wohlgefallen auf der Gestalt des Ritters, die immer noch schön und kräftig war, und der die Blässe des Gesichts einen eignen Reitz verlieh. Der Ritter schlug verwirrt seine Augen zu Boden; während seine Hände heftig zitterten.

Nicht minder aber zitterte der schöne Page der Markgräfin, der frech durch die Reihen der Ritter und Frauen seiner Gebieterin sich vorgedrängt hatte, und Zeuge dieses Auftrittes gewesen war. Aber er zitterte vor Wuth, denn seine Augen funkelten und starrten bald die Gräfin, bald den Ritter von Volmestein an, und seine feinen Lippen preßten sich fest und lange aufeinander. So ging er, als Gervin jetzt den Arm der Gräfin nahm, und sie, gefolgt von den Uebrigen, in die Burg führte, hinter den Beyden her, und deutlich genug verriethen seine Blicke eine innerlich kochende Eifersucht. –

Leben und Freude kehrten mit den Fremden in die Burg Volmestein ein, sie schien plötzlich wie umgewandelt; wer sie nur wenige Tage vorher gesehen hatte, hätte sie nicht wieder erkannt. Vom frühen

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 073. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_073.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)