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161. Der Wundermann von Zehren.

Unterhalb der Stadt Meißen liegt am rechten Ufer der Elbe das stattliche Kirchdorf Zehren. Hier lebte einst ein Schäfer, der in dem Rufe eines Wundermannes stand. Er konnte, wie die Leute sagten, mehr als Brot essen. Der betreffende Schäfer besaß eine Wünschelrute. Mit Hilfe derselben konnte er verborgene Schätze heben, und oftmals wurde seine Hilfe in Anspruch genommen.

Zehren um 1840.

Von Zehren aus fuhr noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts jede Woche ein mit den Erzeugnissen der Zehrener Bauern beladenes Schiff hinauf nach Dresden. Dieses Schiff nannte man das Marktschiff. Einst kamen auf diesem Schiffe zwei Bauern aus Dresden zurück. Sie ließen sich mit einem Kahne des Marktschiffes nach dem Spitzhause übersetzen. Bei dieser Ueberfahrt hatten die betreffenden Bauern das Unglück, einen Sack, in welchem 700 blanke Taler enthalten waren, in den tiefen Elbstrom fallen zu lassen. Alle Versuche, den versunkenen Schatz wieder zu heben, waren vergeblich. Da wandten sie sich in ihrer Verzweifelung an jenen Schäfer in Zehren. Derselbe sollte helfen. Der Wundermann sagte zu, nahm die Wünschelrute und ließ sich von den beiden Bauern auf einem Kahne nach der Unglücksstelle fahren, wo der Geldsack von den Wellen des Elbstromes verschlungen worden war. Der Schäfer nahm nun die Wünschelrute zur Hand und hielt dieselbe forschenden Blickes über das Wasser. Schon nach kurzer Zeit deutete er mit dem Finger auf einen Punkt im Elbstrome und sagte zuversichtlich: „Hier liegt das Geld!“ – Mit einem Haken angelte der eine Bauer in die Tiefe des Wassers. Nicht lange dauerte es, da hing an dem Haken der versunkene Geldsack. Der wiedergefundene Schatz wurde emporgehoben und freudestrahlend in Empfang genommen.

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_384.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)