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Verschiedene: Wünschelruthe

Erste Szene.
Der Wirth. Bursch und Bürger allzumal,
     Was in der Stadt nur hauset,
     Feiert heut in diesem Saal
     Den Sieg und trinkt und schmauset.
Die Auswärter. Langsam hier und langsam dort,
     Gerufen sind wir säumig.
     Zum spatziern ist dieser Ort
     Für uns genug geräumig.
Der Wirth. Heute dieser, morgen der,
     Was kümmern mich die Leute!
     Schlechte Waaren geb ich her,
     Ihr Geld ist gute Beute.
Studenten. Pfeifen und Taback und Bier
     Und Rheinwein her in Flaschen!
     Tummelt euch, sonst kommen wir
     Euch auf die Backentaschen.
Einer. Seid ihr verrückt mit eurem Bier,
     Aus allgemeinem Beutel?
     Wie wir hier sind, so saufen wir
     Champagner voll die Scheitel.
(zum Aufwärter). Was paßt er noch, der Mausekopf?
     Soll ich ihm Beine machen?
     Komm ich dir Tropf, erst an den Schopf
     Vergeht dir schon das Lachen.
Aufwärter. Ja wollten Eure Gnaden sich
     Nur deutlich expliciren,
     Was Sie befehlen will ich mich
     Dann gleich zu schaffen rühren.
Bürger. Habe früh mich hergemacht,
     Da kaum die Lichter blinken;
     Wie soll ich sonst auch diese Nacht
     Mein Theil heraus noch trinken.
Student. Ist der Blitzphilister doch
     Auch schon hergekrochen,
     Hat in seinem Rattenloch
     Wohlfeilheit gerochen.
Bürger. In den Winkel hinterm Tisch
     Muß ich mich bequemen,
     Das Völkchen möchte gar zu frisch
     Mich in die Mitte nehmen.
Student. Es will das alte Fell sich stumm
     Dort mit Malice drücken;
     Wir bringen es zu uns herum,
     Am Zeug ihm was zu flicken.
(zum Bürger.) Seid uns willkommen, edler Herr,
     An diesem schönen Feste.
     Nun kommt nur munter zu uns her,
     Es fließt hier Wein, der beste.
Ein Anderer. Ei nur heran, den dürren Gaum
     Mir Rebensaft zu laben,
     Und haben wir auch den Besten kaum,
     Euch woll’n wir dazu haben.
Der Bürger. Der Wein, den sie sich frech ertobt,
     Sollt’ das die Kehle kitzeln,
     Drum nur gewagt, nur dreist erprobt,
     Und mögen sie auch witzeln.
Der Wein. Wem noch die Adern jugendlich schwellen,
     Hält ihn die Freud’ umfaßt, küßt ihn der Scherz,
     Hier an den hellen goldigen Wellen,
     Freue sein Auge sich, lab’ er das Herz.
Chor der Studenten. Wie ’s diesen Gläsern hier ergeht,
     Wir schlagen sie zu Scherben,
     So mag die Philistrosität
     Auch heute noch verderben.
Blöder. Möcht’ ich auch wohl in jenem Kreis
     Mich letzen und ergötzen,
     In solcher Stimmung, wie ich weiß,
     Kann’s leichtlich Händel setzen.
Entrepreneur. Wie ungebührlich machen sich
     Die unverschämten Knaben!
     Doch wart, Ihr sollet sicherlich
     Nicht Krum’, nicht Tropfen haben.
Student. Müssen dort dem Sauertopf
     Um den Bart wohl streichen,
     Fährt es ihm sonst durch den Kopf,
     Läßt er uns nichts reichen.
(zum Entrepeneur). Herr Hauptmann, herrlich haben Sie
     Doch alles arrangiret,
     An Ort und Art, an Wo und Wie
     Man gleich den Meister spüret.
Anderer. Sie werden die Erlaubniß mir
     Doch grausam nicht versagen,
     Mit Ihrer Frau Gemahlin hier
     Den ersten Tanz zu wagen?
Entrepreneur. He! hier heran! nur hergebracht
     Vollauf von allen Sorten;
     Was diesen Herren Freude macht,
     An Speisen, Wein und Torten.
Student. Seht, ich versteh’s dem Kaufmannsstock
     Das Herz im Leib zu rühren,
     Zu gern läßt er im Landsturmrock
     Sich Hauptmann tituliren.
Junger Doktor. Wie können doch die Kerle nur
     Sich so brutal betragen,
     Von Anstand sieht man nicht die Spur,
     Was soll man dazu sagen?
Rhetor. Es kitzelt mich, ich weiß nicht was,
     Seh ich die Gläser blinken;
     Und schickte irgend sich der Spaß,
     Möcht’ ich mich wohl betrinken.
Korpulenter Bürger. Ich würde besser tausendmal
     Ergötzen mich und pflegen,
     Dürft’ ich nur hier im heißen Saal
     Den Rock bei Seite legen.
Student. Uebel ist’s nicht, sicherlich,
     Hier Champagner saufen,
     Möcht’ noch hol der Teufel mich,
     Gerne heut mich raufen.
Anderer. Ein jedes Ding hat seine Zeit,
     Soll Salomo schon sagen,
     Drum weil ich trinke, trink’ ich heut,
     Und morgen geht’s ans Schlagen.
Fremder. Schön daß die Burschikosität
     Sich frank und frei kann rühren,
     Zum Spaß möcht’ ich die Fakultät
     Zu diesen Leutchen führen.
Die Galanten. Wir wollen nur im Stillen schnell
     Ein gutes Gläschen ziehen,
     Dann kann man freier um Mamsell
     Sich angenehm bemühen.
Die Andern. Nein dieser Blick und dieser Tick
     Und diese Kerls, sie meinen
     Nur so im Rock, Gang und Geschick
     Kann Vornehmheit erscheinen.
Alte Herren am Tisch.
Erster. Ich lobe mir den Rheinwein doch
     Vor allen den Getränken
     Und hier möcht ich dem Steinwein noch
     Ein eignes Kränzlein schenken.
Kenner. Wie michs bedünkt, ist dieser Wein
     Vom Jahre vier und neunzig;
     Er hängt am Glas so hell, so rein,
     Und das Bouquet ist einzig.
Rhetor. Adler, Ros’ und Diamant
     Bei Vögeln, Blum’ und Steinen
     Werden Könige genannt,
     Champagner bei den Weinen.

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_224.jpg&oldid=- (Version vom 9.8.2018)