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Verschiedene: Wünschelruthe

Die Zeit verräth und hängt den Dieb.




Der Alchimist.




(Schluß).

Valentina sehnte sich indeß nach dem fernen Gatten; in stiller gewohnter Weise das Hauswesen besorgend hatte sie nur an den Kindern noch Freude, sonst schien sie nicht nur traurig, sie war es wirklich. – Gedanken an Reichthum, an künftiges Wohlleben verscheuchten die Sehnsucht; hatte sie sich doch dem Geliebten ganz hingegeben, all ihr Denken ihr ganzes Wesen gehörte nur ihm an. Wie die Blume sich zum Lichte wendet, wie der Magnet nur nach Norden weist, so fühlte sie sich nur zu ihm hingezogen, nur in ihm lebte sie. Deshalb erschien sie andern kalt und unzugänglich; Fazio selbst konnte ihre Liebe nicht verstehen. Einen frohlockenden Brief des Goldschmieds, worin er den glücklichen Fortgang und die baldige Beendigung des Wechselgeschäft’s berichtete, zeigte sie, wie es verabredet war, den Bekannten.

Fazio war nun zurückgekehrt und begann pralerischen Reden durch hochfahrenden Aufwand Gewicht zu geben, die ungewohnten leichterworbenen Reichthümer im übermüthigen Gefühl eigner Klugheit vergeudend. Seiner Kunst, seiner Schätze wegen feierte und beneidete man ihn. – Ein Landgut wurde angekauft, eine geräumige Wohnung neben dem vorigen bescheidnen Häuschen bezogen, eine zahlreiche Dienerschaft angenommen. Aber daheim war des Goldschmieds Bleiben nicht, er mußte hinaus in betäubendem Lustrausch, unaufhaltsam dem Verderben zu, als habe er die zauberisch lockenden Töne gehört, die hin zum Venusberg reißen unwiderstehlich, und kein getreuer Eckart trat ihm warnend entgegen. Nur leise bescheidne Vorwürfe wagte Valentina, die mit Kummer fühlte, daß auch Fazio’s Liebe im leichtsinnigen Rauschen und Treiben seines Lebens unterging; ihre bittenden Worte, ihr flehender Blick vergällten ihm das eigne Haus mehr und mehr und trieben ihn nur immer weiter, immer tiefer in den Strudel der Sinnenlust. Wie oft wünschte sie sich die alte Stille, die alte Dürftigkeit, ach und Fazio’s Herz zurück. Wenn er, bei wüsten Gelagen in Trunk und Spiel der Freude nachjagend, sie lange einsam ließ, dann schlichen wohl wie zwischen Wachen und Traum düstre peinigende Bilder ihr in den Sinn, unheimliche Gedanken führten sie fort und fort bis an die blutige That, die Quelle des verhaßten Reichthums, ein graulicher Schleier verhüllte den Mord, sie wollte, sie mußte ihn zerreißen, dann aber fuhr sie plötzlich auf in tödtlicher Angst vor sich selbst erschreckend, und rang die Hände und weinte, und betete. –

Gleich nach seiner Rückkehr hatte der Goldschmied der Gattin Widerrede ungeachtet eine bejahrte Verwandte zu sich gerufen, die mit Gianina ihrer Tochter dem Haushalt vorstehen sollte. Die schlaue Nina; im Glanz der Jugend und Lebenslust, in den üppigsten Reizen prangend, lockte und winckte lange vergebens – endlich rissen die letzten Banden die Fazio an Valentina fesselten, er war gefangen im verderblichen Garn der Bulerin, sie umstrickte ihn fest und fester; nicht verhehlen wollte sie ihren Sieg, Alle sollten ihn sehen, ihn fühlen, auch die Gattin. – Da schien es als wäre ein finstrer Geist in Valentina Herr ihrer Liebe geworden und die Sanftmut verließ sie; mit entschiedener brennender Heftigkeit erklärte sie sich gegen den Ungetreuen – was sie erlangte war nichts, als daß er mit der Verhaßten fortzog auf sein Landgut, dort ungestört mit ihr zu schwelgen.

Valentina verschloß sich in ihrem Gemach, dort haben sie die Diener wimmern hören – nachmals hat ein Bürger gesehen, wie sie lange vor dem Bilde der heiligen

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_073.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)