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aus dem Gesichtspunkte des Ich: er wird also auf dieser Stufe der Cultur auch bei der Aufstellung eines neuen Zeitworts von der ersten Person ausgehen. Daher kann es nicht fehlen, daß ein neues Wort, gebildet in Zeiten höherer Cultur, von den ursprünglichen Formen derselben Sprache abweichen mußte. Im Anfange wurden nun solche Worte mit den alten, von welchen sie abstammten, zugleich gebraucht; aber bald wurden jene allgemein, und verdrängten die letztern. Denn, so wie die Nation in ihrer Cultur weiter vorrückte, mußte sie nothwendig die neuern Formen ihren Begriffen angemessener finden, und über dem Gebrauche derselben die ältern bald vergessen.


So wird selbst bei einem Volke, das von allen äußern Einflüssen frei bleibt, sich mit keinem andern Volke vermischt, seinen Wohnplatz nie verändert u. s. w., die rohe Natursprache nach und nach untergehen, und anderen Stelle eine andere treten, die von jener auch nicht die leichteste Spur an sich trägt. Man würde sich also irren, wenn man glaubte, die Griechen, Römer und andere hätten nie eine Ursprache gehabt, weil sich keine Ueberreste davon bei ihnen fänden. Jene Urtöne sind nach und nach aus der Sprache verschwunden, als sie sich durch Zeichen ersetzt sahen, die dem cultivirten Geiste des Volks besser entsprachen.


Eine eigene Erscheinung in den neuern Sprachen sind die Hülfsworter; das: ich bin, werden u. s. w. Diese Bezeichnungen, wo sie sich in einer Sprache finden, beweisen

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_325.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)