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der Nachdruck gelegt werden mußte. Durch einen solchen leichtern und kürzern Ton konnte sich das Substantiv in der Folge überhaupt recht wohl von dem Zeitworte, von welchem es abstammte, unterscheiden, ohne daß im Ganzen die Aehnlichkeit verloren gieng, welche selbst noch in unsern Sprachen zwischen Substantiv und Zeitwort, wenn sie aus derselben Quelle entsprungen sind, statt findet.


Hier noch etwas über die Stellung der Worte, welche zusammengefügt werden sollen. Wenn ausgedrückt werden soll: der Löwe schläft und ruht aus; so wird zuerst der ursprüngliche Ton des Löwen, hier in substantiver Bedeutung, d. h. nicht mit der ganzen Stärke des Tons als Hauptwort, sondern kürzer abgebrochen mit dem folgenden Ton zusammenfließend, vorgetragen: zu diesem wird, als ein Adjectiv, der Ton des Schlafens hinzugefügt, und zuletzt kommt das Zeitwort ausruhen. Der ursprünglichen Wortfügung gemäß, gehört also dem Substantiv der erste Platz. Wie kömmt es zu dieser Stelle? — Der Naturmensch hält sich im Vortrage seiner Gedanken genau an die Ordnung, in welcher die Vorstellungen in der Seele auf einander folgen. Immer kömmt aber im Denken das am wenigsten Bestimmte zuerst, und hierauf folgen die nähern und noch nähern Bestimmungen. Folglich mußte auch in der Natursprache das für uns Unbestimmte, oder am wenigsten Bestimmte zuerst gesetzt werden, und die nähern Bestimmungen erst nachfolgen. Nun ist das Substaniv immer das Unbestimmteste: durch ein Adjectiv, das

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_310.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)