Seite:Vom Heerschilde 150.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

unvollkommen verstand, dem zweiten aber nicht der Urtext, sondern eine sehr mangelhafte, von jenem gefertigte Uebertragung desselben vorlag. Im allgemeinen werden wir davon ausgehen dürfen, dass je enger sich der Schwabenspiegel an den Sachsenspiegel anschliesst, um so geringere Bürgschaft geboten ist, dass seine Darstellung den thatsächlichen Zuständen des Südens wirklich entspricht.

Wenn der Schwabenspiegel den vierten Heerschild den freien Herren zuspricht, so kann sich das, falls andere Gründe die Genauigkeit des Ausdrucks bedenklich machen sollten, aus dem engen Anschlusse an die Vorlage erklären. Finden wir auch sonst freie Herren als eine vor den Mittelfreien bevorzugte Klasse, so kann es doch auffallen, dass die freien Herren des Sachsenspiegels nicht immer als solche auch im Schwabenspiegel bezeichnet sind, und uns auf die Vermuthung führen, der sächsische freie Herr habe doch nicht überall dem, was man im Süden so nannte, entsprochen. Wir finden nämlich in entsprechenden Stellen, auch den Ausdruck Semperfreie oder, wie es einigemal im Deutschenspiegel heisst, Garfreie[1] gebraucht und zwar beim ersten Vorkommen so, dass er nach oben hin über die sächsischen freien Herren hinausgreift, indem er auch die Fürsten umfasst, aber, wenn es heisst sempar vrien, daz sint die vrien herren, als fursten und die ander vrien zeman habent,[2] doch auch nach unten hin nicht gerade alle freie Herren zu umfassen scheint, da man die Stelle so verstehen könnte, nur die freien Herren sind Semperfreie, welche Freie zu Mannen haben. In derselben Ausdehnung, aber anscheinend auch in derselben Beschränkung, findet sich der Ausdruck freie Herren selbst, wenn es heisst, der vrie herre gibt hundert Mark zur Morgengabe, und hinzugefügt wird: ich mein fursten und ander (hohe) vrie herren, worauf dann die Mittelfreien folgen.[3] Das Wörtchen hohe, durch welches die Beschränkung nach unten hin deutlich hervortritt, fehlt nun nicht allein in Schwabenspiegeltexten, sondern auch im Deutschenspiegel,

  1. Vgl. Ficker Ueber einen Spiegel deutscher Leute 87.
  2. Schwäb. Ldr. Vorr. h. vgl. Deutschsp. 3.
  3. Schwäb. Ldr. 18. vgl. ed. Wackernagel 19. Deutschsp. 23.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)