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Walther Kabel: Verräter (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3)

Es ist dies des Bürgermeisters Melchers abgehauene rechte Hand, mit der er der Stadt einst den Treueid geschworen hatte. Verlockt durch das Gold des Pommernherzogs, spielte er diesem die Stadt in die Hände. Aber die Prenzlauer vertrieben die Pommern wieder und hieben ihrem meineidigen Bürgermeister zuerst die Schwurhand und darauf den Kopf ab.

Ein eigenartiges Verräterdenkmal besitzt die Stadt Magdeburg. Am 21. Mai 1631 wurde Magdeburg bekanntlich von den Kaiserlichen unter Tilly zur Übergabe gezwungen. Die Magdeburger wußten, welches Schicksal ihrer harrte. Die Reichen hatten ihre Schätze längst vergraben, ihre Häuser verlassen und sich in ärmlicher Gewandung in den verfallenden Hütten einquartiert. Dort hofften sie vor den plündernden Soldaten am sicherten zu sein. Nur der Gerbermeister Meinardus, ein reicher Junggeselle, konnte sich von seinem am Breiten Wege gelegenen Hause nicht trennen. Er hatte sich in dem großen Kamin ein Versteck hergerichtet, das nicht so leicht aufzufinden war. Als nun die Kaiserlichen plündernd und mordend die Stadt überfluteten, zog er sich mit seinem Hunde, den er über alles liebte, in diesen Schlupfwinkel zurück. Der Hund aber, aufgeregt durch das Toben und Schreien der das Haus durchsuchenden Soldaten, begann laut zu bellen, bevor ihn noch sein Herr daran hindern konnte. So wurde Meinardus entdeckt. Durch unmenschliche Folterungen zwang man ihn dann, den Ort anzugeben, wo er sein Geld und seine Kostbarkeiten vergraben hatte. Der reiche Gerbermeister starb wenige Tage später infolge der Wunden, die ihm seine Peiniger beigebracht hatten. Sein Bruder aber, der später das Haus am Breiten Wege übernahm, ließ an der Hauswand eine Steinplatte anbringen, auf der das Bild eines Hundes und die Inschrift „Gedenke des 21. Mai 1631“ zu sehen war.

Daß auch Leute durch eine Verkettung merkwürdiger Umstände schuldlos zu Verrätern gestempelt werden können, daran erinnert wieder ein Grabstein, der etwa eine Meile von Kottbus auf Sielower Feldmark steht. Im Juni 1813 lagen in dem Dorfe Sielow nördlich von Kottbus einige Schwadronen französischer Chevaulegers, worunter sich auch viele Westfalen befanden,

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Walther Kabel: Verräter (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Verr%C3%A4ter.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)