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zum Voraus ein Mangel an Arbeitern und ein daraus hervorgehender Monopolpreis nicht erwarten: vielmehr hat die Ueberzahl seiner Bewohner längst jeden Erwerbszweig ergriffen, der nur irgend einen Verdienst abwirft: es haben sich daher nicht nur in den Städten, sondern selbst in den Dörfern Handwerker und Gewerbtreibende jeder Art angesiedelt, was in mäßig bevölkerten Ländern nirgend der Fall ist: ausserdem sind aber noch die Fabriken hinzugekommen, welche Arbeiten der verschiedensten Art, die sonst nur der Handwerker gemacht hat, liefern, und zwar wohlfeiler als dieß dem Handarbeiter möglich wäre.

Durch all dieses sind natürlich auch die Preise der bestellten Handarbeit auf das Niedrigste herabgegangen, und die Ueberzahl der Handwerker, hauptsächlich aus den kleinern Städten und den Dörfern wendet sich – durch die Uebersiedelungs- und Gewerbefreiheit begünstigt – den größern Städten zu, wo bei wachsender Bevölkerung und vermehrten Bedürfnissen eher ein Fortkommen erwartet wird; und so gehört denn auch Ulm, als der Sitz höherer Landesstellen, als Garnisonsstadt, als Handelsplatz, und in neuerer Zeit wegen seiner Befestigung zu denjenigen Städten, in welche von allen Seiten her übersiedelt wird. Auf diese Weise ist in den größern Städten, zu der voranbestandenen starken Concurrenz der ältern Meister unter sich und zu der Concurrenz durch die Fabriken, noch eine neue durch die Einwandernden hinzugekommen; aber die Preise der Handarbeit sind – ungeachtet dieser Concurrenz – nicht gefallen, sondern sie sind vielmehr gestiegen. Diese in allen größern Städten vorkommende Erscheinung ist aber daraus zu erklären, weil sich die Preise der Handarbeit zuvörderst nach denjenigen der unentbehrlichen Lebensbedürfnisse richten, welche in allen größern Städten am höchsten stehen; und welche Preise der Handwerker nur dadurch verdienen kann, daß er auch die Preise seiner Arbeit erhöht.

Ueberdieß wachsen die Ausgaben des Handwerkers mit dem Luxus der größern Städte, der alle Stände durchdringt, und bald roh und geschmacklos, bald zierlich und veredelt zur Erscheinung kommt: allein auch der Aufwand auf den Luxus kann wieder nur durch die Erhöhung der Preise der Handarbeit bestritten werden; der Landmeister, sobald er in die Stadt übersiedelt, geht von den Landpreisen auf die Stadtpreise über: in den Städten sind nur diejenigen Erzeugnisse des Gewerbfleißes

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Christoph Leonhard Wolbach: Ulmische Zustände. Ernst Nübling, Ulm 1846, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ulmische_Zust%C3%A4nde_26.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)