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Oeder Frühling.


Wohl denk’ ich jener sel’gen Jugendträume,
Obschon sich die Gefühle mir versagen,
Wann in den ersten, milden Frühlingstagen
Im Busen sich mir drängten volle Keime.

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Die Ahnung lockte mich in ferne Räume,

Wann wo ein Laut des Lenzes angeschlagen;
Die Hoffnung wollte sich zum Lichte wagen,
Wie aus den Knospen frisches Grün der Bäume.

Doch nun, da ich das Höchste jüngst genossen,

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Gerissen aus dem innigsten Vereine,

Vom reichsten Paradiese kaum verstoßen:

Was sollen nun mir halbergrünte Triften,
Einsamer Amselschlag im todten Haine,
Ein armes Veilchen, noch so süß von Düften?

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0108.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)