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dadurch manchmal recht fühlbar. Stendhal sagt selbst von seinem Buche: „Man muß beim Lesen den Bleistift in die Hand nehmen und das Fehlende zwischen die Zeilen schreiben.“

Übersetzer und Herausgeber hatten unter diesen Umständen keinen leichten Stand. Bei aller Schätzung der Originalität des Stendhalschen Charakters haben sie ihm doch einen besseren Dienst zu leisten vermeint, indem sie seine sibyllinische Sprache mit möglichster Klarheit wiederzugeben suchten. Seinen Zeitgenossen hat sich Stendhal absichtlich recht ungenießbar gemacht, aus Ärger, weil sie ihn doch nicht verstanden, und um sie wieder zu ärgern. Heute, wo die Zahl derer, die ihn verstehen und lieben, täglich wächst, ist das Gegenteil geboten.

Ein zweiter Faktor der Unklarheit ist in der Übersetzung ebenfalls nach Möglichkeit beseitigt worden. Stendhal hat – gleich seinem Geistesbruder Nietzsche – eine eigentümliche Neigung, seine Person, sein Leben, seine Werke und Gedanken hinter erdichtete Namen und Figuren zu verstecken, teils aus reinem Mutwillen, teils aus einem gewissen Schamgefühl heraus, seine intimsten Erlebnisse und aufrichtigsten Bekenntnisse nicht dem ersten Besten preiszugeben. Mehr als in seinen anderen Büchern kommt dieser Hang in „De l’Amour“ zum Ausdruck. Nicht genug mit der Einfühlung Salviatis und seines Freundes Schiaffetti, seiner Geliebten Leonore und deren Freundin Aloiza, deren Nennung in der Übersetzung auf das Mindestmaß beschränkt worden ist (im Original findet sich oft die Anmerkung: „Dies ist ein Wort Leonores“, oder „Bemerkung Salviatis“), führt Stendhal gleich zu Anfang noch eine andere

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite XIV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_V_014.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)