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zu begreifen, wie man zu dieser zweckwidrigen Marter bis hieher den Menschen verurtheilen konnte, und wie es möglich ist, daß noch in unsern aufgeklärten Tagen gefoltert wird, um den Verbrecher zum Geständniß zu bringen, da doch die Unzulässigkeit und Grausamkeit dieses Mittels so klar vor Augen liegt. Die Kriminalstrafen sind sehr gelind, denn man hat sich richtige Begriffe vom Menschen und seinen Eigenschaften gemacht.

Für die öffentliche Sicherheit hat man hier auch hinlänglich gesorgt. Man höret selten etwas von Todschlägen, Vergiftungen, Räubereien, Diebstählen u. dergl. In dieser Rücksicht thun besonders die kurfürstlichen Husaren gute Dienste, wovon ich oben schon geredet habe. Kindermord ist sehr selten, weil man nicht so herabwürdigende Begriffe von dem Mädchen faßt, welches sich hintergehen läßt.

In neuesten Zeiten hat man die wichtige Entdeckung gemacht, daß das Stillstehen des Pulses, der nicht wahrzunehmende Odem, die Kälte und das Starren des Körpers keine sichere Kennzeichen des Todes sind. Hieraus fließt nun von selbst die Bemerkung, daß man Menschen nicht so gleich, als man keine vermeintliche Lebenszüge an ihnen mehr spüret, begraben soll. Diese Beobachtung hat auch schon an manchen Orten ihre heilsame Wirkung gethan, und man ließ Todte nicht eher, als nach dreimal 24 Stunden beerdigen. In Mainz hat man

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Anonym (= J. N. Becker): Ueber Mainz. In Briefen an Freund R.. , Auf einer Rheininsel [= Frankfurt/Main] 1792, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_Mainz_(1792).pdf/172&oldid=- (Version vom 22.11.2023)