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Monate, können sie wohl Eindruck machen, aber beim Vorstellen selten oder niemal.

Warum herrscht so wenig Geschmack für’s Schöne im Parterr? So schwer die Beantwortung dieser Frage anfangs scheint, um so leichter ist jene: warum auf dem letzten Platz am meisten empfunden, und nur dann geklatschet wird, wann es der Künstler durch seine Darstellung verdienet hat? Da sitzen meist Akademiker, denen ich hier das Lob geben muß, daß sie die größten Kenner vom Theater sind. Alles Uebrige, zumal die Gnaden und Excellenzen in den Logen, bezeigen den lautesten Beifall, wenn einer schön in Ohnmacht fällt, oder beim Sterben recht krampfichte Zuckungen macht. Schöner Zug! Es giebt noch eine Klasse hier, die nur blos deswegen das Theater zu besuchen scheint, um Ausfälle auf den Adel zu thun. Da mag noch so eine unbedeutende Stelle gegen den Adel vorkommen, gleich sind alle Hände bereit, ein lärmendes Getöse zu erheben, und alle Hälse ein lautes Bravo Bravissimo zu schreien. Auch herrscht hier, so wie in mehrern Städten Deutschlands, die erbärmliche Gewohnheit, die Schauspieler beim Ende eines Stückes herauszurufen.

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Anonym (= J. N. Becker): Ueber Mainz. In Briefen an Freund R.. , Auf einer Rheininsel [= Frankfurt/Main] 1792, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_Mainz_(1792).pdf/143&oldid=- (Version vom 22.11.2023)