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nämlich / Schaaffhausen / Rheinfelden / Neuburg / und dieses Breysach / zu Pfand einsetzte; von welcher Zeit an solcher Ort bey dem Hauß Oesterreich geblieben. Es findet sich gleichwohl in den alten Reichs-Registern / daß Breysach von den Käysern und Königen / sonderlich Anno 1521. vom Käyser Carolo V. die Confirmation ihrer Regalien / und Freyheiten / erlangt hat: Jetzt aber ist sie nicht mehr in der Reichs-Matricul begriffen / hat auch einigen Anschlag nicht. Sie hat sich aber under der Oesterreichischen Regierung / bey welcher sie sehr bevestiget worden / wohl / und in guter Ruhe / und Frieden / biß auff den jetzigen Teutschen Krieg / befunden / in welchem sie auch allerhand außgestanden / und endlich / nach einer langen Blocquierung / und erlittenen grossen Hungersnoht / durch Ubergab / und Accord / vom Hertzog Bernharden zu Sachsen-Weymar / erobert worden ist / nach dem er zuvor etliche Treffen mit denen / so solchen Orth entsetzen wolten / als dem Hertzogen von Lothringen / dem Hertzogen von Savelli, Graff Johann Götzen / und andern / gethan hatte. Es hat die Belägerung vier Monat gewähret / und sol solche auff die eilffhundert tausend Reichsthaler / und beyderseits über die achtzig tausend Mann / ohne andern Verlust / gekostet haben. Und wann diese Vestung wäre proviandiert mehrers gewesen / so würden noch viel darfür seyn sitzen blieben. Aber die Hungersnoht war zu groß darinn. Und seyn in einem Tag acht vornehme Kinder auff einmahl verlohren worden. Man hat die todten Cörper / so schon etliche Tage in der Erden vergraben gelegen / wiederumb herauß gescharret / auffgeschnitten / und ihre innwendige Gedärm hinweg gefressen. Die gefangene Soldaten in dem Stockhauß / haben mit den Fingern Löcher in die Mauren gearbeitet / sich mit dem schädlichen Kalck zuerlaben / die Todten wurden von ihren Cameraden ungekocht gessen / deren achte sollen gewesen seyn / wiewol ihrer dreissig gestorben. Es haben die Soldaten eines Pasteten-Beckers Jungen beredt / ihnen nachzufolgen / under dem Schein / ihme einen Bissen Brodts zu geben / den sie aber in ihrem Quartier geschlachtet / und verzehret haben. Morgends hat man bißweilen etliche todten Cörper auff der Gassen gefunden. Die hohen Officierer hatten Brodt von Habern die andern von Kleyen und Eychen-Rinden gebacken: Item / Pferd- und andere Thier-Häutte / gessen. Man gab ein Vierteil oder Malter (so sechs Sester macht) Kleyen vor hundert und zwey und dreyssig Gülden / ein halb Pfund Kleyen-Brodt vor achtzehen Batzen. Vor drey Pfundt Brodt / und ein Maß Wein / ward ein güldener Ring / mit einem köstlichen Diamant / geben. Vor einen Sester Weitzen ein Beltz / so viertzig Reichsthaler gekostet. Vor ein Sester gemahlter Frucht gab eine Frau etliche Kleinodien / auff achtzig Reichsthaler wärth: Und wurden vor einen Sester von einer Frauen zweyhundert Reichsthaler angeboten. Ein Laib-Brodt galt vier Reichsthaler / ein Ey einen Gülden / ein Hun fünff Gülden / ein Pfund Butter vier Gülden / sechs Batzen / ein Pfund Saltz zwölff Batzen / ein Apffel drey Batzen / ein Kürbis sieben Gülden / ein Pfund Roßfleisch sieben Batzen / ein Pfund Roßkütteln sieben Batzen / zwey Hinterviertel von einem Hund sieben Gülden / ein Pfund Hundsfleisch sieben Batzen / ein Ratze ein Gülden. Es seyn alle Hund und Katzen verspeiset; und mehr / als 2000. Roß / Ochsen / Küh / Kälber / und Schaaffshäute / eine in die ander vor fünff Gülden verkaufft / und verzehret worden.

Den 9. Decembris Alten Calenders / besagten 1638. Jahrs / ist der Gubernator darinn / Herr von Rheinach / General FeldtZeugmeister / mit ungefehr 400. gesunden / und bey 50. krancken Soldaten / 19. Fahnen / 70. Pferden / 2. Mauleseln / 6. Gutschen / und 3. Pagagi-Wägen / außgezogen. Die Soldaten haben gantze Stück Menschenfleisch öffentlich dem Hertzog Bernharden gewiesen / davon sie gezehret. Und haben sich über dreissig Personen in zween Tagen zu todt gessen. Man hat folgends darinn gefunden 135. Stück / und an Doppelhacken / und kleinen metallinen Stücken 150. es war aber der halbe Theil nicht zugebrauchen; und befande sich an verbrochenem Metall allein bey 250. Centner. So war noch übrig ein grosse Quantität Munition / als 556. Centner / und 70. Pfund Pulver / 972. Centner / 50. Pfund Lunten / 388000. Mußquetenkugeln / und dergleichen. Seithero solle dieser Orth noch viel mehrers von den Schwed- und Frantzösischen bevestiget / und die Gräben viel tieffer gemacht worden seyn. Besiehe von deme / was gesagt / B. Rhenanum lib. 3. Rer. German. P. Bertium in Comment. Rer German. Freherum part. 2. Origin. Palat. cap. 8. Cluverium de Antiq. German. Irenicum lib. 11. exeg. pag, 205. Luitprandum Ticinensem lib. 4. Ammian. Marcellin. lib. 28. Crusium in Annal. Suevic. Henricum Oraeum part. 3. Theatri Europaei, Gerardum de Roo lib. 3. fol. 98. Munsterum in Cosmogr. Atlantem Guil. de Blaeuw, Thomam Carve in Itinerario cap. 26. pag. 231. et Relation. Francof. Vernal. de Anno 1639. pag. 90. seqq. etc.

Hier ist nicht unbequem beyzufügen was Bogisl. Philip. von Kemnitz im 2. Theil seiner Schwedischen Chron. schreibet / da er also saget: Der Duca de Feria, und General Altringer / eroberten Anno 1633. die drey Waldstädte leichtlich; vor Rheinfelden aber musten Sie einen Ernst brauchen. Hernach giengen Sie Basel vorbey / und den 10. Octobris auff Ensißheim / so die Rheingräffischen verlassen / und nach Ruffach gewichen. Den 11. diß / giengen Sie stracks auff Breysach zu / so nunmehr in eusserste Noht gerahten war; und wann der Entsatz noch 10. oder 12. Tag aussen geblieben / so hät es sich ergeben müssen. Als Rheingraff Hanß Philipp die anziehende Armee vernommen / hat Er die Blocquade vor Breysach auffgehebt / das Lager in Brand gesteckt / und sich nach Colmar retirirt. Die Italianischen / und Hispanischen / hielten sich fäst am Gebürge / bey Sultz / Gebweiler / und Waltweiler;

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Matthäus Merian: Topographia Alsatiae. Frankfurt am Mayn: Frankfurter Kunstverein, 1647, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Topographia_Alsatiae_(Merian)_034.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)