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Passage der Oder. Prahme genannt) sezen die auf beiden Ufern gelegenen Ortschaften auf mehrere Puncten in Verbindung.

     Drey dergleichen Prahme, deren jeder an 20. Pferde faßte, sezten am 3ten Osterfeyertage als am 31. Marz 1812 einen Theil unserer AvantGarde bei der Stadt Neusalze[1] unter einen anhaltenden Regenwetter über die Oder, die übrigen Colonnen folgten successive auf einer Tags darauf geschlagenen Schiffbrücke.

     Die in Schlesien stehende preußische Cavallerie befand sich zum Theil auf den Dörfern einquartiert, und erhielt von den Einwohnern ihre benöthigte Verpflegung. Ob diese Einrichtung blos jezt existirte, wo man mehrere zum Contingent zufallende Regimenter mobil machte, oder ob selbige seit der neuen Reform der Armee angenommen war, kann ich bei nicht eingezogener Erkundigung hierüber, nicht bestimmen. Auffallend war der Uniformsschnitt des schleßischen Dragoner Regiments. Als Kurtka[2] gemacht, bis an die halben Schenkel reichend, vorne und hinten ganz zu, außen Kragen ohne Rabatten[3] und couleurten[4] Aufschlag, schien dieses Costüme für einen leichten Reuter zu plump, obschon es in Hinsicht der Bedeckung sehr zweckmäßig sein kann.

Eintritt in das Herzogthum Warschau     Den 3ten April betraten wir einige Stunden hinter dem Dorfe Tzschepplau[5] links der Festung Glogau das pohlnische Gebiete. – Keine besondere Kennzeichen durch Grenzpfähle unterschieden das Territorium. Fraustadt[6] mit einigen hübschen modernen Gebäuden versehen, war die erste pohlnische Stadt auf unserer Route, die wir noch an diesen Tage passirten. Der Anblick von mehrere 90. Windmühlen, die dieses etwas erhöht liegende Städtchen umgeben, und welche gröstentheils im Gange waren, bieten dem Auge, hauptsächlich in einiger Entfernung, ein koloßalisches ungewohntes Schauspiel dar, so, daß man die Windmühlen einen Provinz hier im Wettkampf miteinander zu sehen glaubt, doch schon die nächst darauffolgenden Dörfer sind mit 6, 8. und mehrere derselben umkreiset, und flösen den Gedanken ein, daß, da wenig fließende Bäche oder große Teiche zu sehen sind, man theils aus Nothwendigkeit, theils zu Vermeidung großer Geldausgaben

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Neusalze – Neusalz an der Oder, heute Nowa Sól
  2. Kurtka – kurzer Waffenrock berittener Truppen
  3. Rabatte – umgeschlagener Saum
  4. couleurten – farbigen (von französisch „couleur“, Farbe)
  5. Tschepplau – das heutige Krzepielów bei Głogów
  6. Fraustadt – das heutige Wschowa
Empfohlene Zitierweise:
F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0014.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)