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Der Gebrauch der Waffe darf nicht weiter ausgedehnt werden, als zur Abwehr der Flucht oder des Ausbruchs oder des Angriffs notwendig ist.

52.

Bei Feuerausbruch ist alle Verwirrung zu vermeiden und Ordnung und Disziplin zu beobachten. Bei Großfeuer wird das Löschen der Feuerwehr überlassen und die Sicherung der Gefangenen als erste und dringlichste Aufgabe betrachtet. Die Aufseher, auch die auswärts wohnenden, haben sich bewaffnet um Direktor oder Obermeister zu sammeln und ihren Befehlen Folge zu leisten.

53.

Die männlichen Dienstboten (Fuhrleute etc.) sind dem Obermeister, die weiblichen der Obermeisterin unterstellt und haben deren Befehle und Weisungen zu vollziehen.

54.

Die Aufseherinnen stehen zunächst unter den Befehlen der Obermeisterin und führen Aufsicht über die ihnen zugeteilten weiblichen Sträflinge: Sie halten dieselben zur fleißigen Arbeit, zu eingezogenem, stillem Betragen, zur genauen Ordnung und Reinlichkeit an und erstatten über ihre Wahrnehmungen den Vorgesetzten Bericht.
Auf die Aufseherinnen findet § 46 der Strafhausordnung seine analoge Anwendung.

55.

Dienstfehler des Aufsichtspersonals werden von der Direktion mit Geldbußen oder Entlassung geahndet, eigentliche Verbrechen oder Vergehen dem Strafrichter überwiesen.

II. Teil. Von der Vollziehung der Freiheitsstrafen.

56.

Der Zweck der Strafanstalt ist, die zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilten (oder administrativ eingewiesenen) Personen bei vorschriftmäßiger Behandlung sicher zu verwahren, und durch gute Ordnung, Arbeit und strenge Zucht auf ihre moralische Besserung einzuwirken.

57.

In der Strafanstalt werden folgende Freiheitsstrafen vollzogen:

a. Kriminelle:

1. Zuchthausstrafe,
2. Einsperrungsstrafe.

b. Korrektionelle:

1. Arbeitshausstrafe,
2. Gefängnisstrafe, soweit sie nicht im Zentral- oder in einem Amtsgefängnisse abgesessen wird.
Auf Anordnung der Oberbehörden können ihr auch Untersuchungsgefangene und Zwangsarbeiter zugewiesen werden.
Letztere sind nach Maßgabe der Gesetze und des Reglements für die Zwangsarbeitsanstalt zu behandeln.

58.

Die zu Zuchthausstrafe Verurteilten werden in Einzelzellen oder Sälen verwahrt, und zu fleißiger Arbeit angehalten; sie tragen uniforme Kleidung mit dunkeln Streifen, und unterliegen bezüglich Nahrung, Lagerstätte und Behandlung den einschlägigen Bestimmungen der Hausordnung.

59.

Die Einsperrungsstrafe besteht in folgendem.
a. der Verurteilte wird in einer öffentlichen Strafanstalt abgesondert verwahrt;
b. insofern er die Kosten zu bestreiten vermag, steht ihm frei, eine angemessene, jedoch mäßige Nahrung (die Aufseherkost) zu beziehen; sonst erhält er die gewöhnliche Gefangenkost;
c. er kann seine eigene Kleidung tragen, saubere Wäsche gibt ihm, wenn nötig, die Anstalt;
d. er hat die ihm angewiesene Arbeit im Innern der Strafanstalt zu verrichten. Falls aber sein Vermögen ausreicht, die Kosten seines Unterhalts zu bestreiten, so wird ihm die Auswahl der Beschäftigung überlassen. Im andern Falle wird er im Interesse der Anstalt angemessen beschäftigt;
e. ist die Einsperrung mit Fasten verschärft, so wird dem Sträfling täglich nichts anderes als frisches Wasser und 1/2 Kilo Brod, und je am zweiten Tag mittag eine warme Suppe abgereicht. In diesem Falle ist er nicht gezwungen zu arbeiten.
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n.n.: Strafhaus-Ordnung. , Luzern 1893, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Strafhaus-Ordnung_1893_Luzern_ZentralGut_993983580105505.pdf/9&oldid=- (Version vom 29.1.2024)