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als in den Straßen von Jerusalem. Ein gläubiger Christ bedauert einmal einen jüdischen Bruder, weil derselbe keinen Hohenpriester und keinen Tempel habe. O, ward ihm zur Antwort, unser Tempel ist die Synagoge und unser Hohepriester der Herr Oberrabiner. – Aber die alttestamentliche Religion erfordert Opfercultus und Tempeldienst. Ohne diese ist dies Judenthum ein trockener Brunnen und ein verdorrter Baum. Und unfruchtbar ist es wirklich, überall nur der Schatten der christlichen Kirche, in deren Bereich es sich findet: in Deutschland aufgeklärt und in Parteien zerrissen, in den romanischen Ländern zwischen dem strengsten Talmudismus und dem Unglauben getheilt, bei den slavischen Nationen in Formeln erstarrt, und wieder von wilder Begeisterung ergriffen, unter dem Halbmond entgeistet und verwesend wie der Islam selbst. Das ist das Bild des Judenthums auf Erden. Ohne jede religiöse Schöpferkraft lebt es nur seinen Einbildungen.

Zuweilen kommt ein Strahl der Erkenntniß von der eigenen Misère auch über die jüdischen Schriftsteller selbst; es heißt dann wohl in ihren Zeitschriften: „Die religiöse Belebung ist im gegenwärtigen und im aufwachsenden Geschlecht im Abnehmen. Die Symptome thätigen Antheils an den Interessen der Judenheit und des Judenthums dürfen uns hier über nicht täuschen; denn es ist nicht immer gerade die religiöse Ueberzeugung, welche die Männer antreibt, und man hat dabei mehr äußere Dinge als die Steigerung des inneren Lebens im Auge“. – Und aus Wien klagt ein edler Jude: „Das moderne Creditwesen pflanzt eine tiefe Unruhe, ethische Frivolität, religiöse Gleichgültigkeit; die Lehrer und Sprecher unserer Religion sind aber nicht muthig genug, diese Dinge beim rechten Namen zu nennen?“ Wenn sie einmal nüchtern werden, urtheilen auch solche Leute wie Philippson: „Eine Zweifelsucht hat sich der Jugend bemächtigt, daß die Wahrheit, daß eine feste Ueberzeugung für den Menschen bestehe und zu erreichen sei, geschwunden ist, wo alles Ideale sich verflüchtigt hat und nichts als greifbar und zuträglich erscheint, als was einen materiellen Nutzen und Reichthum,

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Adolf Stoecker: Das moderne Judenthum in Deutschland (Erste Rede). Wiegandt und Grieben, Berlin 1880, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stoecker_Zwei_Reden.djvu/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)