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sein Vermerk daselbst „Melodie mündlich, aus der Gegend von Darmstadt“ nur ungefähr richtig und jetzt auch auf die Vermittelung der Frau Pattberg auszudehnen wäre.

Ich verfolge diesen Weg nicht weiter, um so weniger, als ich auf ihm zu praktischen Resultaten zu gelangen nicht gesonnen sein kann, zumal da ich den sehr umfangreichen Nachlass Ludwig Erks für diese Zwecke bis jetzt ergebnislos durchgenommen habe. Und wende mich zu dem vielumstrittenen Lenoren-Liede des Wunderhorns 2, 19, das weder von Arnim noch von Brentano herrührt, sondern das, wie das Originalmanuskript unwiderleglich macht, von Frau Auguste Pattberg eingeliefert worden ist: unten S. 109.

Ich betrachte, in welcher Umgebung das Lied im Wunderhorn erscheint und was sich daraus etwa für die Zeit seiner Einlieferung schliessen lasse. Das Motiv der mit demselben zusammen geordneten Lieder ist treue Liebe in mannigfacher Bewährung. Das nach ausdrücklicher Bekundung der Herausgeber „von der Frau Pattberg mitgetheilte“ Gedicht 2, 15

Bald gras ich am Neckar,
Bald gras ich am Rhein etc.,

dem mit Anspielung auf die politischen Verhältnisse von den Herausgebern die Aufschrift „Rheinischer Bundesring“ gegeben wurde, eröffnet diese Reihe: insofern das Goldringelein, ein Symbol treuer Liebe, auch die von einander Getrennten zu verbinden und zu vereinigen die Macht besitzt. Hierauf folgt S. 17 ein durch die Überschrift und letzte Strophe auch formell sich angliederndes Gedicht, wie der aus dem Kriege heimkehrende Soldat seinem Feinsliebchen, das untreu inzwischen einen anderen Mann genommen hat, das scharfspitze Messer in das Herz sticht. Und nun S. 19 das Lenoren-Gedicht: treue Liebe lässt dem Toten im Ungerlande keine Ruhe, bis er den nächtlichen Geisterritt zur fernen Geliebten reitet. Man sieht also, dies Gedicht sitzt fest an seinem Orte; und daraus folgt, dass es von vornherein planmässig in das Manuskript des zweiten Bandes – d. i. 1807 in Kassel! – einrangiert worden ist.

Zu derselben Zeitbestimmung führt eine andere Betrachtung. Das Lied steht gleich zu Anfang auf dem zweiten Bogen. Der Druck begann aber schon im Februar 1808, bald nach Arnims Ankunft in Heidelberg und ging sehr schnell vorwärts. Da einzelne der noch im Januar 1808 angelangten Lieder der Frau Pattberg aber erst an eine viel, viel spätere Stelle oder gar erst in den dritten Band eingerückt werden konnten, so ergiebt sich wieder: das Lenorenlied muss, gleichwie „Bald gras ich am Neckar“, vor dem Jahre 1808 eingeliefert worden sein.

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Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)