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des Körpers in den stärker gewölbten Buckeln des Deckels fortsetzt. Auch der aus den Buckeln des Fußes aufsteigende Schaftansatz zeigt das gleiche Formempfinden. Dieses war aber nicht lebendig genug, um den Schaft bis zum Körper in gleicher Straffheit emporzuführen. Er unterbricht diese Bewegung, indem er in konventioneller Abhängigkeit von der immer noch fortwirkenden Renaissancegliederung eine gegossene Vase als Schaft einstellt. Daß er außer an dieser mit barocken Tiermotiven reliefierten Vase alle gewölbten Flächen unverziert läßt und sie damit in ihrer nur durch das Licht hervorgehobenen Formbedeutung rein zur Geltung bringt, das läßt seine nur teilweise erreichte Absicht wohl erkennen. Diese bekundet er auch noch in der aus den Buckeln des Deckels verjüngt aufsteigenden Spitze, die eine Lukretia zu tragen hat. In der zu starken Einziehung der Taille des Gefäßkörpers hat er dessen Wuchs doch wieder beeinträchtigt. Die Bestimmung des Pokals für eine Innung hat dazu veranlaßt, an den unteren Gefäßbuckeln nach unten zusammengerollte Dorne herauswachsen zu lassen, an die sicher Gedenkstücke aufgehängt werden sollten. Im Innern des Gefäßes ragt ein runder spitzer Dorn 9 cm hoch empor, ähnlich dem sechskantigen Dorn des Ageleybechers auf Tafel 11, 1. Diese wohl schwierige Bildung folgt einer Vorschrift der Nürnberger Goldschmiedeinnung.

Um die gleiche Zeit kommt an dem in Leipzig entstandenen Pokal der Leipziger Kürschner-Innung auf Tafel 18 das Bestreben zum Ausdruck, der abgelebten Renaissancegliederung den Charakter der uneinheitlichen Aufeinanderschichtung von Einzelteilen zu nehmen und dem Aufbau organischen Wuchs zu verleihen. Das ist seinem Erfinder auch tatsächlich gut gelungen. Er vermeidet dabei auch die vorher in Geltung gewesene Besetzung der Glieder mit vortretenden Masken, Köpfen, Büsten und Ranken und er hat dadurch die vornehme Wirkung ruhiger Umrisse erreicht. Auch die reiche Auswahl von teils getriebenen, teils flach aufgelegten Ornamenten kann diesen günstigen Eindruck nicht beeinträchtigen. Die Formen des Pokals wirken, als ob die eine Bewegung aus der anderen herauswüchse oder sich in Gegenschwingung nach oben fortsetze. Der Nürnberger Punzenstecher Jonas Silber und der gleichzeitig in Nürnberg tätige Maler und Radierer Georg Wechter haben verwandte Pokalformen gegen Ende des 16. Jahrhunderts als Vorlagen verbreitet. Es äußert sich darin ein vornehmes künstlerisches Gefühl, das auch gelegentlich an einem der Ornamentmotive glücklich zum Ausdruck kommt: der Wulstring des Fußes und des Deckels ist mit einer Reihe von schmalen Buckeln bedeckt, die nicht