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Hennerl in ihrer Angst zum Brunn gloffen und hat gsagt: „O, Brunn, gib ma a Wasserl, s Wasserl ghört n Hannerl, s Hannerl muß dastickn und dasterbn am Berg in Nußkern.“ Der Brunn hat gsagt: „I gib dir koan Wasserl, s Hannerl soll dastickn und dasterbn am Berg in Nußkern.“ Da kam s Hennerl zum Brünnerl und sagt: „O, Brünnerl, gib mir a Wasserl, s Wasserl ghört an Hannerl, s Hannerl muß dastickn und dasterbn am Berg in Nußkern.“ S Brünnerl gab das Wasserl, s Hennerl bringts den Hannerl, s Hannerl trinkt das Wasserl und da ging der Nußkern hinunter und s Hannerl war wieder gesund. Und s Hennerl war so froh, daß s Hannerl wieder gesund war. Sie gingen dann miteinander heim und wenns net gstorbn san, lebens heut noch.


Aufgeschrieben durch Frau Anna Bauer, Kassierswitwe in Amberg, 1900. (Urschrift; die mundartliche Erzählung z. Tl. hochdeutsch wiedergegeben.)

c) Das ausgepickte Auge des Hühnchen.
(Unterfranken: Aschaffenburger Gegend.)
* Die Aufschreibung in der Mundart (Bruchstück.)

Hinkelchen und Gickelchen. Hinkelchen und Gickelchen waren zwä Gschwister. Die sin emol minanner in Streit kumme un’s Gickelchen hot dobei em Hinkelche es Ag ausgekratzt. Do sogt des Hinkelche: „Du mir mei Ag auspickst, du mir mei Ag ach widder eiflickst.“ Da ging es Gickelche zum Schuster und sagt: „Schuster, du mir Drohtspitze gibst, ich em Hinkelche sa Ag eiflick.“ Do säigt der Schuster: „Wenn de mer Borschte gibst.“ Do ging es zum Schwein …

(Einsendung hier abgebrochen.)
** Schriftdeutsche Form.

Hühnchen und Hähnchen lebten lange friedlich beisammen. Es waren Geschwister. Einmal aber gerieten sie doch in Streit und dabei pickte Hähnchen dem Hühnchen ein Auge aus. Da sagte das Hühnchen: „Du mir mei Aug auspickst, du mir mei Aug wieder einflickst!“ Da ging das Hähnchen zum Schuster und sagte: „Du mir Drahtspitze gib, daß ich dem Hühnchen sein Aug einflick.“ Aber der Schuster antwortete: „Gib mir erst Borsten!“ Da ging das Hähnchen betrübt zum Schwein und bat um einige Borsten. Das Schwein wollte sie nicht geradewegs hergeben und sagte: „Gib mir erst Kleie!“ Das Hähnchen ging zum Müller und sagte: „Müller, du mir Kleie gib, Kleie ich Butzje geb, Butzje mir Borsten gibt, Borsten ich Schuster geb, Schuster mir Drahtspitze gibt, ich dem Hähnchen sein Aug einflick.“ Der Müller sagte: „Ja, gib mir erst Korn!“ Traurig ging das Hähnchen zum Acker und bat um Korn. Doch dieser verlangte zuvor Mist. Das Hähnchen lief zur Kuh und wollte Mist. Die Kuh antwortete, es solle ihr nur erst Futter geben. Schnell lief es zur Wiese und sprach: „Wiese, du mir Futter gib, Futter ich Kuh geb, Kuh mir Mist gibt, Mist ich Acker geb, Acker mir Korn gibt, Korn ich Müller geb, Müller mir Kleie gibt, Kleie ich Butzje geb, Butzje mir Borsten gibt, Borsten ich Schuster geb, Schuster

Empfohlene Zitierweise:
Karl Spiegel: Märchen aus Bayern. Selbstverlag des Vereins für bayrische Volkskunde und Mundartforschung, Würzburg 1914, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiegel_Maerchen_aus_Bayern.djvu/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)