Seite:SiegfriedAusDerRussenzeitOstpreussens.pdf/20

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

eine Gefreite steckte noch einer Frau im Dorf einen Brief an seine Angehörigen zu und sagte, sie möchte hinzufügen, daß er nun gefangen sei. Sie gab mir den Brief, ich schickte ihn meinem Schwager, der Amtsvorsteher ist, denn Post gab es nicht, man war ja ohne jegliche Verbindung mit der Außenwelt. Mein Schwager, der eine Viertelstunde von uns entfernt wohnt, durfte sich wochenlang nicht herwagen. Sein Gut, das früher Vorwerk gewesen war, stand nicht auf den russischen Generalstabskarten und erst acht Tage später fanden die ersten Russen dorthin, einen Offizier haben sie dort überhaupt nicht gesehen. Voll Stolz zeigte mir ein russischer Oberst seine Karte: „Alles in Deutschland gemacht", sagte er, „nur mit russischen Namen.“ Er fragte, ob wir dieselben Karten hätten und ich muß sagen, sie sahen genau so aus wie unsere Generalstabskarten. Jeden Tag mußte Brot gebacken werden, denn Hunderte kamen täglich nach Brot und Milch. Zum Glück hatte ich zwei Faß Butter im Eiskeller, da ich vorher dachte, ich würde große Einquartierungen von unsern Soldaten bekommen. Der Müller wagte sich nicht mehr auf die Mühle, denn die Russen meinten, wir gäben den Deutschen Zeichen mit den Windmühlenflügeln (so soll es an der Grenze ein Müller mit den Russen gemacht haben und hat daher unsern ganzen Anmarsch verraten). Mein Schwager ließ

Empfohlene Zitierweise:
Sally Innes Siegfried: Aus der Russenzeit Ostpreußens. Verlag von Hapke & Schmidt, Berlin 1915, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SiegfriedAusDerRussenzeitOstpreussens.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)