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     Doch halt! Ist nicht Begriff die Seife nur,
Wenn zum Objekt des Denkens wir sie machten,
Statistisch als den Maßstab der Kultur

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Und nicht von Interesse fern sie dachten?

Um frei zu wandeln auf der Schönheit Spur
Gilt’s ohne Zweck die Seife zu betrachten,
Nicht weil sie reinigt, sondern in der Reinheit
Der bloßen Form zwecklos bezweckter Einheit!

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     Als Seife zwecklos, doch als Form bezweckt?

Wer wagt es, dieses Dunkel aufzuhellen?
Wohlan! Die Lösung haben wir entdeckt,
Seit uns gelungen, das Problem zu stellen.
Es wird der Stoff geläutert und gestreckt,

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Und wenn sich dann die feinsten Schaumlamellen

Geschlossen zur vollkomm’nen Spannung runden,
Hat Formenzweck den Stoffzweck überwunden!

     So sei als Seifen-Idealgestaltung
Die Form der Kugeln einzig uns gepriesen!

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In ihr kommt alles Leben zur Entfaltung

Und alle Einheit rundet sich in diesen.
Und da wir so mit philosoph’scher Haltung
Das Recht der Seifenblasenkunst erwiesen,
Laßt endlich der Ästhetik uns entsagen

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Und in der eignen Traumwelt frei behagen!


     Um heut’gen Tags phantastisch uns zu zeigen
Verschmähen wir den unmodernen Tand,
Das Flügelroß der Musen zu besteigen
Zum Ritt in der Romantik altes Land.

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Ganz andre Mittel sind der Neuzeit eigen

Bei der Aëronautik hohem Stand:
Ein Wink, und auf der Schaum-Montgolfière
Frei schwimmen wir im Glanz der Atmosphäre.

Empfohlene Zitierweise:
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/3&oldid=- (Version vom 21.8.2021)