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Die Ueberraschung.


Auf dem Lande, bey der trauten Freundin,
War, ach! eine ewig lange Woche
Schon mein Liebchen. Alle, alle Tage
Ging ich vor das Stadtthor, nach der Gegend

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Dort am Fuß des südlichen Gebirges,

Sehnsuchtsvoll zu schaun; – selbst hin zu eilen
Wehrten mir die leidigen Geschäfte.
Aerger als ein junger Dichter schalt ich
Auf die Stadt, und pries des Landes Vorzug.

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Heute konnt’ ich mit der Abenddämmrung

Meine Lieblingsaussicht erst besuchen.
Bey der Windmühl auf dem Hügel stand ich
Eingewurzelt, wie ein Meilenzeiger,
Ausgestreckt den Arm, den Zeigefinger

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Ganz genau nach meines Herzens Pole

Hingerichtet. – „Flügel! hätt’ ich Flügel!“
Und mich trugen Phantasie und Liebe
Schwebend fort; mein innres Aug erblickte
Schon das Landhaus, das Portal von Linden

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_028.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)