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Dieser Mund, wo frisch die Jugend blüht,
Wird von Küssen nie durchglüht.

     Höher strebt sein einziges Begehren,
Hingeschmiegt an einen zarten Leib

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Würde dennoch Sehnsucht ihn verzehren:

Was ihm fehlt, gewährt kein irdisch Weib.
Nicht um Blumen, gleich dem Schmetterlinge,
Auf zur Sonne mit des Adlers Schwinge
Schwebt sein Geist, und athmet reine Luft,

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Unberauscht von süßem Duft.


     Zur Geliebten hat er sich erlesen,
Die noch nie ein sterblich Auge sah;
Nur ein Schatte, doch ein mächtig Wesen,
Ist sie fern ihm, und doch ewig nah,

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Tief in seines Innern heil’ger Stille

Pflegt die Dichtung sie mit reger Fülle,
Und umarmt das göttlich schöne Bild,
Halb von eignem Glanz verhüllt.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1797. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1797_128.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)