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krönen, mit rascher Hinterlist den, der ihn edelmüthig retten wollte, Mortimer, – ja er setzt der Verrätherei die Krone auf, indem er auf die Vollstreckung des Todesurtheils gegen Maria jetzt selber dringt. Hier trifft ihn aber das Schicksal durch des Gegners Burleigh Vorschlag:

Da es Mylord so treu und ernstlich meint,
So trag’ ich darauf an, dass die Vollstreckung
Des Richterspruchs ihm übertragen werde.

Die Nerven des weichlichen Grafen waren stark genug den Verrath zu begehen, – sein Resultat mitanzusehen reichen sie nicht aus. Maria, indem sie ihm sagt:

Ihr haltet Wort, Graf Lester – Ihr verspracht
Mir Euern Arm, aus diesem Kerker mich
Zu führen, und Ihr leihet mir ihn jetzt! –

vernichtet ihn so mit Recht. In diesem Moment hat ihn der Künstler aufgefasst. Zwar macht der Lord noch einen Versuch sich zusammenzuraffen:

Willst du den Preis der Schandthat nicht verlieren,
Dreist musst du sie behaupten und vollführen!
Verstumme, Mitleid! Augen, werdet Stein!
Ich seh’ sie fallen, ich will Zeuge sein –

aber die Schauer des Gewissens erlauben es ihm nicht, und er bricht zusammen. Es ist sein Verhängniss, dass seine Besserung dieselbe Wirkung haben muss, wie sein Verbrechen: nachdem er durch seine Doppelzüngigkeit Maria verrathen – verräth er durch seine Reue Elisabeth!

Das Eigenthümliche aller innerlich niederträchtigen Naturen ist, dass sie zwar allenfalls ihre Verbrechen bereuen, sich doch aber ihrer Wirkung möglichst zu entziehen suchen, anstatt sich freiwillig zur Sühne anzubieten. So endet denn mit seiner Flucht auch Leicester, wie er im ganzen Stück war: – erbärmlich.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/245&oldid=- (Version vom 1.8.2018)