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es ihm selber schwerer wird ums Herz, immer schwerer. Und als sie sagte, dass mau dulden müsse, vermochte er nicht länger an sich zu halten: Wie lange sollen wir denn dulden?" schrie er beinahe auf. „Es vergeht ja schon ohnehin kein Tag, an dem wir nicht leiden müssten.“ Das hat schon wahrscheinlich Gott so gefügt!" - sagte wiederum Horpyna. Petro wurde finster. Sind wir denn schon gar so sündig, gibt es denn schon gar keine Sündhafteren als wir, dass wir so viel Leid ausstehen müssen!" Horpyna erwiderte nichts, auch der finstere Petro schwieg still. Er schweigt und die Gedanken fliegen ihm nur so durch den Kopf: Ist denn das wahr? Warum in aller Welt sollen wir denn Hungera sterben? Der Vorsteher gibt nichts her, und er, nimmt er sich etwa selbst nicht gonug? Heuer hat er schon ein Viertel Gerste gestohlen … Unsere Habe werden sie stehlen und du stirb und auch das Kind soll sterben!" Und der Zorn erfasste Petro, ein unausspéechlicher Zorn erfasste Petro’s Herz auf den Vorsteher ,In Hülle und Fülle lebt er," denkt Petro, ,und stiehlt noch dazu und ich Hungerleider was fang’ ich nur an?" Weiss Gott, was er dem Vorsteher machen wird," so kochte es in ihn. Er fuhr von seinem Platz auf und verlies3 die Stube. Er irrt draussen umher und diesen Gedanken wird er nicht los : Man kann doch nicht Hungers sterben! Es ist meine Habe, keine fremde, denn auch ich hab’ ja dort hineingeschüttet und nun ich nichts zu esson habe, kann man nicht geben! Nu, so werde ich euch nicht bitten! Ich werde mir schon selbst nehmen!" Und soviel er auch nachgrübelte, im Kopf blieb stets das Eine: Nehmen!" „Ich werde ja nicht Fremdes nehmen, meines. Wenn sie selbst nicht hergeben, muss man heimlich nehmen." Und er gewöhnte sich langsam an diesen Gedanken, so dass er ihn nicht mehr fürchtete. Anfangs schien ihm das schrecklich, wenn or daran dachte, und jetzt nichts, er hat sich halt gewöhnt. Und als er damit vertraut war und es nicht mehr fürchtete, wagte er auch auszuführen, woran er gedacht. Ich gehe hin, bohre im Magazin ein Loch und zapfe an!", denkt Potro. Aber ja … Wie es der Horpyna sagen? Er wusste zu gut, dass sie unter keinen Umständen darauf eingehen würde. Er wusste dass, wenn er ihr auch noch so sehr zureden wollte, er sie dazu nicht werde bereden können. Kann er denn aber mehr tun? Er sah rings um sich das Elend und konnte diesem Elend nicht abhelfen. Er sah, dass ihm die Menschen nicht beistehen wollten. Der Vorsteher stiehlt, und ihm gibt er nichts! Überall Unrecht! Und so schien ihm denn das Stehlen keine Stinde zu sein. Und doch hatte er Angst, davon Horpyna zu sprechen, denn er fühlte, dass auch er nicht gerecht handelte. Und Horpyna hatte gemerkt, dass es in Petro nicht mit rechten Dingen zugehe. Er geht immer finster und traurig herum. Sie beginnt ihn auszufragen, er antwortet nicht, oder: Ja so … Der Kopf schmerzt ein wenig. Zuweilen sieht er sie anch finster an und entgegnet: ,,Weshalb denn fröhlich sein?" Die junge Frau merkte, dass sich Petro verändert hat und kränkte sich nur noch mehr, weil sie dem Elend nicht abhelfen konnte. Indessen war kein Brot mehr da, die Erdäpfel hatten sie ganz ver- braucht und nun werden sie gar nichts mehr zu essen haben. Zum Vater zu fahron war es Horpyna nicht gelungen keiner wollte ein Pferd hergeben und Original from Google INDIANA UNIVERSITY Digitized by

Empfohlene Zitierweise:
: Ruthenische Revue, Jahrgang 2.1904. Verlag der Ruthenischen Revue, Wien 1904, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:RuthenischeRevue1904SelectedPages.pdf/462&oldid=- (Version vom 10.9.2023)