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jeden einzelnen Hebräer heranzuschleppen
und ihn zum Genuß von Schweine- und Götzenopferfleisch zu nötigen;

3
die sich aber weigerten, Unreines zu essen,

sollten zu Tod gerädert werden.

4
Nun wurden viele gewaltsam herbeigeschleppt;

als erster aus der Schar ward nahe vor ihn ein Hebräer hingestellt;
er hieß Eleazar und war der Abstammung nach Priester,
nach seiner Bildung Gesetzesgelehrter,
von vorgeschrittenem Alter und vielen in des Tyrannen Umgebung
wegen seiner Philosophie wohlbekannt.

5
Als ihn Antiochus erblickte, sprach er:
6
Alter! Bevor ich dich foltern lasse,

möchte ich für mein Teil dir den Rat geben,
dich durch Schweinefleischgenuß zu retten;
denn ich achte dein Alter und deine grauen Haare;
du trägst zwar diese schon lange;
trotzdem scheinst du mir kein Philosoph zu sein,
da du dich noch immer zur Judenreligion hältst.

7
Weshalb verabscheust den Genuß des vorzüglich schmeckenden Schweinefleisches,

wo doch die Natur die gnädige Spenderin ist?

8
Es ist doch ein Unsinn dieses Nichtgenießen der unschuldigsten Freuden;

ja ein Unrecht, die Gnadenspenden der Natur zurückzuweisen.

9
Du aber scheinst mir noch einen größeren Unsinn zu begehen,
10
wenn du, in deinem Wahn über das Wahre,

auch noch mich verachtest, zu deinem eigenen Schaden.
Willst du denn nicht aus eurer albernen Philosophie erwachen?

11
Willst du nicht deinem Possenspiel den Abschied geben,

Vernunft, wie sie zu deinem Alter paßt, annehmen
und über die Wahrheit, die etwas nützt, philosophieren?

12
Willst du nicht meinem menschenfreundlichen Rate huldigen

und Mitleid mit deinem Greisenalter bekunden?

13
Bedenke doch auch!

Waltet wirklich über dieser eurer Religion eine geheime Macht,
dann verzeiht sie dir doch gewiß jede aufgenötigte Gesetzesübertretung.

14
Also ermunterte der Tyrann zum gesetzwidrigen Fleischgenuß;

da bat Eleazar ums Wort.

15
Nach erhaltener Erlaubnis begann er so zu sprechen:
16
„Antiochus! Wir haben uns entschlossen,

unser Leben nach dem göttlichen Gesetz einzurichten;
nun sind wir der Ansicht,
es gäbe keinen Zwang, der uns mehr nötige
als unsere Gesetzesverpflichtung.

17
Darum halten wir es unter keinen Umständen für recht,

das Gesetz zu übertreten.

18
Ja, wäre selbst unser Gesetz, wie du annimmst, wirklich nicht ein göttliches,

nähmen wir aber fälschlich an, es sei göttlich,
so dürften wir doch nicht unsere Ansicht über die Frömmigkeit verleugnen.

19
Glaube ja nicht, der Genuß unreiner Speisen sei für uns eine kleine Sünde!