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260
Er sagte, auch er habe trefflich gesprochen;

dann frug er den Zehnten:
Welches ist die Frucht der Weisheit?
Er sprach: Sich keines Unrechts zeihen müssen
und sein Leben in Wahrhaftigkeit führen.

261
Denn daraus gewinnst du, allerhöchster König, die größte Freude,

Seelenruhe und Gottvertrauen,
wenn du deine Herrschaft in Frömmigkeit führst.
Diesen Worten spendeten alle Zuhörer lebhaften Beifall.
Darauf begann der König, in freudigster Stimmung ihnen zuzutrinken.

262
Am nächsten Tag verlief das Mahl in gleicher Ordnung wie früher,

und als die Zeit gekommen, befragte der König die übrigen.
Den ersten fragte er, wie man die Überhebung vermeiden könnte.

263
Er antwortete: Wenn er auf Gleichstellung achte

und sich bei jeder Gelegenheit erinnere,
daß er als Mensch über seinesgleichen herrscht
und daß Gott die Übermütigen stürzt,
dagegen die Bescheidenen und Demütigen erhöht.

264
Er sprach ihm seine Anerkennung aus und frug den nächsten:

Wen soll man zum Ratgeber nehmen?
Er sagte:
Den, der in vielen Geschäften erprobt ist, vollste Ergebenheit besitzt
und die Gesinnung teilt.
Hiezu verhilft Gott den Würdigen.

265
Er lobte ihn und frug einen andern;

Was ist für den König der notwendigste Besitz?
Er antwortete: Vertrauen und Liebe der Untertanen;
denn sie bilden ein unzerreißbares Band der Ergebenheit.
Aber Gott ist es, der dir dies nach Wunsch zuteil werden läßt.

266
Er belobte ihn und frug einen andern:

Was ist der Zweck der Redekunst?
Er sprach: Den Widerpart zu überzeugen, indem man sich ihm unterordnet
und dadurch die Irrtümer aufzeigt.
Denn du gewinnst den Hörer nicht durch Widerspruch,
sondern durch Anerkennung; dann überzeugst du ihn.
Die Überzeugung wird nur durch Gottes Wirken erreicht.

267
Er billigte seine Worte und frug einen andern,

wie er mit den verschiedenen Rassen in seinem Reich gütlich auskommen könnte.
Er sagte:
Wenn du gegen jeden die für ihn passende Stellung einnimmst
und die Gerechtigkeit zum Leitstern nimmst.
So tust du ja auch; denn Gott verlieh dir Einsicht.

268
Er dankte ihm freundlich und frug einen andern:

Worüber soll man sich betrüben?
Er sprach: Über unserer Freunde Unglück,
wenn wir sehen, daß es langanhaltend und hoffnungslos ist.
Die Vernunft verbietet ja,
über Verstorbene und vom Unglück Befreite zu trauern.