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Allein daß diese Erfahrung häufig gemacht, anerkannt und geschätzt sey, das muß ich so lange läugnen, bis mir ein Beyspiel aufgewiesen wird, worin ein Dichter oder Historiograph, der das Publikum mit seinen Darstellungen zu interessieren suchte, einen Gatten geschildert hat, der sein Wohl aufopferte, um das Wohl der Gattin, als eines selbständigen Wesens, zu befördern. Man zeige mir eine Idee davon, daß der Mann seine Begierden unterdrückt habe, um die Gewissensruhe des Weibes zu schonen; oder daß er seine Mühe darauf verwandt habe, Herz und Geist seiner Gattin zu ihrem eigenen Genusse zu bilden; oder daß er in den Tod gegangen sey, ein Weib im Leben zu erhalten, das sich seinem Nebenbuhler ergeben hatte. Ideen, die uns geläufig sind, und den Griechen in der Liebe zu den Lieblingen nicht fremd waren!

Die Geschlechtssympathie hat sich in dieser Zeit sehr verfeinert, selbst in den Verhältnissen zwischen dem Gatten und der Gattin. Durch die immer mehr überhand nehmenden Mißbräuche der Verbindungen zwischen Personen, die äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehörten, hat die Lüsternheit eine gewisse Mäßigung im Genusse, und eine Vervielfältigung der Liebkosungen gelernt, die zur Dauer und Mannigfaltigkeit der körperlichen Lust beygetragen haben. [1] Durch Ausbildung des Gefühlvermögens überhaupt hat man immer mehr gelernt, aus den Empfindungen, die Sinne und Herz darboten, alles


  1. Was ich damit sagen will, drückt ein Vers beym Theokrit, Idylle 3. 20. Edit. Harles. sehr gut aus: Inest et in osculis inanibus dulcis voluptas.