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Johann Friedrich Ernst von Brawe (1746–1806): Raisonirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg (1.–13. Stück)

zu der Pflicht: strenger Tugend, und dem Dienste des Vaterlands, auf Leben oder Tod treu zu bleiben. Sie gelobten sich wechselseitig, Einer für des Andern Thaten responsable zu seyn. Bey dem ewigen Rächer! Dies war ihre gewählte, feyerliche Losung. – Rufte diese ein Verbündeter dem andern in der Absicht zu, um ihn von etwaiger Bundesverlezung durch irgend eine ungerechte That abzumahnen, und der Fehlende lies sich dadurch nicht zurükhalten: so war der Warnende befugt, ihn auf der Stelle mit dem Tode zu bestrafen. – Die Geseze des Bundes bestimmten es also ausdrüklich. – Bayard und Guaston trennten sich von Adelbert, um unter ihrem König, Franz dem 1sten, in den italienischen Feldzügen zu dienen, ließen Leztern in Frankreich zurük. Bayard und Guaston befolgten das Gelübde unverbrüchlich mit edler Schwärmerey; Adelbert hingegen verlies den Weg der Tugend, und mußte daher auch jenes mehr als einmal brechen; unter mancherley Zerstreuung suchte er es, als Jugendgrille, sich nach und nach ganz aus dem Sinn zu schlagen. Er ging zu Frankreichs Feinden über, nahm bey Spaniens Monarchen Dienste, und stieg in selbigen bis zum General, und Commandeur einer Grenzfestung, empor. Bayard blieb an Guastons Seite auf dem Schlachtfelde; Guaston gerieth in spanische Gefangenschaft, wurde ranzionirt, that einen Ritterzug wieder die Algierer, und kam erst nach langen Jahren in sein Vaterland zurück. Da erfuhr er, bey der ersten Erkundigung nach Adelbert, daß sein verbündeter Jugendfreund, als Vaterlandsverräther von denen Franzosen verabscheuet, sein Nahme nur noch an Richtstädten und Schandsäulen zu lesen sey. Guaston folgt der Vorschrift des Gelübdes, fühlt sich berufen, Adelbert nach Spanien zu verfolgen, seine dortigen Verhältnisse und Handlungen erst genau zu prüfen, und in der Nähe zu beobachten, ihn dann zur Rechenschaft zu ziehen, und entweder auf den Weg der Tugend zurükzuführen, oder, wenn er unbiegsam bliebe, nach den Gesezen des Bundes zu bestrafen. Zur Ausführung dieses Plans hält Guaston für Nöthig, sich unter das strengste – unter das geistliche – Incognito zu versteken. Durch Geldbestechungen, wofür man damals vom catholischen Clerus Alles erlangen konnte, gewinnt er einem Cardinal die Erlaubnis: sich als verkleideter

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Johann Friedrich Ernst von Brawe (1746–1806): Raisonirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg (1.–13. Stück). Friedrich Hermann Nestler, Hamburg 1800, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Raisonirendes_Journal_vom_deutschen_Theater_zu_Hamburg_(1800)_Seite_203.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)