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er dasselbe wohl untersuchen, in was vor einem Zeitmaaße es gespielet werden soll. Wenn es ein geschwindes und ihm unbekanntes Stück ist; thut er besser, wenn er zu langsam, als wenn er zu geschwinde anfängt: indem man leichter, und ohne große Aenderung aus dem Langsamen ins Geschwinde, als aus dem Geschwinden ins Langsame gehen kann. Doch hat er dieserwegen hauptsächlich darauf zu sehen, ob die Ripienisten mehr zum Eilen als zum Zaudern und Nachschleppen geneigt sind. Das erstere geschieht leichtlich bey jungen, und das letztere bey alten Leuten. Deswegen muß er suchen, diese ins Feuer zu bringen, jene aber darinne zu mäßigen. Weis er aber das rechte Tempo gleich zu fassen, so ist es desto besser, und fällt diese Vorsorge alsdenn weg. Damit aber auch die andern, besonders bey geschwinden Noten, mit ihm zugleich anfangen können, muß er sie gewöhnen, daß sie den ersten Tact des Stücks ins Gedächtniß fassen, den Bogen nahe bey den Seyten halten, und auf seinen Bogenstrich Achtung geben. Widrigenfalls würde er bey der ersten Note warten müssen, bis die andern nachkämen, und also die Note dadurch verlängern: welches aber bey geschwinden Noten eine üble Wirkung thut. Er selbst muß nicht eher anfangen, bis er sieht, daß die übrigen Musici alle in Bereitschaft sind; besonders wenn jede Stimme nur einmal besetzet ist: damit der Anfang, welcher den Zuhörer überraschen, und zu einer Aufmerksamkeit antreiben soll, nicht mangelhaft sey. Das Ausbleiben der Grundstimme würde hierbey den meisten Schaden verursachen.

6. §.

Das Gesicht und Gehör muß er öfters so wohl auf den Ausführer der Hauptstimme, als auf die Begleiter richten: im Fall es nöthig wäre, dem einen nachzugeben, und die andern in der Ordnung zu erhalten. Aus des Concertisten seinem Vortrage muß er fühlen, ob er das was er spielet geschwinder oder langsamer haben wolle: damit er, ohne sonderbare Bewegungen, die andern dahin lenken könne. Dem Concertisten aber muß er die Freyheit lassen, sein Tempo so zu fassen, wie er es für gut befindet.

7. §.

Ein guter Anführer muß weiter: bey dem Orchester einen guten und gleichen Vortrag einzuführen, und zu erhalten suchen. So wie er selber einen guten Vortrag haben muß, so muß er auch suchen denselben bey seinen Mitarbeitern allgemein, und dem seinigen allezeit gleich zu machen. Zu dem Ende muß er eine vernünftige und billige Subordination

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Johann Joachim Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Johann Friedrich Voß, Berlin 1752, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Quantz_Versuch_Fl%C3%B6te_1752_Seite_180.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)